Unterschiedliche Berufsbilder
Bereits der Blick auf die Rechtsgrundlagen offenbart einen ersten Unterschied zwischen den hier angesprochenen Berufen: Während das Berufsbild der Altenpflege bzw. der Gesundheits- und Krankenpflege (einschließlich der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege) auf ein Bundesgesetz zurückzuführen ist, unterliegt das Berufsbild der Heilerziehungspflegekräfte dem jeweiligen Landesrecht.
Diese Konstellation stellt eine Folge der sogenannten konkurrierenden Gesetzgebung dar: In diesem Bereich haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund nicht von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat. Artikel 74 Absatz 1 Nummer 19 GG bestimmt, dass auch „das Recht über die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe“ dem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung unterfällt.
Seit 1957 wird die Krankenpflege und seit 2003 auch die Altenpflege als „anderer“, das heißt nicht‑ärztlicher, Heilberuf verstanden und somit bundeseinheitlich geregelt. Da für den Bereich der Heilerziehungspflege der Bund bislang keine Gesetzgebungszuständigkeit für sich beansprucht hat, verbleibt dieser – wie anfangs bereits dargelegt – in der Regelungskompetenz der Länder.
Das hat zufolge, dass es grundsätzlich jedem Bundesland freigestellt ist darüber zu entscheiden, ob es eine solche Ausbildung von staatlicher Seite überhaupt anerkennt und wenn ja, welche Bedingungen mit der Erteilung der Anerkennung verknüpft sind (zum Beispiel Ausbildungsziele, ‑struktur etc.).
Einheitlicher Ausbildungsrahmen fehlt
Durch das Fehlen einer bundeseinheitlich geregelten Ausbildung in der Heilerziehungspflege sind Irritationen bezüglich der genauen Berufsbezeichnung, der Tätigkeitsfelder und der vermittelten Kenntnisse vorprogrammiert. Ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit ergibt sich in den Ländern, die ihre Rahmenrichtlinien und Lehrpläne in Übereinstimmung mit der Rahmenvereinbarung über Fachschulen der Kultusministerkonferenz[1] angelegt haben.
Diese Rahmenvereinbarung legt für den Bereich der Heilerziehungspflege unter anderem einen Ausbildungsumfang von mindestens 2.400 Unterrichtsstunden und 1.200 Stunden Praxis fest (zum Vergleich: Altenpflege beziehungsweise Gesundheits- und Krankenpflege mindestens 2.100 Stunden theoretischer und praktischer Unterricht sowie mindestens 2.500 Stunden praktische Ausbildung).
Üblicherweise gestalten sich die Rahmenrichtlinien und Lehrpläne des berufsbildenden Schulwesens nach dem hierfür vorgesehenen didaktischen Konzept der Lernfeldorientierung. Die Zahl der Lernfelder, ihr thematischer Zuschnitt sowie die genaue Verteilung der Unterrichtsstunden kann dabei von Bundesland zu Bundesland differieren. Exemplarisch sind hier die Regelungen in Nordrhein-Westfalen[2], Schleswig-Holstein[3] (jeweils 6 Lernfelder) und Niedersachsen[4] (7 Lernfelder) zu nennen.
Vergleichend und vervollständigend sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Länder auch bei den bundeseinheitlich geregelten Pflegeberufen über einen gewissen Spielraum hinsichtlich der Ausgestaltung der Ausbildung verfügen. Diesem Spielraum sind jedoch enge Grenzen – insbesondere durch die zu den Berufsgesetzen jeweils zugehörigen Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen – gesetzt.
Allen hier genannten Ausbildungsgängen ist gemein, dass sie auf die Vermittlung von Handlungskompetenzen ausgerichtet sind. Mitunter aus diesem Grund finden sich in den einschlägigen berufsrechtlichen Vorschriften allenfalls nur grobe Tätigkeitsbeschreibungen.
Insofern könnte der Versuch, die Frage, ob Heilerziehungspflegekräfte aufgrund ihrer Ausbildung (die sogenannte formelle Qualifikation) über die gleiche Eignung zur Durchführung einer ganz bestimmten Pflegemaßnahme wie beispielsweise auch ein Gesundheits- und Krankenpfleger verfügen, zufriedenstellend zu klären, bereits im Ansatz scheitern.
Abhilfe kann unter Umständen die Hinzuziehung von Lehrplänen bieten. Denn diese konkretisieren die gesetzlichen Rahmenvorgaben weiter, wenngleich auch hier die Nennung einzelner Maßnahmen und Techniken häufig nur exemplarisch (das heißt nicht abschließend) erfolgt.
Ordnungs- und Leistungsrechtliche Perspektive
Ein weiterer Klärungsansatz kann sich aus der Betrachtung der für die Einrichtungen der Eingliederungshilfe – dem überwiegenden Tätigkeitsgebiet der Heilerziehungspflege – einschlägigen ordnungsrechtlichen Vorschriften (sogenannte „Heimgesetze“) ergeben. Da jedoch dieser Regelungsbereich in die Gesetzgebungsbefugnis der Länder fällt, ergeben sich auch hier, wie schon im Bildungsrecht, regionale Unterschiede.
- Beispiel Baden-Württemberg: In der Landespersonalverordnung (LPersVO)[5] wird zunächst zwischen „Pflegefachkräfte“ und „Fachkräfte“ unterschieden: Danach gelten Beschäftigte, die über die Berufsbezeichnung Altenpfleger, Gesundheits- und Krankenpfleger sowie Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger verfügen, als Pflegefachkraft (§ 7 Absatz 2). Demgegenüber werden Heilerziehungspflegekräfte zu den Fachkräften (§ 7 Absatz 3) gezählt. Abseits dieser Festlegung gilt in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe, dass Maßnahmen der Behandlungspflege ausschließlich durch Pflegefach- oder durch Heilerziehungspflegekräfte zu erbringen sind (§ 15 Absatz 1). Die hierfür infrage kommenden Maßnahmen der Behandlungspflege werden in Anlage 2 der Landespersonalverordnung aufgelistet.
- Beispiel Nordrhein-Westfalen: Die Verordnung zur Durchführung des Wohn- und Teilhabegesetzes[6] unterscheidet in „Fachkräfte in der Pflege“ und „Fachkräfte für soziale Betreuung“. Beschäftigte, die über einen Berufsabschluss in der Altenpflege oder Gesundheits- und (Kinder-) Krankenpflege verfügen, gelten dabei sowohl als „Fachkräfte in der Pflege“ wie auch als „Fachkräfte für soziale Betreuung“ (§ 1 Absatz 1 Nummer 1 bis 3). Gleiches gilt auch für Heilerziehungspflegekräfte, sofern es sich um eine Einrichtung der Eingliederungshilfe handelt (§ 1 Absatz 1 Nummer 4). Handelt es sich hingegen um eine andere Einrichtungsart, so gilt der Beschäftigte nur als „Fachkraft für soziale Betreuung“ (§ 1 Absatz 2 Nummer 2).
- Beispiel Mecklenburg-Vorpommern: Auch die Einrichtungenpersonalverordnung (EPersVO M‑V)[7] legt fest, über welchen Abschluss ein Beschäftigter verfügen muss, um als Fachkraft in Pflegeeinrichtungen bzw. Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen eingestuft werden zu können. In Pflegeeinrichtungen gilt für Beschäftigte, die über einen Berufsabschluss in der Altenpflege oder Gesundheits- und (Kinder-) Krankenpflege verfügen, dass diese zu den „Fachkräften in der Pflege“ (§ 5 Absatz 3) zu zählen sind. Demgegenüber werden Heilerziehungspflegekräfte dort zu den „Fachkräften in der Betreuung“ (§ 5 Absatz 5) gezählt. In Pflegeeinrichtungen, in denen vorwiegend Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen gepflegt und betreut werden, gelten Heilerziehungspflegekräfte hingegen als „Fachkraft in der Grundpflege“ (§ 5 Absatz 4). In Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen gelten sowohl Altenpfleger, Gesundheits- und Krankenpfleger, Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger und eben auch der Heilerziehungspfleger nur als „Fachkraft“ (§ 7).
Allein diese drei Beispiele zeigen deutlich auf, dass die Frage, ob das Berufsbild der Heilerziehungspflegekräfte zur Gruppe der Pflegefachkräfte zu zählen ist, nicht pauschal beantwortet werden kann.
Fazit
Aus der ordnungsrechtlichen Perspektive heraus scheint für eine Einordnung der Heilerziehungspflegekräfte zur Pflegefachkraft in erster Linie nur die Art der Einrichtung von Bedeutung zu sein. Werden in diesen Einrichtungen überwiegend Menschen mit Behinderungen gepflegt und betreut beziehungsweise handelt es sich ganz konkret um Einrichtungen der Eingliederungshilfe – kurzum: deckt sich das Arbeitsfeld mit beiden Schwerpunkten der Heilerziehungspflege (Heilpädagogik und Pflege) – steigt die Wahrscheinlichkeit, nicht nur als Fachkraft (für soziale Betreuung), sondern auch als Pflegefachkraft eingestuft zu werden.
Gleichwohl finden sich in den Beispielen auch Hinweise darauf, dass in den jeweiligen Ländern unterschiedliche Vorstellungen über den Umfang der vonseiten eines Heilerziehungspflegers zu leistenden Pflege bestehen (nur Grundpflege, Grund-/Behandlungspflege etc.). Ob diese Inkonsistenz auf Unterschieden in der länderseits geregelten Ausbildung zum Heilerziehungspfleger (siehe oben) beruht oder einen anderen Hintergrund hat, lässt sich an dieser Stelle nicht klären.
Anzumerken ist, dass sich eine weitere Einschränkung aus dem Leistungsrecht ergeben kann. So kann beispielsweise die Kostenerstattung einer bestimmten (Pflege-)Leistung davon abhängig gemacht werden, dass diese Leistung nur durch Personen mit einem bestimmten Berufsabschluss zu erbringen ist. Derartige Bestimmungen finden sich unter Umständen in Rahmenverträgen in Verbindung mit Qualitätsvorgaben.
Lesetipp:
Die Qualifikation des eingesetzten Personals ist in rechtlicher Hinsicht entscheidend für die Durchführung von Maßnahmen im Rahmen der Behandlungspflege. Im Fachbuch „Delegation der Behandlungspflege – Perspektiven für die Praktische Umsetzung“ von Marco Di Bella (Reihe „Kölner Schriften für das Gesundheitswesen, Band 2 ISBN: 978–3‑9811681–1‑2) wird die Fragestellung, was man unter dem Begriff der Behandlungspflege versteht und wer behandlungspflegerische Tätigkeiten ausführen kann erörtert.
Quellen:
- Rahmenvereinbarung über Fachschulen. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 7.11.2002 (in der Fassung vom 2.6.2016, Beschluss Nummer 430).
- Vgl. Richtlinien und Lehrpläne für das Berufskolleg in Nordrhein-Westfalen. Fachschule für Sozialwesen, Fachrichtung Heilerziehungspflege. Herausgegeben vom Ministerium für Schule und Weiterbildung, 2014.
- Vgl. Lehrplan für die Fachschule (FS) der Fachrichtung Heilerziehungspfleger. Herausgegeben vom Ministerium für Bildung und Wissenschaft des Landes Schleswig-Holstein, August 2015.
- Vgl. Rahmenrichtlinien für das Fach „Berufsbezogener Unterricht“ in der Fachschule – Heilerziehungspflege. Herausgegeben vom Niedersächsisches Kultusministerium, Mai 2003.
- Vgl. Verordnung des Sozialministeriums über personelle Anforderungen für stationäre Einrichtungen (Landespersonalverordnung – LPersVO) vom 7.12.2015.
- Vgl. Verordnung zur Durchführung des Wohn- und Teilhabegesetzes (Wohn- und Teilhabegesetz-Durchführungsverordnung – WTG DVO) vom 23.10.2014.
- Vgl. Verordnung über personelle Anforderungen für Einrichtungen (Einrichtungenpersonalverordnung – EPersVO M‑V) vom 10.11.2010.