Welche Rolle spielen Sport und Bewegung bei der Stärkung des Immunsystems?
Sport und Bewegung lösen Reize im menschlichen Körper aus. Diese Reize treffen vor allem unsere Muskulatur und „kitzeln“ damit das Immunsystem. Das Immunsystem „lernt“ dadurch mit diesen dauerhaften Reizen umzugehen. Auch bei einer Erkrankung ist das Immunsystem dauerhaft gereizt, durch ausreichend Sport und Bewegung hat es sich jedoch an diese Reize bereits gewöhnt und kann besser mit der Erkrankung umgehen.
Beim Sport entwickelt sich der Körper stetig weiter: Krafttraining fördert den Muskelaufbau, Ausdauertraining die Kondition. Der Zusammenhang zwischen der Wirkung von Sport und Bewegung auf das Immunsystem ergibt sich auch hier aus der Stimulation der Muskulatur. Diese stellt durch die Reizung bestimmte Botenstoffe her, die mit dem Immunsystem kommunizieren. Die Zellen, die zur Virenabwehr dienen, werden gestärkt und können langfristig besser funktionieren.
Sportart und Dosierung sind individuell
„Grundsätzlich sollte man alles tun, was einem Spaß macht“, so die Aussage von Prof. Dr. Christine Joisten. Es gibt keine geeigneten oder ungeeigneten Sportarten. Krafttraining sei sicherlich sehr gut zur Immunstärkung geeignet, da es direkt und effektiv auf die Muskulatur abzielt. Aber auch Schwimmen, Radfahren, Laufen und Ballsportarten sind ebenso geeignet wie die „Body & Mind“-Sportarten Yoga, Pilates und Co.
Bei der Belastungssteuerung kommt es natürlich auch auf den individuellen körperlichen Trainingszustand an. Wichtig sei, dass man mit einer gesunden Belastung anfängt. „Mann kann ja schließlich keinen Marathon laufen, ohne moderat darauf hinzutrainieren“. Man empfiehlt üblicherweise, sich je 30 Minuten an fünf Tagen die Woche oder 75 Minuten an drei Tagen pro Woche zu bewegen.
Letztendlich sollte man laut Prof. Dr. Koisten die Belastung so setzen, dass sie einem gut tut. Fühlt man sich nach dem Sport fit und gesund, ist es genau richtig. Hat man das Gefühl, es überfordert einen, ist es zu viel. So manche Sportskanone wird bestimmt schon einmal etwas vom „Open-Window-Effekt“ gehört haben. Dieser tritt dann auf, wenn nach einer intensiveren Anstrengung mehr Stresshormone im Körper ausgeschüttet werden.
Diese Stresshormone wirken immunsuppressiv und fahren das immunsystem nach der Belastung kurzzeitig runter. Aus diesem Grund fühlt man sich nach einer extrem anstrengenden Sportsession auch schonmal etwas krank. Auch deshalb ist eine ausreichende Regenerationszeit extrem wichtig.
Wann ist Sport schädlich?
Draußen an der frischen Luft sind Sport und Bewegung durchaus zu empfehlen. Bei warm-schwülen Sommertemperaturen sollte man jedoch vorsichtig sein. Gerade bei hohen Ozonwerten können die Atemwege durch sportliche Betätigung gereizt und das Herz-Kreislauf-System gestört werden.
Es ist daher ratsam, die Bewegung in die kühleren Morgen- oder Abendstunden zu verlegen, tagsüber ausreichend Wasser zu trinken und die Belastung bei hohen Temeraturen moderat zu halten.
Bei Fieber oder Infekten, wie Husten oder Schnupfen, gehört man stattdessen definitiv ins Bett und sollte auf Sportaktivitäten verzichten. Das Immunsystem arbeitet in dieser Zeit bereits an der Bekämpfung der Krankheitserreger. Ein zusätzlicher Reiz durch Sport und Bewegung kann das Immunsystem „überfordern“, was zu gefährlichen Störungen des Herz-Kreislauf-Systems oder zu Herz-Muskelentzündungen führen kann.
Sport als „Medikament 1.0“ zur Prävention
Wird man gar nicht mehr krank, wenn man genügend Sport macht? Ein gewisses genetisches Grundgerüst ist sicherlich eine Voraussetzung des Gesundheitszustandes. In jedem Fall spielt Sport in der heutigen Zeit eine immer größere Rolle bei der Vorbeugung vor Krankheiten aller Art. Im Zuge unseres heutigen Lebensstils tauchen immer mehr Erkrankungen auf, die durch die neuzeitlichen Veränderungen der Ernährung und des Lebens hervorgerufen werden. Beispielsweise haben Raucher ein höheres Risiko, beim Sport am Herztod zu sterben.
Sport und Bewegung schützt sicherlich nicht vor allem, aber man kann gerade den „neuartigen“ Krankheiten bis hin zu Alzheimer vorbeugen und diese bis ins höhere Alter hinauszögern und einen milderen Verlauf erzwingen. Bewegung ist laut Prof. Dr. Joisten damit sicherlich das „Medikament 1.0, mit 50 Ausrufezeichen“. Das Prinzip „Survival of the Fittest“ hat also in der heutigen Zeit (bis zum Tod) noch Bestand.
„Ein Glas Kakao nach dem Sport“
Auch Ernährung spielt in Kombination mit Sport und Bewegung eine wichtige Rolle. Drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst pro Tag seien sicherlich wünschenswert. Auch die mediterrane Küche sei hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Wirkung bereits gut erforscht. Dazu kommt eine ausreichende Zufuhr an Wasser und genügend Ballaststoffe. Insgesamt sollte man um fit zu bleiben auch nicht zu viel essen.
Im Leistungssport empfiehlt Prof. Dr. Joisten ein Glas Kakao zur Regeneration. Darin enthalten sind die nötigen Strukturproteine und Zuckervorräte, die der Körper zum Muskelaufbau und für seinen Glykogenspeicher braucht.
Bei der Zufuhr von Nahrungsergänzungsmitteln gehen die gesellschaftlichen Meinungen hier und da auseinander. Man könne laut Prof. Dr. Joisten supplementieren, wenn ein nachgewiesener Mangel an bestimmten Stoffen besteht, beispielsweise Magnesium oder Vitamin D. Ansonsten sei die Zufuhr von Supplements, Eiweißriegeln etc. nicht zwingend notwendig.
Das komplette Interview im Video
Zur Person:Prof. Dr. Christine Joisten ist eine deutsche Sportmedizinerin, Lehrerin an der Deutschen Sporthochschule und 1. Vorsitzende des Sportärztebunds Nordrhein.