Es klingt so verlockend: Schnell eine Multivitamin-Kapsel einwerfen oder eine Nährstoffcocktail-Brausetablette in Wasser auflösen und trinken – und (vermeintlich) etwas für die Gesundheit tun. Dementsprechend ist der Markt für Nahrungsergänzungsmittel riesengroß. Ob Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sind, sagt das aber noch nicht.
Für das Jahr 2023 berichtete die „Ärzte-Zeitung“, mit Berufung auf das Marktforschungsunternehmen Mintel, von einem Marktvolumen von 1,78 Milliarden Euro, mit einem Plus von 4,8 Prozent zum Vorjahr. Für 2028 erwarteten die Marktforscher, dass der Markt laut ihrer Berechnung die Zwei-Milliarden-Marke überschreitet. Ungefähr jeder Dritte, so eine Schätzung, greift zumindest gelegentlich zu den Pillen und Präparaten.
Neben dem allgemeinen Wunsch, seinen Vitamin- oder Mineralstoff-Haushalt mit Multi-Präparaten aufzubessern und einfach gesundheitstechnisch „auf der sicheren Seite“ zu sein, können auch konkrete Gesundheitssorgen zur Einnahme von Zusatz-Nährstoffen motivieren: etwa eine Zusatzportion Vitamin C oder Zink als Erkältungs-Prophylaxe im Winter, Magnesium gegen Muskelkater oder bei starker körperlicher Beanspruchung, Kalzium und Vitamin D gegen Osteoporose, oder eine Extradosis von Omega-3-Fettsäuren für das Herz. Es wird also viel Hoffnung in Zusatz-Vitamine- und Mineralstoffgaben gelegt – aber braucht es die überhaupt?
„Überwiegende Zahl der Menschen ist ausreichend versorgt“
Ernährungswissenschaftler kommen hier seit Jahren zu einem eindeutigen Fazit: Wer sich gesund und ausgewogen ernährt, weist in aller Regel keinen Vitamin- oder Mineralstoff-Mangel auf – und kann deshalb auf Zusatzdosen per Tablette, Ampulle oder Brausepulver verzichten. „Die überwiegende Zahl der Menschen ist hierzulande mit Vitaminen ausreichend versorgt“, verkündete die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) bereits 2012. „Und Vitaminmangelkrankheiten kommen äußerst selten vor. Studien haben bisher auch nicht den Nachweis erbracht, dass die Folgen eines ungünstigen Ernährungsverhaltens durch Einnahme von Vitaminpräparaten oder anderen Nahrungsergänzungsmitteln ausgeglichen werden können.“
Hinzu kommt: Stärker als bei in reiner Form zugeführten Vitaminen und Mineralstoffen profitiert der Körper durch eine Aufnahme der Nutzstoffe in Obst und Gemüse, schreibt die Barmer in ihrem Ratgeber: „Vielmehr profitiert unser Körper von der Vielfalt der in Obst und Gemüse enthaltenen biologisch aktiven Substanzen, die über eine ausgewogene Ernährung aufgenommen werden“ – etwa sekundäre Pflanzenstoffe, Enzyme, Spurenelemente und mehr.
Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll für Risikogruppen – Gefahr der Überdosierung
Sind also Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll oder nicht? Tatsächlich nur im Ausnahmefall, und dann sollten sie gezielt eingenommen werden: So können Schwangere oder Stillende etwa von der zusätzlichen Einnahme von Folsäure profitieren, da diese für die Entwicklung des Embryos, bzw. des Neugeborenen, wichtig ist. Wer sich vegan ernährt, für den könnte Vitamin B12 sinnvoll sein, da dieses vor allem in Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten enthalten ist – und diese Quellen dementsprechend bei einer rein veganen Ernährung nicht zur Verfügung stehen.
Für Säuglinge könnte wiederum zusätzliches Vitamin D lohnenswert sein: Babys sollten wegen der Empfindlichkeit ihrer Haut möglichst wenig direkter, und nicht zu starker, Sonneneinstrahlung ausgesetzt sein; der Körper bildet Vitamin D aber hauptsächlich, zu 80 bis 90 Prozent, durch den Kontakt mit UV-Strahlung. In diesen Fällen können Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sein.
Aber Vorsicht: Wer übermäßig Zusatzpräparate zu sich nimmt, läuft sogar Gefahr, Schäden durch Überdosierung zu erleiden. Dies trifft vor allem auf die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K zu, die – anders als das wasserlösliche Vitamin C – nicht bei Überversorgung vom Körper von alleine ausgeschieden werden. Die AOK warnt hier unter anderem vor Übelkeit, Kopfschmerzen, Muskelschwäche, Nierensteinen bis hin zur irreversiblen Schädigung der Nieren, Verkalkungen und Herzrhythmusstörungen als Folge einer Vitamin-D-Überdosierung. Eine verminderte Knochenstabilität kann bei Vitamin A entstehen und Durchfall, Herzbrennen, Bauchschmerzen sowie Leberschädigungen bei Vitamin B3. Erhöhte Blutungsneigung kann zu viel Vitamin E hervorrufen.
Von einer Überdosierung sind vor allem diejenigen bedroht, die ihren Vitamin- und Mineralstoff-Bedarf dank einer guten Ernährung sowieso schon decken – und dann durch Zusatzpräparate übers Ziel hinausschießen. „In der Regel ist es gesünder, vollwertig zu essen und auf Nahrungsergänzungsmittel zu verzichten“, bilanziert die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) in ihrer Leserfragen-Kolumne.
Von Nährstoff-Infusionen ist dringend abzuraten
Eindeutig gefährlich wird es im Falle der Nährstoffmix-Infusionen in sogenannten Drip-Bars. Die versprechen, mit intravenös verabreichten Nährstoffmixen eine besonders gute und schnelle Wirkung der Substanzen beim Kunden erreichen zu können. Dabei tröpfeln die Infusionen bis zu 60 Minuten in den Blutkreislauf und gelangen somit ohne Umwege direkt in den Körper.
Doch neben dem bereits angesprochenen Risiko der Überdosierung, kommt in diesem Fall noch das Risiko durch die Injektion selbst – etwa einer Keimverschleppung in den Körper. „Für solche Infusionen gibt es keine medizinische nachvollziehbare Begründung. Ernährungsmedizinisch ist es Humbug – schlimmste Scharlatanerie wie im Mittelalter“, so die deutlichen Worte von Dr. Matthias Riedl vom Medicum Hamburg, einem Zentrum für Ernährungsmedizin. Auch der stolze Preis, der meist ab 100 Euro pro „Behandlung“ beginnt, sollte zusätzlich gegen die Nährstoffcocktails per Infusion sprechen. Dass diese Form der Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sein soll, kann eindeutig verneint werden.
Ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse ist nicht schwer
Für Menschen, die nicht zu Risikogruppen gehören, bleibt also eine ausgewogene und möglichst gesunde Ernährung das Mittel der Wahl. Fünf Portionen Obst und/oder Gemüse am Tag gelten als optimal, um auf den benötigten Vitamin- und Mineralstoff-Mix zu kommen. Dies lässt sich gut erreichen, in dem man etwa Obst (etwa einen Apfel oder eine Banane) routinemäßig zum Frühstück isst, oder bei den Hauptmahlzeiten – ob daheim, in der Kantine oder im Restaurant – auf eine Salat- oder Gemüse-Beilage achtet. Es empfiehlt sich, bereits beim Einkauf auf einen ausreichenden Obst- und Gemüsevorrat zu achten. Ein kreisförmiger Obstteiler, etwa für Äpfel oder Birnen verwendbar, leistet im Alltag aus eigener Erfahrung eine nicht zu unterschätzende Erleichterung und einen Komfortgewinn!
Ein weiterer Tipp für den Morgen ist der Ingwer-Shot, den man sehr gut selbst zubereiten kann – aus frischem (per Stabmixer oder Küchenmaschine pürierten) Ingwer, ausgepresster Zitrone, etwas flüssigem Honig und (nach Belieben) Kurkuma. Wer unbehandelten Ingwer und Kurkuma verwendet, kann dabei auf das Schälen der Wurzeln verzichten. Durch die ätherischen Öle und die antioxidativ-entzündungshemmende Eigenschaft des Ingwers, das Vitamin C der Zitrone sowie das Kurkuma, dem eine positive Wirkung gegen Verstopfungen und Entzündungen sowie auf die Blutfettwerte zugeschrieben werden, profitiert man gleich mehrfach.
Ingwer-Shots gibt es auch fertig zu kaufen; jedoch sind sie mit Kosten beginnend ab 6 bis hoch zu 80 Euro pro Liter recht teuer. Zudem ist, wie die Stiftung Warentest in ihrem Testbericht schreibt, auf die Zusammensetzung der Fertiggetränke zu achten – vor allem, wie viel Ingwer tatsächlich enthalten ist, und ob nicht ein Großteil des Getränks aus einfachem Fruchtsaft oder gar Wasser besteht.
FAQ
Welche Nahrungsergänzungsmittel sind sinnvoll?
Ob Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sind oder nicht hängt von verschiedenen Faktoren ab. Nahrungsergänzungsmittel sind in der Regel nur für bestimmte Risikogruppen sinnvoll, wie beispielsweise Schwangere oder Frauen mit Kinderwunsch, die von zusätzlicher Folsäure profitieren können. Auch Vegetarier oder Veganer sollten auf die Zufuhr von Vitamin B12 achten, da dieses in pflanzlichen Lebensmitteln kaum vorkommt. Für Säuglinge kann Vitamin D empfohlen werden, da ihre Haut nur begrenzt Sonnenlicht ausgesetzt sein sollte. Eine ausgewogene Ernährung bleibt jedoch die beste Grundlage für eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen.
Wann sollte man Nahrungsergänzungsmittel einnehmen?
Zusatzpräparate sollten nur eingenommen werden, wenn ein tatsächlicher Bedarf besteht. Nur dann sind Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll. Das ist etwa bei nachgewiesenem Vitamin- oder Mineralstoffmangel oder bei Risikogruppen wie Schwangeren oder Stillenden der Fall. Eine ausgewogene Ernährung ist für die meisten Menschen ausreichend, da Vitaminmangel in Deutschland selten ist. Vor der Einnahme ist es ratsam, einen Arzt oder Ernährungsberater zu konsultieren, um Risiken zu vermeiden.
Wie viel Nahrungsergänzungsmittel darf man nehmen?
Nahrungsergänzungsmitteln sinnvoll einzusetzen, hängt maßgeblich von der zugeführten Menge ab. Es sollte sich dabei stets an der empfohlenen Tagesdosis orientiert werden, da eine Überdosierung, insbesondere fettlöslicher Vitamine wie A, D, E und K, zu ernsthaften Gesundheitsproblemen führen kann. Symptome wie Übelkeit, Kopfschmerzen oder sogar Nierenschäden können auftreten, wenn die Präparate unkontrolliert konsumiert werden. Daher ist eine ärztliche Beratung wichtig, um die individuell passende Dosierung festzulegen. Grundsätzlich gilt: Nahrungsergänzungsmittel sind kein Ersatz für eine gesunde Ernährung.