Sozialwahl
Erneut bitten einige Kranken­kas­sen und die Renten­ver­si­che­rung zur Sozial­wahl. Doch wer wen wofür wählt, bleibt vielen unklar. Bild: Friede­mann Budich/vdek

Nachdem die Wähler ihr Kreuz gemacht haben, können sie die roten Brief­um­schläge kosten­los zurück­sen­den. Spätes­tens am 31. Mai 2017 muss der rote Umschlag mit dem angekreuz­ten Stimm­zet­tel wieder bei dem jewei­li­gen Sozial­ver­si­che­rungs­trä­ger einge­hen. Für Mitglie­der der BARMER findet aufgrund der Fusion von BARMER GEK und Deutscher BKK zum 1. Januar 2017 ein späte­rer Wahlter­min statt. BARMER-Mitglie­der erhal­ten die Wahlun­ter­la­gen Anfang Septem­ber 2017. Die Frist endet für sie am 4. Oktober 2017.

Die Sozial­wahl findet alle sechs Jahre als Brief­wahl statt. Mit ihr entschei­den Versi­cherte der gesetz­li­chen Renten‑, Kranken- und Unfall­ver­si­che­rung über ihre Vertre­tung im Verwal­tungs­rat der Kranken­kas­sen bezie­hungs­weise in der Vertre­ter­ver­samm­lung der Deutschen Renten­ver­si­che­rung Bund.

Jeder kann sich zur Wahl aufstel­len lassen, braucht aber Unter­stüt­zer

Dazu erklärte Prof. Josef Hecken, unpar­tei­ischer Vorsit­zen­der des Gemein­sa­men Bundes­aus­schus­ses (G‑BA): „Die Sozial­wahl ist für die Versi­cher­ten das wichtigste Instru­ment, die Ausge­stal­tung der Sozial­ver­si­che­rung zu beein­flus­sen. Sie ist unver­zicht­ba­rer Bestand­teil unseres Sozial­sys­tems, das vom Grund­ge­dan­ken der Selbst­ver­wal­tung getra­gen wird.“

Es gibt aber auch viele kriti­sche Stimmen zur Sozial­wahl, denn eigent­lich weiß keiner so genau, wer da eigent­lich wen wofür wählt. Im Grund­satz kann sich jeder für die Wahl aufstel­len lassen, aller­dings muss er dafür 2.000 Unter­stüt­zer­un­ter­schrif­ten vorwei­sen. So kommt es, dass die meisten Kandi­da­ten von den Gewerk­schaf­ten und aus den Reihen der Arbeit­ge­ber ernannt werden.

Legiti­ma­ti­ons­de­fi­zit und Demokra­tie­de­fi­zit

Wofür die Kandi­da­ten stehen, kann man in Veröf­fent­li­chun­gen vor der Wahl nachle­sen, einen richti­gen Wahlkampf, gar eine öffent­li­che Debatte mit den Kandi­da­ten gibt es aber nicht. Im übrigen wählt man auch nicht einzelne Perso­nen, sondern eine Liste. Wer warum nominiert wird und auf welchem Listen­platz er landet, bleibt intrans­pa­rent. Auch ist unklar, wie lange die Kandi­da­ten schon in dem Gremium sitzen und was sie bereits erreicht haben.

Von einem richti­gen Legiti­ma­ti­ons­de­fi­zit und einem Demokra­tie­de­fi­zit sprechen Kriti­ker im Fall der sogenann­ten Friedens­wahl. Von den 230 Kranken­kas­sen und Renten­ver­si­che­rungs­trä­gern Deutsch­lands stellen nur 9 Kandi­da­ten zu einer echten Wahl auf, das heisst es gibt mehr Kandi­da­ten als Plätze im Gremium zur Verfü­gung stehen. Der Rest stellt ebenso viele Kandi­da­ten wie Sitze im Gremium auf, die dann automa­tisch als gewählt gelten. Diese Praxis verfolgt zum Beispiel die AOK, ein wahrlich großer Player im Kranken­ver­si­che­rungs­sys­tem. Gedeckt wird dieses Vorge­hen durch das Sozial­ge­setz­buch, in dem die Friedens­wahl als Option vorge­schla­gen wird.

Es bedürfte also Refor­men

Die Gremien, über die bei der Sozial­wahl entschie­den wird, haben viel zu sagen. Kranken­kas­sen und Renten­ver­si­che­rung sind in Deutsch­land in Selbst­ver­wal­tung organi­siert. Die sogenann­ten Vertre­ter­ver­samm­lun­gen bestim­men, wer Chef ist bei den Kranken­kas­sen und der Renten­ver­si­che­rung und wie viel dort verdient wird. Sie entschei­den, welche Rehabi­li­ta­ti­ons­maß­nah­men eine Unfall- oder Kranken­kasse übernimmt. Außer­dem beraten sie, wer über Patien­ten­be­schwer­den entschei­det, ob also bspw. eine Kur zurecht verwei­gert wurde.

Es bedürfte also Refor­men, was von der Politik – der Großen Koali­tion aus CDU und SPD – auch gesehen und angeregt wurde. Doch auf Druck der Gewerk­schaf­ten und der Arbeit­ge­ber­ver­bände verlie­fen die Bemühun­gen im Sande. Die Bundes­be­auf­tragte für die Sozial­wah­len, Rita Pawel­ski (CDU), ist enttäuscht und gibt gegen­über der Ärzte­Zei­tung zu Proto­koll, dass man die Sozial­wahl eigent­lich nicht Wahl nennen dürfte.

Quelle: vdek, G‑BA, Wikipe­dia, Deutsch­land­funk, noz.de, Ärzte­Zei­tung, NDR