Seltene Erkrankungen
Seltene Erkran­kun­gen: Für Betrof­fene gibt es häufig kaum Hilfe. Bild: © Kupre­vich | Dreamstime.com

Seltene Erkran­kun­gen: Oft nicht behan­del­bar

Nach Schät­zun­gen der Europäi­schen Union gibt es weltweit 6.000 bis 8.000 seltene Erkran­kun­gen. Das Bundes­mi­nis­te­rium für Gesund­heit geht davon aus, dass jährlich circa 250 neue hinzu­kom­men. Alleine in Deutsch­land leben demnach etwa vier Millio­nen Menschen mit einer selte­nen Erkran­kung.

Als selten gilt eine Erkran­kung dann, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen von ihr betrof­fen sind. Oft sind sie genetisch bedingt, chronisch und schwer­wie­gend, wobei viele bereits im Kindes­al­ter auftre­ten.

Aufgrund ihrer Selten­heit gibt es häufig wenige Forschung, einge­schränkte Thera­pie­mög­lich­kei­ten und Heraus­for­de­run­gen bei der Diagnose – was die Leiden der Betrof­fe­nen zuneh­mend verschärft. Sie werden deshalb auch als „Waisen der Medizin“ bezeich­net.

Um ihnen ein Zuhause zu geben, wurde 2008 der „Tag der selte­nen Erkran­kun­gen“ ins Leben gerufen. Er findet jedes Jahr am letzten Tag im Februar statt und soll seltene Erkran­kun­gen in der Öffent­lich­keit sicht­bar machen – denn von den meisten Erkran­kun­gen haben die wenigs­ten schon mal etwas gehört:

Recher­che­hin­weis:

Seltene Erkran­kun­gen, die hier präsen­tiert werden, basie­ren auf Infor­ma­tio­nen der Daten­bank Orpha­net. In ihr werden über 6.000 Erkran­kun­gen einschließ­lich Sympto­ma­tik, geneti­scher Ursachen und Häufig­keit aufge­führt. Viele dieser Krank­hei­ten sind so selten, dass sie nur bei einer Handvoll Menschen diagnos­ti­ziert wurden. Die genaue Präva­lenz ist deshalb oft nicht bekannt. Entspre­chend sind die folgen­den Erkran­kun­gen nicht die seltens­ten per se, sondern gehören nur zu ihnen. Sehr selten ist eine Krank­heit, wenn weniger als 20 von 1 Millio­nen Menschen von ihr betrof­fen sind.

Fibro­dys­pla­sia Ossifi­cans Progessiva (FOP)

FOP, auch Stone-Man-Syndrom genannt, ist eine schwer­wie­gende vererb­bare Binde­ge­webs­er­kran­kung, bei der sich Muskeln, Sehnen und Bänder allmäh­lich in Knochen verwan­deln. Das führt zu schwe­rer Bewegungs­ein­schrän­kung und letzt­lich zur völli­gen Verstei­fung des Körpers.

Die mittlere Lebens­er­war­tung von Menschen, die an FOP erkrankt sind, ist 40 Jahre. Die meisten Patien­ten sind im Laufe ihres Lebens irgend­wann an einen Rollstuhl gebun­den. Häufigste Todes­ur­sa­che sind bei diesen Patien­ten Atemfunk­ti­ons­stö­run­gen, weil sich allmäh­lich der Brust­korb verhär­tet.

Hutchin­son-Gilford-Proge­rie-Syndrom (HGPS)

Das Hutchin­son-Gilford-Syndrom ist eine extrem seltene geneti­sche Erkran­kung, die eine rapide Alterung bei Kindern verur­sacht. Betrof­fene entwi­ckeln frühzei­tig alters­be­dingte Symptome wie Knochen­schwund und Herz-Kreis­lauf-Probleme.

Sie äußert sich durch Wachs­tums­ver­min­de­rung und ein typisches Gesichts­aus­se­hen. Die Betrof­fe­nen haben eine hervor­tre­tende Stirn, hervor­tre­tende Augen, eine dünne Nase und abste­hende Ohren. Die Haut der Betrof­fe­nen sieht dünn und gealtert aus.

Der Tod tritt meist durch eine Herzer­kran­kung oder durch einen Schlag­an­fall zwischen dem sechs­ten und zwanzigs­ten Lebens­jahr ohne Behand­lung ein. Mit einer entspre­chen­den Thera­pie verlän­gert sich die Lebens­er­war­tung auf durch­schnitt­lich etwa 17–19,5 Jahre.

RPI-Defizi­enz (Ribose-5-Phosphat-Isome­rase-Mangel)

Der Ribose-5-Phosphat-Isome­rase-Mangel ist eine angebo­rene Stoff­wech­sel­stö­rung, die das Gehirn betrifft. Sie entsteht, weil ein bestimm­tes Enzym nicht richtig funktio­niert und dadurch wichtige Bausteine für die Zellen nicht richtig herge­stellt werden können.

Infol­ge­des­sen sammeln sich ungewöhn­li­che Stoffe im Körper an, die dem Gehirn schaden können. Menschen mit dieser Krank­heit können unter anderem an psycho­mo­to­ri­schen Verzö­ge­run­gen, Epilep­sie und einer langsa­men neuro­lo­gi­schen Regres­sion im Kindes­al­ter leiden, was zu einer schwe­ren Intel­li­genz­min­de­rung führen kann. Außer­dem können Betrof­fene an einer ausge­präg­ten Ataxie und einer Erkran­kung des Nerven­sys­tems leiden, die die Motorik beein­flusst.

Kuru

Kuru ist eine fortschrei­tende, unbehan­del­bare und tödli­che degene­ra­tive Erkran­kung des Gehirns, die vor allem unter den indige­nen Stämmen aus Papua-Neugi­nea vorkam und durch rituel­len Kanni­ba­lis­mus übertra­gen wurde. Hierbei haben die Mitglie­der der Stämme ihre Toten nicht begra­ben, sondern verzehrt. Wenn das verzehrte Gewebe bestimmte fehlge­bil­dete Prote­ine – sogenannte Prionen – enthielt, gelang­ten diese in den gesun­den Organis­mus und sorgten dort dafür, dass andere normale Prote­ine dersel­ben Art ebenfalls in die fehler­hafte Form überführt wurden. Im Gehirn führt dieser Prozess dazu, dass Nerven­zel­len zerstört werden und schwamm­ar­tige Löcher entste­hen.

Die Krank­heit kann jahrzehn­te­lang asympto­ma­tisch verlau­fen und sich dann in unspe­zi­fi­schen Kopf- und Gelenk­schmer­zen äußern. Das auffäl­ligste neuro­lo­gi­sche Merkmal ist die Ataxie zusätz­lich zu emotio­na­len Verän­de­run­gen, einschließ­lich unange­mes­se­ner Eupho­rie und zwang­haf­tem Lachen oder Depres­sion sowie Besorg­nis. Der letzte Patient starb 2005 mit einer Inkuba­ti­ons­zeit von über vier Jahrzehn­ten.

Crisponi-Syndrom

Das Crisponi-Syndrom ist eine schwere Erkran­kung, die von Geburt an auftritt. Babys mit CS leiden unter unkon­trol­lier­ten Muskel­krämpfe und plötz­li­chen Fieber­schü­ben. Die unkon­trol­lier­ten Muskel­kon­trak­tio­nen machen das Atmen und die Nahrungs­auf­nahme schwer.

Außer­dem haben die Klein­kin­der auffäl­lige Gesichts­merk­male und gekrümmte, versteifte Finger, die sie nicht richtig bewegen können. Das Gesicht der Betrof­fe­nen ist sehr groß, sie haben dicke Wangen, eine breite Nase mit nach vorne gerich­te­ten Nasen­lö­chern.

Seit Entde­ckung der Krank­heit im Jahr 1996 hat es weniger als 30 Fälle gegeben, die allesamt in 13 italie­ni­schen Familien aufge­tre­ten sind. Die Krank­heit führt in den ersten Lebens­mo­na­ten zum Tod.