Forscher der Goethe-Universität, der Philips-Universität Marburg und der Fraunhofer-Projektgruppe für „Transnationale Medizin und Pharmakologie“ (TMP) haben Schmerzdaten an einer Reihe von gesunden Probanden gesammelt, die sie mittels maschinellen Lernens erfolgreich strukturieren konnten. Der neue methodische Ansatz im Bereich der Schmerzforschung wurde als Titeglegeschichte in der renommierten und weltweit führenden Fachzeitschrift „Pain“ präsentiert.
„Menschliches Schmerzmodell“
Schmerzen sind allseits bekannt, aber gleichzeitig schwer greifbar und komplex. Aus subjektiven Schmerzempfindungen also objektive Daten zu ermitteln, um den Schmerz besser behandeln zu können, ist in der Schmerzforschung keine Leichtigkeit. Nun haben die Forscher erfolgreich einen neuen methodischen Ansatz getestet. Die Phänomene, dass bei einem Sonnenbrand sogar die Berührung der Bettdecke Schmerzen auslöst, oder dass Wärmesalbe auf einem steifen Nacken unter der Dusche anfängt zu brennen, werden viele sicherlich bestätigen können. Um aus solchen Schmerzempfindungen Messdaten ableiten zu können, haben die Forscher ein „menschliches Schmerzmodell“ entwickelt.
„Indem wir gesunde Probanden verschiedenen Reizen wie Druck, Hitze oder Kälte aussetzen und anschließend die Schmerzschwelle bestimmen, können wir klinischen Schmerz unter Laborbedingungen nachbilden“, erklärt Prof. Jörn Lötsch vom Institut für Klinische Pharmakologie der Goethe-Universität und Mitglied der Fraunhofer Projektgruppe TMP.
Bei 82 Probanden wurden mit UV-Strahlen auf der Haut Mikrosonnenbrände erzeugt, mit einer Größe von etwa einem Quadratzentimeter, an anderen Stellen wurde Capsaicin-Salbe aufgetragen. Capsaicin ist der Hauptwirkstoff in vielen Wärmesalben und kommt in Chili-Schoten vor. Sowohl die Mikrosonnenbrände als auch das Auftragen von Capsaicin führen zu lokal begrenzten Schädigungen des Hautgewebes, sodass die Schmerzschwelle gesenkt wird.
Ein überraschendes Ergebnis
An diesen Stellen wurde nun jeweils die Empfindlichkeit bei Ausübung von Kälte, Wärme, Druck oder ein Pieksen getestet. Auf diese Weise konnten 2.460 Messdaten erhoben werden, die von Prof. Lötsch und seinem Kollege Prof. Alfred Ultsch von der Universität Marburg mithilfe des maschinellen Lernens analysiert und strukturiert wurden. Wie erwartet reagierten die Probanden mit einem Mikrosonnenbrand empfindlicher auf Hitze, ebenso wie auf Kältereize. Auch eine Überraschung brachte die computergestützte Analyse hervor: Beim Testen der Druckempfindlichkeit nach Behandlung mit Capsaicin konnte ein unterschiedliches Empfinden nach Geschlecht verzeichnet werden, denn Frauen reagierten darauf empfindlicher als Männer.
„Die Studie war ein Methoden-Test. Wir wollten wissen, ob man komplexe Informationen über den Schmerz mit maschinellem Lernen anschaulich und greifbar machen kann“, erklärt Lötsch. Nun wollen die Forscher auch klinische Daten chronisch kranker Menschen mithilfe des neuen Ansatzes untersuchen – und hoffen herauszufinden, wie man Patienten helfen kann, bei denen eine Schmerztherapie weniger erfolgreich anschlägt.
Quelle: idw