
Spezialisierte Wundversorgung: Zum Hintergrund
Die aktuelle Situation in der Wundversorgung ist durch herausfordernde Veränderungen gekennzeichnet. Neben der beabsichtigten Neuordnung der Erstattungspraxis für Verbandmittel wurden vom Gesetzgeber auch die Strukturen in der Erbringung von Leistungen zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden über § 37 Absatz 7 SGB V (Häusliche Krankenpflege) neu aufgestellt.
Zum 1. Januar 2022 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G‑BA) als höchstes Gremium der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen die Rahmenempfehlung nach § 132a Absatz 1 SGB V vorgegeben, nach denen sich seither die Qualitätsanforderungen zur Behandlung von chronischen Wunden und die Kriterien für die Eignung von Pflegediensten und Wundzentren richten, die sich in spezialisierten Pflegediensten oder Einrichtungen ausschließlich mit der Behandlung von Wunden beschäftigen.
Reza Moeini und Alexander Meyhöfer sind Pioniere in diesem Bereich. Im Rahmen der diesjährigen Winterakademie standen beide Entrepreneure der Rechtsdepesche zum Interview zur Verfügung. Das Gespräch führte Michael Schanz.
Praktiker im Interview
Rechtsdepesche: Herr Meyhöfer, Sie haben das erste anerkannte Wundzentrum im rheinland-pfälzischen Neuwied gegründet. Was genau macht Ihre Tätigkeit aus?
Alexander Meyhöfer: Bisher haben wir mit „BeFaMed, Ihr Wundexperte“ als Homecarer lediglich eine herstellerneutrale Wundberatung durchgeführt und hierduch die Patienten sowie die die Fachkreise bei der Durchführung der Wundversorgung unterstützt. Durch die gesetzlichen Änderungen ist es uns nun mit den SEWUmed Wundzentren möglich geworden den nächsten Schritt zu gehen.
Rechtsdepesche: Was genau verbirgt sich hinter diesem weiteren Schritt?
Meyhöfer: Durch die neue Änderung der HKP-Richtlinie ist es jetzt möglich hochspezialisierte Therapie am Patienten umzusetzen. Hier arbeiten wir mit spezialisierten Fachkräften zusammen, die alle nach den strengen Anforderungen der HKP-Vorgaben ausgebildet worden sind und den Einsatz innovativer Behandlungsmethoden beherrschen. Das heißt: über die Beratung hinaus setzen wir mit einem Topteam nun auch hochwertige Therapien um.
Rechtsdepesche: Wie aufwendig war denn die Gründung des Wundzentrums?
Meyhöfer: Wir wurden auf der Winterakademie im Jahr 2024 auf Reza Moeinis Konzept von PROCARE aufmerksam. PROCARE unterstützt spezialisierte Pflegedienste und Wundzentren bei der Umsetzung des Vorhabens und begleitet uns von Anfang an in allen Arbeitsphasen.
Als regionaler Anbieter war für uns das Konzept der PROCARE eine große Hilfe. Wir konnten vorgezeichnete Wege beschreiten, so dass sich unser Aufwand bei der Gründung im Rahmen hielt. PROCARE bietet aber nicht nur praktische Unterstützung, sondern auch wertvolle Schulungen und fortlaufende Betreuung. Dadurch konnten wir unsere Dienstleistungen deutlich effizienter und patientenorientierter gestalten.
Rechtsdepesche: Lieber Herr Moeini, das hört sich interessant an. Was genau zeichnet denn Ihr Konzept aus?
Reza Moeini: Die PROCARE Wundzentren GmbH betreibt spezialisierte Pflegedienste in Deutschland. Einerseits leiten wir unsere eigenen Zentren unter dem Namen PROCARE. Andererseits unterstützen wir auch bestehende Wundzentren und neue Projekte bei der Umsetzung der HKP-Richtlinie, um ihnen den Einstieg in die neue Form der Leistungserbringung zu erleichtern.
Unsere Expertise ermöglicht es uns, maßgeschneiderte Lösungen anzubieten und sicherzustellen, dass alle Anforderungen effizient erfüllt werden. Darüber hinaus legen wir großen Wert auf kontinuierliche Weiterbildung und Qualitätssicherung, um den höchsten Pflegestandards auf aktuellem Niveau gerecht zu werden.
Rechtsdepesche: Wie sieht denn die Unterstützung für neue Vorhaben im Detail aus?
Moeini: Kurz zusammengefasst stellen wir unseren Partnern ein umfassendes und zertifiziertes Versorgungskonzept zur Verfügung. Wir begleiten und unterstützen die Verhandlungen mit den Krankenkassen und helfen bei der Weiterbildung der Mitarbeiter. Darüber hinaus bieten wir ein Online-Aufklärungstool, mit dem wir Patienten über die Therapiemöglichkeiten informieren und auf unser Versorgungskonzept aufmerksam machen. Zudem haben wir eine separate Softwarelösung entwickelt, die genau auf die Bedürfnisse der Wundversorgung eingeht. Diese umfassende Unterstützung ermöglicht es unseren Partnern eine qualitativ hochwertige Wundversorgung zu garantieren und die Patientenversorgung auf ein neues Niveau zu heben.
Rechtsdepesche: Welche Rolle spielt dabei die Software von PROCARE?
Moeini: Die Software ist das zentrale Bindeglied im Behandlungsgeschehen. Das Einzigartige hieran ist, dass wir sie speziell für die Wundversorgung entwickelt haben. Aber nicht nur die Wunddokumentation spielt hier eine Rolle, sondern mit PraxisConnect und Telemedizin ist auch die Einbindung der behandelnden Ärzte in Echtzeit gelungen. Diese Integration ermöglicht eine nahtlose Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Pflegediensten und Ärzten, wodurch die Behandlungsqualität und Effizienz gesteigert werden. Zudem erleichtert die Software die kontinuierliche Überwachung und Anpassung der Wundbehandlung, was zu besseren Heilungsergebnissen für die Patienten führt.
Rechtsdepesche: Herr Meyhöfer, welche Erfahrung haben Sie den in der Praxis mit der Software gemacht?
Meyhöfer: Wir haben mit dem System PraxisConnect und den telemedizinischen Möglichkeiten eine maximale Transparenz mit den behandelnden Ärzten hergestellt. Somit arbeitet nicht jeder für sich, sondern wir arbeiten alle gemeinsam. Die geschaffene Transparenz bringt eine ganz neue Dynamik in die interdisziplinäre Therapiegestaltung.
Rechtsdepesche: Das wirkt sich doch aus bestimmt positiv auf das Heilungsgeschehen aus, oder?
Meyhöfer: Wir können jetzt wesentlich schneller auf Änderungen reagieren. Durch Gefäßmessungen oder Keimbelastungstests, die fest zu unserem Versorgungskonzept gehören, kann die passende Therapie direkt mit den Ärzten koordiniert werden. Zudem bieten uns moderne Methoden wie die Negative Pressure Wound Therapy (deutsch: Unterdruckuntgestützte Wundtherapie) und die innovative Kaltplasmatherapie weitere ausgezeichnete Möglichkeiten. Diese fortschrittlichen Behandlungsansätze ermöglichen – in enger Abstimmung mit den Ärzten – eine erhebliche Verbesserung der Heilungschancen.
Rechtsdepesche: Wundzentren gibt es ja schon seit längerer Zeit. Was hat PROCARE bewogen sich nun im Bereich „Wundzentren“ zu engagieren?
Moeini: Das bisher angewendete Konzept der Finanzierung von Wundzentren über die verordneten Materialien war für uns keine Option. Durch die neuen gesetzlichen Änderungen ist es uns nun möglich die Therapie in den Vordergrund zu stellen. Damit bewegen wir uns von der Wundversorgung hin zur Wundheilung. Diese Chance der Strukturveränderung nutzen wir aus voller Überzeugung.
Rechtsdepesche: Wie sehen die Planungen von PROCARE in der Zukunft aus?
Moeini: Wir sind gerade in den Planungen einiger neuen Zentren in Deutschland und haben viele Anfragen vorliegen, die wir aktuell prüfen. Aktuell sehen wir das die veränderten Strukturen Früchte tragen und große Erfolge im Bereich der Wundheilung bewirken. Mit den gewonnenen Erkenntnissen sind wir mit den Kostenträgern und Ärzten in einem permanenten Austausch und freuen uns sehr über die positiven Rückmeldungen. Ich bin mir sicher, dass wir in den kommenden Jahren einen großen Anteil zur Verbesserung der Versorgungstrukturen beitragen können. Und darauf freue ich mich!
Rechtsdepesche: Sehr geehrte Herren, ich bedanke mich für das aufschlussreiche Gespräch.