Schweigepflicht
Was dürfen Pflege­fach­kräfte wem über ihre Patien­ten erzäh­len? Bild: © Aaron Amat | Dreamstime.com

Schwei­ge­pflicht: Wer Geheim­nisse offen­bart, macht sich straf­bar

Auf Pflege­sta­tio­nen, oder in Teams von ambulan­ten Pflege­diens­ten, bleibt es nicht aus: Ein wenig Austausch und das Reden über Patien­ten gehört dazu. Neben rein fachlich-medizi­ni­schen Inhal­ten, die für die Betreu­ung wichtig sind und sogar notwen­dig sein können, kann dabei auch das Gespräch auf private Facet­ten und Eigen­ar­ten der in der Einrich­tung Unter­ge­brach­ten oder daheim Betreu­ten kommen. Und nach Feier­abend nimmt man das Erlebte schließ­lich „mit nach Hause“ – wer will es einem verden­ken, dass man dem Partner, oder Famili­en­mit­glie­dern, ein wenig vom Arbeits­tag erzählt?

Doch Vorsicht: Grund­sätz­lich gehören Pflege­kräfte einschließ­lich Hilfs­kräf­ten, genauso wie Ärzte, Psycho­lo­gen oder Apothe­ker, zu den medizi­nisch-heilbe­ruf­li­chen Trägern der Schwei­ge­pflicht. Dies ergibt sich aus § 203 Absatz 1 Nummer 1 im Straf­ge­setz­buch (StGB). Demnach „wird mit Freiheits­strafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft“, wer „unbefugt ein fremdes Geheim­nis, nament­lich ein zum persön­li­chen Lebens­be­reich gehören­des Geheim­nis […]“ offen­bart. Auf diese Regelung wird in der Rahmen-Berufs­ord­nung für profes­sio­nell Pflegende des Deutschen Pflege­rats ausdrück­lich Bezug genom­men. Darüber hinaus können auch Arbeits­ver­träge und inner­be­trieb­li­che Richt­li­nien Bestim­mun­gen enthal­ten, welche die Schwei­ge­pflicht in der Einrich­tung wahren sollen.

Diese Regelung umfasst sowohl ein indivi­du­el­les, als auch ein allge­mei­nes Inter­esse: zum einen das persön­li­che Inter­esse des Patien­ten oder Bewoh­ners, dass Vertrau­li­ches über ihn geheim bleibt – jedoch auch die gesell­schaft­li­che Sicher­heit, dass allge­mein in Behand­lungs- und Betreu­ungs­ver­hält­nis­sen der Schutz von persön­li­chen Geheim­nis­sen und das Vertrau­en­ver­hält­nis gewahrt bleibt, egal wann und wo man eine Behand­lung- oder Betreu­ungs­leis­tung in Anspruch nimmt.

Wie Geheim­nisse definiert sind

Doch wie ist, im recht­li­chen Sinne, das im Gesetz genannte „Geheim­nis“ überhaupt zu verste­hen? Etwas umfäng­lich definiert es Deborah Dillmann von der Allgäuer Zeitung in ihrem Beitrag zum Thema als „sensi­ble Infor­ma­tio­nen, von denen die oder der Pflege­be­dürf­tige bzw. die Patien­tin oder der Patient nicht möchte, dass sie weiter­ge­tra­gen werden“; auch „Tatsa­chen, die ausschließ­lich einem bestimm­ten Perso­nen­kreis vorbe­hal­ten sind und an denen Betrof­fene ein schüt­zens­wür­di­ges Inter­esse haben“, gehören dazu. Isabelle Konne­gen von „Medi-Karriere.de“ zählt darun­ter „alle Tatsa­chen, die nicht allge­mein bekannt sind und einem begrenz­ten Perso­nen­kreis bekannt werden sollen oder bekannt sind“ – im Kontext der Pflege könnten dies Dinge rund um Gesund­heits­zu­stand, Diagnose, Behand­lung oder andere persön­li­che Angele­gen­hei­ten des Patien­ten sein.

Im prakti­schen Alltag finden sich genug Beispiele hierfür: etwa Abhän­gig­kei­ten bzw. Sucht­er­kran­kun­gen des Patien­ten oder Betreu­ten, das Wissen über angespannte familiäre Verhält­nisse oder eine geschei­terte Partner­schaft, Diagno­sen, Krank­hei­ten oder chroni­sche Infek­tio­nen, die wirtschaft­li­che Lage der Person, ihre sexuel­len Vorlie­ben oder weltan­schau­li­chen, politi­schen Positio­nen. Dies gilt unabhän­gig davon, ober der Patient oder Betreute die Infor­ma­tio­nen von sich aus (etwa im Gespräch) preis­ge­ge­ben hat, oder man beiläu­fig davon erfährt, etwa als zufäl­li­ger Zeuge einer Unter­hal­tung oder eines Telefon­ge­sprächs.

Schwei­ge­pflicht gegen­über Einrich­tungs-Kolle­gen

Bei Gesprä­chen unter direk­ten Kolle­gin­nen und Kolle­gen, etwa bei der Übergabe, sollte dies ebenfalls beach­tet werden: Alles, was über die medizi­nisch notwen­di­gen Infor­ma­tio­nen und Befunde hinaus­geht, sowie allen­falls private, offen­sicht­li­che Neben­be­ob­ach­tun­gen („was hat Patient X heute denn mal wieder für eine Laune …?“), sollte tabu sein. Inhalte und Infor­ma­tio­nen, die der Patient per ausdrück­li­cher Einwil­li­gung für seine Behand­lung offen­bart hat, sind dagegen – stati­ons­in­tern – kein Problem.

Anders sieht es bei Kolle­gin­nen und Kolle­gen aus, die auf einer anderen Station einge­setzt sind, also mit der Behand­lung oder Betreu­ung der betref­fen­den Person gar nichts zu tun haben. Hier gilt die Schwei­ge­pflicht wie gegen­über Betriebs­frem­den. Dass der Empfän­ger der Infor­ma­tion als Angehö­ri­ger eines Medizin- und Heilbe­rufs selbst der Schwei­ge­pflicht unter­liegt, ist hierbei irrele­vant.

Prof. Dr. Robert Roßbruch schreibt in seinem Fachauf­satz für die Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlan­des (HTW Saar) [PDF] dazu: „Man könnte nun anneh­men, dass in einem solchen Fall schon deshalb kein Verstoß gegen die Schwei­ge­pflicht vorliegt, weil der Mittei­lungs­emp­fän­ger ebenfalls der Schwei­ge­pflicht unter­liegt. Eine solche Annahme ist jedoch unzutref­fend, da keines der Merkmale des objek­ti­ven Tatbe­stan­des des § 203 Absatz 1 Nummer 1 StGB dadurch ausge­schlos­sen wird, dass der Empfän­ger der Mittei­lung seiner­seits schwei­ge­pflich­tig ist.“

Was dürfen Pflege­per­so­nen zu Hause erzäh­len?

Wie ist es nun bei Erzäh­lun­gen von der Arbeit im priva­ten Umfeld, also etwa daheim? Zu erwar­ten, dass die Pflege­kraft gegen­über ihren Famili­en­mit­glie­dern komplett über ihre beruf­li­chen Erleb­nisse schweigt, dürfte als lebens­fremd angese­hen werden. Aller­dings gilt der Grund­satz, dass aus den Erzäh­lun­gen oder Berich­ten keines­falls hervor­ge­hen darf, um welche Person es sich handelt. „Es dürfen also weder der Name des Klien­ten genannt werden noch sein Wohnort und andere Umstände, aus denen auf seine Identi­tät geschlos­sen werden kann“, schreibt das Alten­pflege-Fachma­ga­zin PQSG in seiner Empfeh­lung für einen Einrich­tungs-Standard zur Schwei­ge­pflicht.

Auch wenn im priva­ten Umfeld zu aller­meist das Prinzip „Wo kein Kläger, da kein Richter“ vorlie­gen dürfte, sollten sich Pflegende schon allein aus berufs­ethi­schen Gründen mit allzu detail­lier­ten Schil­de­run­gen aus ihrem Arbeits­all­tag zurück­hal­ten – schließ­lich wollte man selbst als Patient oder Bewoh­ner ebenfalls nicht, dass pikante Details über die eigene Person die Runde machen, oder irgend­je­mand anders außer der ins Vertrauen gezoge­nen Person davon erfährt.

Beson­dere Vorsicht ist geboten bei Auskünf­ten am Telefon – etwa wenn Partner, Freunde oder Bekannte des Patien­ten oder Pflege­be­dürf­ti­gen anrufen: Obwohl es im Alltag mitun­ter gang und gäbe ist, über den Zustand des Patien­ten oder Bewoh­ners zu berich­ten, gilt die Schwei­ge­pflicht natür­lich ebenfalls hinsicht­lich Telefon­aus­künf­ten – das gilt auch, wenn Famili­en­mit­glie­der oder der Ehepart­ner anrufen.

Natür­lich kann aber der Pflege­be­dürf­tige oder Patient das Pflege­team für telefo­ni­sche Auskünfte von der Schwei­ge­pflicht entbin­den. Idealer­weise klärt man dies mit dem oder der Betrof­fe­nen vor der Aufnahme, am besten schrift­lich. Erfolgt die Entbin­dung mündlich, sollte ein Zeuge anwesend sein, rät Pro Pflege­Ma­nage­ment. Außer­dem müssen sich Pflege­kräfte zu 100 Prozent sicher sein, dass es sich beim Anrufer um die Person handelt, als die sie sich ausgibt und für welche die Schwei­ge­pflicht-Entbin­dung gilt. Im Zweifels­fall: den Anrufen­den bitten, in die Einrich­tung zu kommen.

Schma­ler Grat bei Berich­ten über Straf­ta­ten

Zu guter Letzt kann es sein, dass man im Patien­ten- oder Bewoh­ner­ge­spräch einen Verdacht über Straf­ta­ten der Person erhält. Vorsicht: Selbst hier gilt im Grund­prin­zip die Schwei­ge­pflicht weiter! Sind die Straf­ta­ten bereits gesche­hen, gilt dies – im hypothe­ti­schen Fall – selbst für Mord. „Gesteht der Patient der Pflege­per­son, dass er vor kurzem seine Ehefrau getötet hat, so unter­liegt diese Infor­ma­tion der Geheim­hal­tungs­pflicht. Gibt die Pflege­per­son ihr erlang­tes Wissen über diese Straf­tat aus morali­schen oder anderen Gründen an die zustän­dige Polizei­dienst­stelle oder Staats­an­walt­schaft weiter, so macht sie sich gemäß § 203
StGB straf­bar“, schreibt Roßbruch im genann­ten Aufsatz [PDF, S. 4].

Anders sieht es aus, steht die Straf­tat seitens des Patien­ten oder Bewoh­ners noch bevor. Bei geplan­ten, beson­ders schwe­ren Straf­ta­ten wie Mord, Totschlag, Raub und räube­ri­sche Erpres­sung oder einem gemein­ge­fähr­li­chen Delikt, kann laut § 138 StGB sogar eine Offen­ba­rungs­pflicht bestehen. Ein Offen­ba­rungs­recht bei weite­ren bevor­ste­hen­den Straf­ta­ten kann allen­falls durch den recht­fer­ti­gen­den Notstand nach § 34 StGB gegeben sein. „Ein solcher Notstand kann insbe­son­dere gegeben sein, wenn eine gegen­wär­tige Gefahr für die Gesund­heit oder das Leben anderer Menschen besteht und durch ein Offen­ba­ren von schwei­ge­pflich­ti­gen Infor­ma­tio­nen die Gefahr abgewen­det werden kann“, schreibt die Kassen­ärzt­li­che Bundes­ver­ei­ni­gung (KBV) in ihrem Ratge­ber [PDF, S. 5].