Schweigepflicht: Wer Geheimnisse offenbart, macht sich strafbar
Auf Pflegestationen, oder in Teams von ambulanten Pflegediensten, bleibt es nicht aus: Ein wenig Austausch und das Reden über Patienten gehört dazu. Neben rein fachlich-medizinischen Inhalten, die für die Betreuung wichtig sind und sogar notwendig sein können, kann dabei auch das Gespräch auf private Facetten und Eigenarten der in der Einrichtung Untergebrachten oder daheim Betreuten kommen. Und nach Feierabend nimmt man das Erlebte schließlich „mit nach Hause“ – wer will es einem verdenken, dass man dem Partner, oder Familienmitgliedern, ein wenig vom Arbeitstag erzählt?
Doch Vorsicht: Grundsätzlich gehören Pflegekräfte einschließlich Hilfskräften, genauso wie Ärzte, Psychologen oder Apotheker, zu den medizinisch-heilberuflichen Trägern der Schweigepflicht. Dies ergibt sich aus § 203 Absatz 1 Nummer 1 im Strafgesetzbuch (StGB). Demnach „wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft“, wer „unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis […]“ offenbart. Auf diese Regelung wird in der Rahmen-Berufsordnung für professionell Pflegende des Deutschen Pflegerats ausdrücklich Bezug genommen. Darüber hinaus können auch Arbeitsverträge und innerbetriebliche Richtlinien Bestimmungen enthalten, welche die Schweigepflicht in der Einrichtung wahren sollen.
Diese Regelung umfasst sowohl ein individuelles, als auch ein allgemeines Interesse: zum einen das persönliche Interesse des Patienten oder Bewohners, dass Vertrauliches über ihn geheim bleibt – jedoch auch die gesellschaftliche Sicherheit, dass allgemein in Behandlungs- und Betreuungsverhältnissen der Schutz von persönlichen Geheimnissen und das Vertrauenverhältnis gewahrt bleibt, egal wann und wo man eine Behandlung- oder Betreuungsleistung in Anspruch nimmt.
Wie Geheimnisse definiert sind
Doch wie ist, im rechtlichen Sinne, das im Gesetz genannte „Geheimnis“ überhaupt zu verstehen? Etwas umfänglich definiert es Deborah Dillmann von der Allgäuer Zeitung in ihrem Beitrag zum Thema als „sensible Informationen, von denen die oder der Pflegebedürftige bzw. die Patientin oder der Patient nicht möchte, dass sie weitergetragen werden“; auch „Tatsachen, die ausschließlich einem bestimmten Personenkreis vorbehalten sind und an denen Betroffene ein schützenswürdiges Interesse haben“, gehören dazu. Isabelle Konnegen von „Medi-Karriere.de“ zählt darunter „alle Tatsachen, die nicht allgemein bekannt sind und einem begrenzten Personenkreis bekannt werden sollen oder bekannt sind“ – im Kontext der Pflege könnten dies Dinge rund um Gesundheitszustand, Diagnose, Behandlung oder andere persönliche Angelegenheiten des Patienten sein.
Im praktischen Alltag finden sich genug Beispiele hierfür: etwa Abhängigkeiten bzw. Suchterkrankungen des Patienten oder Betreuten, das Wissen über angespannte familiäre Verhältnisse oder eine gescheiterte Partnerschaft, Diagnosen, Krankheiten oder chronische Infektionen, die wirtschaftliche Lage der Person, ihre sexuellen Vorlieben oder weltanschaulichen, politischen Positionen. Dies gilt unabhängig davon, ober der Patient oder Betreute die Informationen von sich aus (etwa im Gespräch) preisgegeben hat, oder man beiläufig davon erfährt, etwa als zufälliger Zeuge einer Unterhaltung oder eines Telefongesprächs.
Schweigepflicht gegenüber Einrichtungs-Kollegen
Bei Gesprächen unter direkten Kolleginnen und Kollegen, etwa bei der Übergabe, sollte dies ebenfalls beachtet werden: Alles, was über die medizinisch notwendigen Informationen und Befunde hinausgeht, sowie allenfalls private, offensichtliche Nebenbeobachtungen („was hat Patient X heute denn mal wieder für eine Laune …?“), sollte tabu sein. Inhalte und Informationen, die der Patient per ausdrücklicher Einwilligung für seine Behandlung offenbart hat, sind dagegen – stationsintern – kein Problem.
Anders sieht es bei Kolleginnen und Kollegen aus, die auf einer anderen Station eingesetzt sind, also mit der Behandlung oder Betreuung der betreffenden Person gar nichts zu tun haben. Hier gilt die Schweigepflicht wie gegenüber Betriebsfremden. Dass der Empfänger der Information als Angehöriger eines Medizin- und Heilberufs selbst der Schweigepflicht unterliegt, ist hierbei irrelevant.
Prof. Dr. Robert Roßbruch schreibt in seinem Fachaufsatz für die Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW Saar) [PDF] dazu: „Man könnte nun annehmen, dass in einem solchen Fall schon deshalb kein Verstoß gegen die Schweigepflicht vorliegt, weil der Mitteilungsempfänger ebenfalls der Schweigepflicht unterliegt. Eine solche Annahme ist jedoch unzutreffend, da keines der Merkmale des objektiven Tatbestandes des § 203 Absatz 1 Nummer 1 StGB dadurch ausgeschlossen wird, dass der Empfänger der Mitteilung seinerseits schweigepflichtig ist.“
Was dürfen Pflegepersonen zu Hause erzählen?
Wie ist es nun bei Erzählungen von der Arbeit im privaten Umfeld, also etwa daheim? Zu erwarten, dass die Pflegekraft gegenüber ihren Familienmitgliedern komplett über ihre beruflichen Erlebnisse schweigt, dürfte als lebensfremd angesehen werden. Allerdings gilt der Grundsatz, dass aus den Erzählungen oder Berichten keinesfalls hervorgehen darf, um welche Person es sich handelt. „Es dürfen also weder der Name des Klienten genannt werden noch sein Wohnort und andere Umstände, aus denen auf seine Identität geschlossen werden kann“, schreibt das Altenpflege-Fachmagazin PQSG in seiner Empfehlung für einen Einrichtungs-Standard zur Schweigepflicht.
Auch wenn im privaten Umfeld zu allermeist das Prinzip „Wo kein Kläger, da kein Richter“ vorliegen dürfte, sollten sich Pflegende schon allein aus berufsethischen Gründen mit allzu detaillierten Schilderungen aus ihrem Arbeitsalltag zurückhalten – schließlich wollte man selbst als Patient oder Bewohner ebenfalls nicht, dass pikante Details über die eigene Person die Runde machen, oder irgendjemand anders außer der ins Vertrauen gezogenen Person davon erfährt.
Besondere Vorsicht ist geboten bei Auskünften am Telefon – etwa wenn Partner, Freunde oder Bekannte des Patienten oder Pflegebedürftigen anrufen: Obwohl es im Alltag mitunter gang und gäbe ist, über den Zustand des Patienten oder Bewohners zu berichten, gilt die Schweigepflicht natürlich ebenfalls hinsichtlich Telefonauskünften – das gilt auch, wenn Familienmitglieder oder der Ehepartner anrufen.
Natürlich kann aber der Pflegebedürftige oder Patient das Pflegeteam für telefonische Auskünfte von der Schweigepflicht entbinden. Idealerweise klärt man dies mit dem oder der Betroffenen vor der Aufnahme, am besten schriftlich. Erfolgt die Entbindung mündlich, sollte ein Zeuge anwesend sein, rät Pro PflegeManagement. Außerdem müssen sich Pflegekräfte zu 100 Prozent sicher sein, dass es sich beim Anrufer um die Person handelt, als die sie sich ausgibt und für welche die Schweigepflicht-Entbindung gilt. Im Zweifelsfall: den Anrufenden bitten, in die Einrichtung zu kommen.
Schmaler Grat bei Berichten über Straftaten
Zu guter Letzt kann es sein, dass man im Patienten- oder Bewohnergespräch einen Verdacht über Straftaten der Person erhält. Vorsicht: Selbst hier gilt im Grundprinzip die Schweigepflicht weiter! Sind die Straftaten bereits geschehen, gilt dies – im hypothetischen Fall – selbst für Mord. „Gesteht der Patient der Pflegeperson, dass er vor kurzem seine Ehefrau getötet hat, so unterliegt diese Information der Geheimhaltungspflicht. Gibt die Pflegeperson ihr erlangtes Wissen über diese Straftat aus moralischen oder anderen Gründen an die zuständige Polizeidienststelle oder Staatsanwaltschaft weiter, so macht sie sich gemäß § 203
StGB strafbar“, schreibt Roßbruch im genannten Aufsatz [PDF, S. 4].
Anders sieht es aus, steht die Straftat seitens des Patienten oder Bewohners noch bevor. Bei geplanten, besonders schweren Straftaten wie Mord, Totschlag, Raub und räuberische Erpressung oder einem gemeingefährlichen Delikt, kann laut § 138 StGB sogar eine Offenbarungspflicht bestehen. Ein Offenbarungsrecht bei weiteren bevorstehenden Straftaten kann allenfalls durch den rechtfertigenden Notstand nach § 34 StGB gegeben sein. „Ein solcher Notstand kann insbesondere gegeben sein, wenn eine gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit oder das Leben anderer Menschen besteht und durch ein Offenbaren von schweigepflichtigen Informationen die Gefahr abgewendet werden kann“, schreibt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in ihrem Ratgeber [PDF, S. 5].