Heilerziehungspflegekräfte
Welches Standing haben Heiler­zie­hungs­pfle­ge­rin­nen und ‑pfleger? Bild: Bild: Alberto H. Fabre­gas

Unter­schied­li­che Berufs­bil­der

Bereits der Blick auf die Rechts­grund­la­gen offen­bart einen ersten Unter­schied zwischen den hier angespro­che­nen Berufen: Während das Berufs­bild der Alten­pflege bzw. der Gesund­heits- und Kranken­pflege (einschließ­lich der Gesund­heits- und Kinder­kran­ken­pflege) auf ein Bundes­ge­setz zurückzuführen ist, unter­liegt das Berufs­bild der Heiler­zie­hungs­pfle­ge­kräfte dem jewei­li­gen Landes­recht.

Diese Konstel­la­tion stellt eine Folge der sogenann­ten konkur­rie­ren­den Gesetz­ge­bung dar: In diesem Bereich haben die Länder die Befug­nis zur Gesetz­ge­bung, solange und soweit der Bund nicht von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat. Artikel 74 Absatz 1 Nummer 19 GG bestimmt, dass auch „das Recht über die Zulas­sung zu ärztlichen und anderen Heilbe­ru­fen und zum Heilge­werbe“ dem Bereich der konkur­rie­ren­den Gesetz­ge­bung unterfällt.

Seit 1957 wird die Kranken­pflege und seit 2003 auch die Alten­pflege als „anderer“, das heißt nicht‑ärztlicher, Heilbe­ruf verstan­den und somit bundes­ein­heit­lich geregelt. Da für den Bereich der Heiler­zie­hungs­pflege der Bund bislang keine Gesetzgebungszuständigkeit für sich beansprucht hat, verbleibt dieser – wie anfangs bereits darge­legt – in der Regelungs­kom­pe­tenz der Länder.

Das hat zufolge, dass es grundsätzlich jedem Bundes­land freige­stellt ist darüber zu entschei­den, ob es eine solche Ausbil­dung von staat­li­cher Seite überhaupt anerkennt und wenn ja, welche Bedin­gun­gen mit der Ertei­lung der Anerken­nung verknüpft sind (zum Beispiel Ausbil­dungs­ziele, ‑struk­tur etc.).

Einheit­li­cher Ausbil­dungs­rah­men fehlt

Durch das Fehlen einer bundes­ein­heit­lich geregel­ten Ausbil­dung in der Heiler­zie­hungs­pflege sind Irrita­tio­nen bezüglich der genauen Berufs­be­zeich­nung, der Tätigkeitsfelder und der vermit­tel­ten Kennt­nisse vorpro­gram­miert. Ein Mindest­maß an Vergleich­bar­keit ergibt sich in den Ländern, die ihre Rahmen­richt­li­nien und Lehrpläne in Übereinstimmung mit der Rahmen­ver­ein­ba­rung über Fachschu­len der Kultus­mi­nis­ter­kon­fe­renz[1] angelegt haben.

Diese Rahmen­ver­ein­ba­rung legt für den Bereich der Heiler­zie­hungs­pflege unter anderem einen Ausbil­dungs­um­fang von mindes­tens 2.400 Unter­richts­stun­den und 1.200 Stunden Praxis fest (zum Vergleich: Alten­pflege bezie­hungs­weise Gesund­heits- und Kranken­pflege mindes­tens 2.100 Stunden theore­ti­scher und prakti­scher Unter­richt sowie mindes­tens 2.500 Stunden prakti­sche Ausbil­dung).

Üblicherweise gestal­ten sich die Rahmen­richt­li­nien und Lehrpläne des berufs­bil­den­den Schul­we­sens nach dem hierfür vorge­se­he­nen didak­ti­schen Konzept der Lernfeld­ori­en­tie­rung. Die Zahl der Lernfel­der, ihr thema­ti­scher Zuschnitt sowie die genaue Vertei­lung der Unter­richts­stun­den kann dabei von Bundes­land zu Bundes­land diffe­rie­ren. Exempla­risch sind hier die Regelun­gen in Nordrhein-Westfa­len[2], Schles­wig-Holstein[3] (jeweils 6 Lernfel­der) und Nieder­sach­sen[4] (7 Lernfel­der) zu nennen.

Verglei­chend und vervollständigend sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Länder auch bei den bundes­ein­heit­lich geregel­ten Pflege­be­ru­fen über einen gewis­sen Spiel­raum hinsicht­lich der Ausge­stal­tung der Ausbil­dung verfügen. Diesem Spiel­raum sind jedoch enge Grenzen – insbe­son­dere durch die zu den Berufs­ge­set­zen jeweils zugehörigen Ausbil­dungs- und Prüfungsverordnungen – gesetzt.

Allen hier genann­ten Ausbildungsgängen ist gemein, dass sie auf die Vermitt­lung von Handlungs­kom­pe­ten­zen ausge­rich­tet sind. Mitun­ter aus diesem Grund finden sich in den einschlägigen berufs­recht­li­chen Vorschrif­ten allen­falls nur grobe Tätigkeitsbeschreibungen.

Insofern könnte der Versuch, die Frage, ob Heiler­zie­hungs­pfle­ge­kräfte aufgrund ihrer Ausbil­dung (die sogenannte formelle Quali­fi­ka­tion) über die gleiche Eignung zur Durchführung einer ganz bestimm­ten Pflege­maß­nahme wie beispiels­weise auch ein Gesund­heits- und Kranken­pfle­ger verfügen, zufrie­den­stel­lend zu klären, bereits im Ansatz schei­tern.

Abhilfe kann unter Umständen die Hinzu­zie­hung von Lehrplänen bieten. Denn diese konkre­ti­sie­ren die gesetz­li­chen Rahmen­vor­ga­ben weiter, wenngleich auch hier die Nennung einzel­ner Maßnah­men und Techni­ken häufig nur exempla­risch (das heißt nicht abschlie­ßend) erfolgt.

Ordnungs- und Leistungs­recht­li­che Perspek­tive

Ein weite­rer Klärungsansatz kann sich aus der Betrach­tung der für die Einrich­tun­gen der Einglie­de­rungs­hilfe – dem überwiegenden Tätigkeitsgebiet der Heiler­zie­hungs­pflege – einschlägigen ordnungs­recht­li­chen Vorschrif­ten (sogenannte „Heimge­setze“) ergeben. Da jedoch dieser Regelungs­be­reich in die Gesetz­ge­bungs­be­fug­nis der Länder fällt, ergeben sich auch hier, wie schon im Bildungs­recht, regio­nale Unter­schiede.

  • Beispiel Baden-Württemberg: In der Landes­per­so­nal­ver­ord­nung (LPersVO)[5] wird zunächst zwischen „Pflegefachkräfte“ und „Fachkräfte“ unter­schie­den: Danach gelten Beschäftigte, die über die Berufs­be­zeich­nung Alten­pfle­ger, Gesund­heits- und Kranken­pfle­ger sowie Gesund­heits- und Kinder­kran­ken­pfle­ger verfügen, als Pflege­fach­kraft (§ 7 Absatz 2). Demgegenüber werden Heiler­zie­hungs­pfle­ge­kräfte zu den Fachkräften (§ 7 Absatz 3) gezählt. Abseits dieser Festle­gung gilt in stationären Einrich­tun­gen der Einglie­de­rungs­hilfe, dass Maßnah­men der Behand­lungs­pflege ausschließ­lich durch Pflege­fach- oder durch Heiler­zie­hungs­pfle­ge­kräfte zu erbrin­gen sind (§ 15 Absatz 1). Die hierfür infrage kommen­den Maßnah­men der Behand­lungs­pflege werden in Anlage 2 der Landes­per­so­nal­ver­ord­nung aufge­lis­tet.
  • Beispiel Nordrhein-Westfa­len: Die Verord­nung zur Durchführung des Wohn- und Teilha­be­ge­set­zes[6] unter­schei­det in „Fachkräfte in der Pflege“ und „Fachkräfte für soziale Betreu­ung“. Beschäftigte, die über einen Berufs­ab­schluss in der Alten­pflege oder Gesund­heits- und (Kinder-) Kranken­pflege verfügen, gelten dabei sowohl als „Fachkräfte in der Pflege“ wie auch als „Fachkräfte für soziale Betreu­ung“ (§ 1 Absatz 1 Nummer 1 bis 3). Gleiches gilt auch für Heiler­zie­hungs­pfle­ge­kräfte, sofern es sich um eine Einrich­tung der Einglie­de­rungs­hilfe handelt (§ 1 Absatz 1 Nummer 4). Handelt es sich hinge­gen um eine andere Einrich­tungs­art, so gilt der Beschäftigte nur als „Fachkraft für soziale Betreu­ung“ (§ 1 Absatz 2 Nummer 2).
  • Beispiel Mecklen­burg-Vorpom­mern: Auch die Einrich­tun­gen­per­so­nal­ver­ord­nung (EPersVO M‑V)[7] legt fest, über welchen Abschluss ein Beschäftigter verfügen muss, um als Fachkraft in Pflege­ein­rich­tun­gen bzw. Einrich­tun­gen für Menschen mit Behin­de­run­gen einge­stuft werden zu können. In Pflege­ein­rich­tun­gen gilt für Beschäftigte, die über einen Berufs­ab­schluss in der Alten­pflege oder Gesund­heits- und (Kinder-) Kranken­pflege verfügen, dass diese zu den „Fachkräften in der Pflege“ (§ 5 Absatz 3) zu zählen sind. Demgegenüber werden Heiler­zie­hungs­pfle­ge­kräfte dort zu den „Fachkräften in der Betreu­ung“ (§ 5 Absatz 5) gezählt. In Pflege­ein­rich­tun­gen, in denen vorwie­gend Menschen mit Behin­de­run­gen oder psychi­schen Erkran­kun­gen gepflegt und betreut werden, gelten Heiler­zie­hungs­pfle­ge­kräfte hinge­gen als „Fachkraft in der Grund­pflege“ (§ 5 Absatz 4). In Einrich­tun­gen für Menschen mit Behin­de­run­gen gelten sowohl Alten­pfle­ger, Gesund­heits- und Kranken­pfle­ger, Gesund­heits- und Kinder­kran­ken­pfle­ger und eben auch der Heiler­zie­hungs­pfle­ger nur als „Fachkraft“ (§ 7).

Allein diese drei Beispiele zeigen deutlich auf, dass die Frage, ob das Berufs­bild der Heiler­zie­hungs­pfle­ge­kräfte zur Gruppe der Pflegefachkräfte zu zählen ist, nicht pauschal beant­wor­tet werden kann.

Fazit

Aus der ordnungs­recht­li­chen Perspek­tive heraus scheint für eine Einord­nung der Heiler­zie­hungs­pfle­ge­kräfte zur Pflege­fach­kraft in erster Linie nur die Art der Einrich­tung von Bedeu­tung zu sein. Werden in diesen Einrich­tun­gen überwiegend Menschen mit Behin­de­run­gen gepflegt und betreut bezie­hungs­weise handelt es sich ganz konkret um Einrich­tun­gen der Einglie­de­rungs­hilfe – kurzum: deckt sich das Arbeits­feld mit beiden Schwer­punk­ten der Heiler­zie­hungs­pflege (Heilpädagogik und Pflege) – steigt die Wahrschein­lich­keit, nicht nur als Fachkraft (für soziale Betreu­ung), sondern auch als Pflege­fach­kraft einge­stuft zu werden.

Gleich­wohl finden sich in den Beispie­len auch Hinweise darauf, dass in den jewei­li­gen Ländern unter­schied­li­che Vorstel­lun­gen über den Umfang der vonsei­ten eines Heiler­zie­hungs­pfle­gers zu leisten­den Pflege bestehen (nur Grund­pflege, Grund-/Behand­lungs­pflege etc.). Ob diese Inkon­sis­tenz auf Unter­schie­den in der länderseits geregel­ten Ausbil­dung zum Heiler­zie­hungs­pfle­ger (siehe oben) beruht oder einen anderen Hinter­grund hat, lässt sich an dieser Stelle nicht klären.

Anzumer­ken ist, dass sich eine weitere Einschränkung aus dem Leistungs­recht ergeben kann. So kann beispiels­weise die Kosten­er­stat­tung einer bestimm­ten (Pflege-)Leistung davon abhängig gemacht werden, dass diese Leistung nur durch Perso­nen mit einem bestimm­ten Berufs­ab­schluss zu erbrin­gen ist. Derar­tige Bestim­mun­gen finden sich unter Umständen in Rahmenverträgen in Verbin­dung mit Qualitätsvorgaben.

Lesetipp:

Die Quali­fi­ka­tion des einge­setz­ten Perso­nals ist in recht­li­cher Hinsicht entschei­dend für die Durch­füh­rung von Maßnah­men im Rahmen der Behand­lungs­pflege. Im Fachbuch „Delega­tion der Behand­lungs­pflege – Perspek­ti­ven für die Prakti­sche Umset­zung“ von Marco Di Bella (Reihe „Kölner Schrif­ten für das Gesund­heits­we­sen, Band 2 ISBN: 978–3‑9811681–1‑2) wird die Frage­stel­lung, was man unter dem Begriff der Behand­lungs­pflege versteht und wer behand­lungs­pfle­ge­ri­sche Tätig­kei­ten ausfüh­ren kann erörtert.

Quellen:

  1. Rahmen­ver­ein­ba­rung über Fachschu­len. Beschluss der Kultus­mi­nis­ter­kon­fe­renz vom 7.11.2002 (in der Fassung vom 2.6.2016, Beschluss Nummer 430).
  2. Vgl. Richt­li­nien und Lehrpläne für das Berufs­kol­leg in Nordrhein-Westfa­len. Fachschule für Sozial­we­sen, Fachrich­tung Heiler­zie­hungs­pflege. Heraus­ge­ge­ben vom Minis­te­rium für Schule und Weiter­bil­dung, 2014.
  3. Vgl. Lehrplan für die Fachschule (FS) der Fachrich­tung Heiler­zie­hungs­pfle­ger. Heraus­ge­ge­ben vom Minis­te­rium für Bildung und Wissen­schaft des Landes Schles­wig-Holstein, August 2015.
  4. Vgl. Rahmen­richt­li­nien für das Fach „Berufs­be­zo­ge­ner Unter­richt“ in der Fachschule – Heiler­zie­hungs­pflege. Heraus­ge­ge­ben vom Niedersächsisches Kultus­mi­nis­te­rium, Mai 2003.
  5. Vgl. Verord­nung des Sozial­mi­nis­te­ri­ums über perso­nelle Anfor­de­run­gen für stationäre Einrich­tun­gen (Landes­per­so­nal­ver­ord­nung – LPersVO) vom 7.12.2015.
  6. Vgl. Verord­nung zur Durchführung des Wohn- und Teilha­be­ge­set­zes (Wohn- und Teilhabegesetz-Durchführungsverordnung – WTG DVO) vom 23.10.2014.
  7. Vgl. Verord­nung über perso­nelle Anfor­de­run­gen für Einrich­tun­gen (Einrich­tun­gen­per­so­nal­ver­ord­nung – EPersVO M‑V) vom 10.11.2010.