Sozialversicherungsbeitrag als Fass ohne Boden? Mithilfe einer stärkeren Steuerfinanzierung und einer an den Einnahmen orientierten Ausgabenkontrolle in der GKV ließe sich dieser Anstieg dämpfen, glauben Experten.
Das geht aus einer szenarienbasierten Projektion der Beitragssatzentwicklung für alle Zweige der Sozialversicherung, also gesetzliche Renten‑, Kranken-. Pflege- und Arbeitslosenversicherung, bis zum Jahr 2035 hervor.
Dafür modellierten IGES-Experten den Einfluss der wichtigsten beitragsrelevanten Einflussfaktoren wie etwa Bevölkerungs‑, Lohn- und Beschäftigungsentwicklung. Jüngste von der Bundesregierung beschlossene Reformen bei der Rente und der Krankenhausversorgung wurden mit einberechnet.
Zudem wurden ausgewählte Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzsituation in der Sozialversicherung in eine Gesamtprojektion einbezogen. Die Kurzstudie entstand für die DAK-Gesundheit.
Beitragssatzanstiege bei GKV und SPV wirken sich aus
Der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz steigt der Projektion zufolge ab dem Jahr 2024 weiter an.
In den Jahren 2025 und 2026 spielen dabei vor allem erwartete Beitragssatzanstiege in der Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (GKV und SPV) mit rein, wie ein Basisszenario zeigt. Im Basisszenario gingen die IGES-Wissenschaftler von mittleren Ausprägungen der untersuchten Einflussfaktoren aus, die auf die Beitragshöhe wirken.
Ab dem Jahr 2028 drohen den Berechnungen zufolge bis auf marginale Ausnahmen in allen vier Zweigen der Sozialversicherung weitere Beitragssatzanstiege, die im Jahr 2035 zu einer Gesamthöhe des Gesamtsozialversicherungsbeitragssatzes von 48,6 Prozent führen.
Dämpfung der GKV-Ausgaben durch mehr Steuerfinanzierung
Maßnahmen einer derzeit hypothetischen, stärkeren Steuerfinanzierung in der GKV und SPV könnten diesen Anstieg dämpfen.
In der Projektion erfolgte dies auf Vorschlag der DAK-Gesundheit rechnerisch durch eine Finanzierung der Deckungslücke bei Bürgergeldbeziehern in der GKV – nach IGES-Berechnungen ein Betrag von rund neun Milliarden Euro -, durch eine Dynamisierung des Bundeszuschusses in der GKV gemäß der Lohnentwicklung sowie durch eine Steuerfinanzierung der Rentenversicherungsbeiträge von Pflegepersonen und Ausbildungskosten in der SPV, was sich auf rund vier Milliarden Euro belaufen würde.
Dadurch könnte sich der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz im Jahr 2035 um knapp 1,0 Prozentpunkte verringern und läge dann bei 47,7 Prozent.
Starker Effekt einer einnahmeorientierten Ausgabenpolitik
Einen starken Effekt auf die Entwicklung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags hätte eine einnahmeorientierte Ausgabenpolitik in der GKV, bei der sich die GKV-Ausgaben künftig an der durchschnittlichen Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen orientieren.
Käme dies zu der ausgeweiteten Steuerfinanzierung hinzu, fiele der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz im Jahr 2035 mit 45,5 Prozent um weitere 0,4 Prozentpunkte geringer aus.
Beitragssatzanstieg in der GKV auf 19,3 Prozent
Die Kurzstudie schlüsselt die Beitragsentwicklung jedes einzelnen untersuchten Sozialversicherungszweigs auf. Beispiel GKV: Der Projektion zufolge wird der Beitragssatz künftig kräftig steigen.
Im Jahr 2025 wächst er voraussichtlich um 0,6 Prozentpunkte auf 16,9 Prozent und 2026 auf 17,4 Prozent, da dann keine Mittel mehr aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds bereitstehen.
Zudem kommen weitere finanzielle Belastungen auf: darunter knapp 1,3 Milliarden Euro als Rückzahlung des 2023 gewährten Bundesdarlehens für die GKV sowie 2,5 Milliarden als erste Zahlung für den im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) vorgesehenen Transformationsfonds, um die geplanten Umstrukturierungen der Krankenhäuser zu unterstützen.
Ab 2027 sind in der Projektion keine vergleichbaren Sonderbelastungen antizipiert worden und es wurde unterstellt, dass die von der Bundesregierung erwarteten Effizienzgewinne des KHVVG tatsächlich realisiert werden und zu entsprechenden Minderausgaben führen (1 Milliarde Euro). Trotzdem steigen die Leistungsausgaben im Basisszenario stärker als die beitragspflichtigen Einnahmen.
Dadurch öffnet sich die Schere zwischen Ausgaben- und Einnahmenentwicklung weiter und der Beitragssatz steigt im Basisszenario im Jahr 2035 auf 19,3 Prozent.
Quelle: DAK Gesundheit