Sturz war vorprogrammiert: Eine Frau hatte wegen einer frühkindlichen Meningitis eine geistige Retardierung und spastische Quadriplegie sowie den Entwicklungszustand einer Zweijährigen. Aus diesem Grund befand sie sich in einem Pflegeheim.
Im Garten des Pflegeheims stürzte sie nach vorne aus ihrem Rollstuhl, weil sich ihr linker Fuß verfangen hatte. Sie erlitt so eine Wunde an der Stirn und eine Beule, weswegen sie zur medizinischen Abklärung in ein Krankenhaus gebracht wurde.
Frau stürzt von Röntgentisch und erleidet Fraktur
Während der Röntgenuntersuchung stürzte die Frau vom Röntgentisch. Zu diesem Zeitpunkt war sie alleine und ungesichert im Raum.
Weil sich keine Auffälligkeiten zeigten, wurde die Frau daraufhin entlassen. Noch im Haus übergab sich die Frau jedoch zweimal und wurde kurzzeitig bewusstlos, weshalb eine weitere Sturz-Diagnostik durchgeführt wurde.
Eine erneute Röntgendiagnostik zeigte eine Unterschenkelfraktur, die mit einer Gipsschiene versorgt wurde. Hinweise auf Verletzungen am Kopf konnten durch CT nicht festgestellt werden.
Die Frau wurde zur Überwachung einige Tage stationär behandelt. Ihre gesetzliche Betreuerin drängte auf die Durchführung einer weiteren Diagnostik mittels Polytrauma-CT. Dem kamen die Verantwortlichen im Krankenhaus nicht nach.
Der Bruder der inzwischen verstorbenen Frau – ursprünglich war sie Klägerin – klagt vor dem Landgericht Nürnberg auf Schmerzensgeld und Schadensersatz.
Vertragliche Nebenpflichten wurden nicht erfüllt
Bei der Behandlung in einem Krankenhaus kommt ein Behandlungsvertrag gemäß §§ 630a ff. BGB zustande. So auch im vorliegenden Fall.
In dem Vertrag sind bestimmte Leistungen und Pflichten aufgeführt, die die Vertragsparteien zu erfüllen haben. Allerdings ergeben sich auch einige implizite vertragliche Nebenpflichten (§ 241 Absatz 2 BGB), die genauso eingehalten werden müssen.
Bei der Behandlung im Röntgenraum hat der Krankenhausbetreiber gegen eine solche Nebenpflicht verstoßen, in dem die Frau alleine auf dem Röntgentisch gelassen wurde und keine ausreichenden Vorkehrungen zur Vermeidung eines Sturzes getroffen wurden.
Jede Partei hat sich bei der Abwicklung des Schulverhältnisses so zu verhalten, dass Person, Eigentum und sonstige Rechtsgüter des anderen Teils nicht verletzt werden.
Inwieweit das behandelnde ärztliche und pflegerische Personal zusätzliche Schutzmaßnahmen hätte ergreifen müssen, ist individuell zu entscheiden und bedarf sorgfältiger Abwägung.
Sturz hätte verhindert werden können
So ist beispielsweise noch lange keine Fixierung gerechtfertigt, nur weil bei einer Patientin ein latentes Sturzrisiko besteht. Auf der anderen Seite muss damit gerechnet werden, dass ein zunächst pflegerisch beherrschbarer Zustand plötzlich umschwenkt, was eine vorbeugende und sichernde Reaktion des Personals erfordert.
Mit Blick auf diese Ausführung kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Beklagte nicht die ihr zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Krankenhausbetreiber für ausreichend halten darf, um einen Sturz vom Röntgentisch zu vermeiden.
Es haben vorher hinreichend Gefahrenanzeichen für eine akute Sturzgefahr vorgelegen, die weitere Maßnahmen zur Überwachung und Sicherung nötig gemacht hätten.
Andere Nebenpflichten aus dem Behandlungsvertrag hat der Krankenhausbetreiber aber nicht verletzt. Die Behandlung hat den anerkannten orthopädischen und radiologischen Facharztstandards entsprochen.
Schmerzensgeld in Höhe von 7.000 Euro
Unter Würdigung aller Umstände ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.000 Euro angemessen. Außerdem steht dem Kläger Schadensersatz in Höhe von 41,40 Euro zu, wegen den angefallenen Kopierkosten im Zuge der Rechtsverfolgung.
Für eine ausführliche Erklärung des Urteils mit allen Entscheidungsgründen werfen Sie gerne einen Blick in die aktuelle Ausgabe der „Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen“ vom März/April 2024.
Quelle: LG Nürnberg-Fürth vom 30.03.2023 – 11 O 7141/1