Die ersten Beitrags­be­scheide der Pflege­kam­mer Nieder­sach­sen, die Anfang Dezem­ber an die Kammer­mit­glie­der rausgin­gen, sorgten offen­bar für viel Furore. Der darin aufge­führte Höchst­be­trag von 140 Euro für das (halbe) Jahr 2018, der auf Grund­lage eines beispiel­haf­ten Jahres­ein­kom­mens von 70.000 errech­net wurde, sorgte bei vielen Empfän­gern des Bescheids für Empörung: kaum eine Pflege­kraft beziehe ein Gehalt in der Höhe, so der kriti­sche Konsens. Auch der Zeitpunkt, zu dem die Bescheide versandt wurden – kurz vor Weihnach­ten – stand unter keinem guten Stern. Hierfür und dafür, dass die Art der Beitrags­er­he­bung offen­bar als ungerecht empfun­den wurde, entschul­digte sich die Kammer­prä­si­den­tin, Sandra Mehme­cke, in einer Stellung­nahme: „Zum einen möchte ich mich in aller Form für den Zeitpunkt der Zustel­lung der Beitrags­be­scheide entschul­di­gen. Es war nicht die Absicht der Kammer­ver­samm­lung, die ersten Beitrags­be­scheide kurz vor Weihnach­ten zu versen­den. Geplant war der Versand bereits Anfang Novem­ber, was sich aufgrund verga­be­recht­li­cher Schwie­rig­kei­ten leider verzö­gert hat“, so Mehme­cke. Sie versi­cherte zudem, dass die Art der Beitrags­er­he­bung durch die Kammer­ver­samm­lung kritisch überprüft werde.

Wer weniger verdient, soll auch weniger zahlen

In einer weite­ren voraus­ge­gan­ge­nen Mittei­lung hatte die Kammer­prä­si­den­tin zudem erklärt, dass es der Kammer durch­aus bewusst sei, dass „Pflege­ge­häl­ter leider im Durch­schnitt deutlich unter 70.000 Euro pro Jahr liegen“. Als Finan­zie­rungs­mo­dell hat sich die Kammer Nieder­sach­sen für einen prozen­tua­len Beitrags­satz entschie­den, sodass jedes Mitglied einen Anteil von 0,4 % seines Gehal­tes als Kammer­jah­res­bei­trag zahlen muss. „Wer weniger verdient, soll natür­lich auch weniger zahlen“, heißt es dazu in der Mittei­lung. Per Selbst­ein­stu­fung könne jedes Kammer­mit­glied sein Jahres­brut­to­ein­kom­men angeben, dann werde der jewei­lige Beitrags­satz entspre­chend dem Einkom­men neu berech­net. Bei einem Jahres­ein­kom­men von beispiels­weise 30.000 Euro habe man also abzüg­lich der Werbungs­kos­ten einen Jahres­bei­trag von 116 Euro an die Kammer zu zahlen (bezie­hungs­weise antei­lig 58 Euro für das Jahr 2018).

Stein ins Rollen gebracht

„Pflege bewegt auch ohne Pflege­kam­mer“ lautet der Leitspruch der Online-Petition, die als Reaktion auf die Beitrags­be­scheide gestar­tet wurde und mit der man die „Auflö­sung der Pflege­kam­mer Nieder­sach­sen und die Beendi­gung der Zwangs­mit­glied­schaft von Pflege­kräf­ten“ erzie­len möchte. Nach gerade einmal zwei Wochen hatte die Petition bereits 39.083 Online-Unter­schrif­ten zu verzeich­nen und hatte ihr Sammelziel von 40.000 Unter­schrif­ten nahezu erreicht. Inzwi­schen (Stand 10.1.2019) ist die Zielmarke mit mehr als 42.000 Unter­zeich­nen­den schon deutlich übertrof­fen.

Carola Reimann im Gespräch mit Pflege­kam­mer

Seitens des Nieder­säch­si­schen Sozial- und Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums wurde das Verfah­ren zur Beitrags­er­he­bung ebenfalls kriti­siert. Das Versen­den kurz vor Weihnach­ten sei sehr unglück­lich gewesen. Vielmehr wäre es ratsam gewesen, als neue Insti­tu­tion für die Inter­es­sen­ver­tre­tung der Pflegen­den zunächst einmal Vertrauen aufzu­bauen, heißt es in der Mittei­lung des Minis­te­ri­ums. „Wir können angesichts eines solchen Anschrei­bens kurz vor Weihnach­ten die Aufre­gung vieler Pflege­kräfte verste­hen“, so Staats­se­kre­tär Heiger Scholz; auch wenn das Verfah­ren recht­lich nicht zu beanstan­den sei. Landes­so­zi­al­mi­nis­te­rin Carola Reimann werde nun im Januar mit der Kammer Gesprä­che führen und für eine Überar­bei­tung der Beitrags­ord­nung plädie­ren.

Der Kritik schloss sich auch der Bundes­ver­band priva­ter Anbie­ter sozia­ler Dienste (bpa) als bekann­ter Kammer­geg­ner an. Ricarda Hasch, Landes­vor­sit­zende des bpa Nieder­sach­sen, prophe­zeite, dass der Pflege­be­ruf ohne Änderung des derzei­ti­gen Pflege­kam­mer­kon­zep­tes noch unattrak­ti­ver und die Perso­nal­not noch größer würde.

Als „mehr als nur unsen­si­bel“ bewer­tete auch die sozial­po­li­ti­sche Spreche­r­ein der FDP-Fraktion Nieder­sach­sen, Sylvia Bruns, den Bescheid­ver­sand kurz vor Weihnach­ten. Sie befürchte, dass womög­lich einige Pflege­kräfte den Höchst­be­trag aus Sorge vor Sanktio­nen oder wegen mangeln­der Sprach­kennt­niss bezahlt haben, obwohl sie eigent­lich einen gerin­ge­ren Beitrags­satz abgeben müssten. In diesem Fall müsse die Kammer für eine Rückerstat­tung der Gelder sorgen.

Forde­rung nach fairem Umgang mit Pflege­kam­mer Nieder­sach­sen

Der Deutsche Berufs­ver­band für Pflege­be­rufe (DBfK) Nordwest stand der Pflege­kam­mer positiv bei und forderte einen fairen Umgang mit den ehren­amt­lich engagier­ten Mitglie­dern der Kammer­ver­samm­lung. „Was die Kammer und ihre Mitglie­der jetzt brauchen, ist vor allem Unter­stüt­zung und eine Willens­be­kun­dung aller Akteure, damit der Pflege­be­ruf seine Entwick­lungs­po­ten­ziale in Nieder­sach­sen entfal­tet. Sowohl Kammer­geg­ner als auch Kammer­be­für­wor­ter stehen in der Verant­wor­tung, die notwen­di­gen Infor­ma­tio­nen zum Kammer­bei­trag sachlich richtig darzu­stel­len“, so der Vorsit­zende des DBfK Nordwest, Martin Dichter.

Unmut gegen­über dem unsach­ge­mä­ßen Umgang mit dem Thema äußerte zuletzt auch Sandra Mehme­cke selbst in ihrer Stellung­nahme. Berech­tigte Kritik nehme sie zwar gerne an, doch mitun­ter rügte sie die unsach­li­che Kritik in Form von persön­li­chen Belei­di­gun­gen und Verun­glimp­fun­gen, wie sie sich in den sozia­len Medien ausbrei­tete.

Quelle: Pflege­kam­mer Nieder­sach­sen, Sozial- und Gesund­heits­mi­nis­te­rium NDS, bpa, DBfK, FDP NDS