War die Sedierung ausreichend oder nicht? Im Jahre 2018 wurde bei einem damals 13-jährigen Jungen eine Magen- und Darmspiegelung (Ösophago-Gastro-Duodenoskopie – ÖGD) vorgenommen. Jahre später forderte der inzwischen Volljährige – zunächst vor dem Landgericht Görlitz, später vor dem Oberlandesgericht Dresden – von der behandelnden Klinik Schadensersatz in Höhe von 30.000 Euro. Doch was war passiert?
Kein Schmerzmittel trotz Vereinbarung
Der Kläger behauptet: Vor dem Eingriff habe seine Mutter mit den Ärzten eine Vereinbarung darüber getroffen, ihren Sohn während der Behandlung ausreichend mit Schmerzmitteln zu versorgen. Diese Abmachung hätten die Ärzte nicht eingehalten. Außerdem sei die Sedierung während des Eingriffs zu spät und unzureichend erfolgt.
Das Landgericht Görlitz hatte die Klage zunächst mit der Begründung abgewiesen, eine solche Vereinbarung mit der Mutter habe nie stattgefunden. Auch sei die erfolgte Sedierung nicht fehlerhaft gewesen. Der gerichtliche Sachverständige hätte vielmehr festgestellt, dass die Behandlung nach den erforderlichen medizinischen Standards erfolgt ist.
Sedierung sei nicht ausreichend gewesen
Gegen diese Entscheidung legte der Betroffene Berufung ein. Es sei „klar vereinbart“ worden, dass er in jedem Fall Schmerzmittel bekommen sollte. Den dokumentierten Patientenwillen habe das Landgericht nicht berücksichtigt. Auch sei die Sedierung entgegen der Annahme des Gerichts nicht ausreichend gewesen.
Die Behandlung habe bereits um 10:37 Uhr begonnen. Die Sedierung erfolgte jedoch erst um 10:52 Uhr. Allein schon aus diesem zeitlichen Abstand ergebe sich, dass die Sedierung nicht ausreichend gewesen sein kann.
Zudem habe das Gericht das subjektive Schmerzempfinden des Jungen ignoriert. Dadurch sei er in der Annahme gelassen worden, seine Schmerzen werden ihm nicht geglaubt, was ihn zusätzlich belaste. Vor endoskopischen Eingriffen (Spiegelungen) habe er nun Angst.
Klage wird abgewiesen
Auch die Berufung wurde abgelehnt. Der Vorwurf eines Behandlungsfehlers konnte nicht nachvollzogen werden. Der Sachverständige hatte richtigerweise die S3-Leitlinie für „Sedierung in der gastrointestinalen Endoskopie“ ausgeführt. So entspricht eine derartige Untersuchung ohne zusätzliche Schmerzmittelgabe gemeinhin den medizinischen Standards.
Eine Sedierung in Verbindung mit einer zusätzlichen Schmerzmittelgabe käme nur im Bedarfsfall und bei Risikopatientinnen und ‑patienten in Betracht. Denn eine Sedierung allein ist schon potenziell lebensbedrohlich.
Vereinbarung ist nicht ausschlaggebend
Nur weil die Vereinbarung mit der Mutter nicht eingehalten wurde, entsteht also kein Behandlungsfehler. Allein der medizinische Standard ist hier ausschlaggebend.
Ob der Behandlungswunsch des Patienten auch tatsächlich deutlich kommuniziert wurde, ist dabei hinfällig. So dürfte der Arzt auch bei ausdrücklichem Wunsch eine medizinisch fehlerhafte Therapie nicht verabreichen.
Nach Beweisaufnahme und Aussagen von Zeuginnen und Zeugen konnte auch der Vorwurf, die Sedierung sei zu spät und unzureichend gewesen, nicht gehalten werden.
So hatte die Untersuchung nicht tatsächlich um 10:37 Uhr begonnen, sondern erst, als der Patient um 10:53 Uhr bereits tief und fest schlief. Auch die Vitalwerte belegten keine schmerzinduzierte Stressreaktion.
Junge habe tief und fest geschlafen
Auch die vom Jungen angegebenen „stechenden und drückenden Schmerzen im Bauchbereich“ während der Darmspiegelung sind nach Ansicht des Gerichts kein Grund für eine Schmerzensgeldzahlung. Mit Bezug auf § 253 Absatz 2 BGB stellen sie vielmehr Bagatellverletzungen dar, die kein Schmerzensgeld rechtfertigen.
Auch die Ängste, die der Junge nun vor zukünftigen Eingriffe habe, rechtfertigen kein Schmerzensgeld. Unwohlsein und Ängste vor anstehenden ärztlichen Untersuchungen sind alltagstypisch Erscheinungen.
Quelle: OLG Dresden vom 26.10.2022 – 4 U 1258/22