Covid-19-Impfung
Eine Covid-19-Impfung mit Comirnaty soll bei einer Frau zu schwe­ren Neben­wir­kun­gen geführt haben. Bild: © Ralf Liebhold | Dreamstime.com

Schwere Neben­wir­kun­gen nach dritter Covid-19-Impfung

Eine im Jahr 1991 geborene Frau hatte sich 2021 gegen das SARS CoV2-Virus impfen lassen. Ihr wurden insge­samt drei Dosen des Impfstoffs Comirnaty von Biontech/Pfizer im Verlauf des Jahres verab­reicht.

Nach der dritten COVID-19-Impfung sollen bei ihr schwere Symptome aufge­tre­ten sein. Seitdem leide sie unter Kopfschmer­zen, Migräne, Übelkeit, Erbre­chen, Schwin­del, Schwel­lung des linken Auges, Atemnot, Gehbe­hin­de­rung, Konzen­tra­ti­ons­schwä­che, Schlaf­stö­rung und Gleich­ge­wichts­stö­rung.

Knapp einen Monat nach der Impfung sei bei ihr eine Sinus­ve­nen­throm­bose festge­stellt worden, welche ebenfalls auf die Impfung zurück­zu­füh­ren sei. Infol­ge­des­sen bedarf sie dauer­haf­ter Medika­tion. Durch die nachhal­ti­gen Folgen, die ihre Lebens­qua­li­tät erheb­lich beein­träch­ti­gen, muss sie in Psycho­the­ra­pie.

Sie ist Diabe­ti­ke­rin und hat eine Schild­drü­sen­er­kran­kung. Abgese­hen davon sei sie vor der Impfung aller­dings fit und gesund gewesen sein.

Ihre Beschwer­den führt sie auf die dritte COVID-19-Impfung mit Comirnaty zurück. Aus diesem Grund fordert sie Schmer­zens­geld in Höhe von 185.000 Euro vom Herstel­ler.

Klage auf 185.000 Euro Schmer­zens­geld

Das Landge­richt Detmold hat die Klage als unbegrün­det zurück­ge­wie­sen. Ein Anspruch auf Schmer­zens­geld ergibt sich nicht aus § 84 Absatz 1 Arznei­mit­tel­ge­setz.

Demnach ist der Herstel­ler eines Arznei­mit­tels in folgen­den zwei Fällen dazu verpflich­tet einen entstan­de­nen Schaden zu erset­zen:

AMG § 84 Gefähr­dungs­haf­tung

Die Ersatz­pflicht besteht nur, wenn

1. das Arznei­mit­tel bei bestim­mungs­ge­mä­ßem Gebrauch schäd­li­che Wirkun­gen hat, die über ein nach den Erkennt­nis­sen der medizi­ni­schen Wissen­schaft vertret­ba­res Maß hinaus­ge­hen oder

2. der Schaden infolge einer nicht den Erkennt­nis­sen der medizi­ni­schen Wissen­schaft entspre­chen­den Kennzeich­nung, Fachin­for­ma­tion oder Gebrauchs­in­for­ma­tion einge­tre­ten ist.

Weder die eine noch die andere Bedin­gung ist im vorlie­gen­den Fall erfüllt. Das Gericht stellt fest, dass eine Haftung für Schäden durch das Arznei­mit­tel nur dann besteht, wenn ein negati­ves Nutzen-Risiko-Verhält­nis nachge­wie­sen werden kann.

Gericht lehnt Klage ab

Arznei­mit­tel sind Produkte, die zwangs­läu­fig neben der thera­peu­ti­schen Wirkung auch Risiken haben können. Das Nutzen-Risiko-Verhält­nis trägt diesem Umstand Rechnung.

Inwie­fern ein positi­ves Nutzen-Risiko-Verhält­nis besteht orien­tiert sich hierbei an generel­len Gesichts­punk­ten. Der indivi­du­elle Einzel­fall ist nicht entschei­dend.

Ein Impfstoff zum Beispiel wird somit auch dann zugelas­sen, wenn im Einzel­fall mit schwe­ren Neben­wir­kun­gen zu rechnen ist. Entschei­dend ist, dass die Nutzen-Risiko-Bewer­tung als sozial-adäquat einge­ord­net wird.

Eine Haftung ist damit nur in dem Fall begrün­det, wenn unbekannte Neben­wir­kun­gen auftre­ten, die die Zulas­sung beein­träch­tigt hätten.

Der Comirnaty Impfstoff hat ein regulä­res, zentra­li­sier­tes arznei­mit­tel­recht­li­ches Zulas­sungs­ver­fah­ren durch­lau­fen und zunächst eine bedingte Zulas­sung durch die Europäi­sche Union und später eine Standard­zu­las­sung erhal­ten.

Damit die Kläge­rin ihren Fall gewin­nen kann, hätte sie darle­gen müssen, dass die Zulas­sung nicht dem maßgeb­li­chen Stand der Wissen­schaft entspricht und ein negati­ves Nutzen-Risiko-Verhält­nis vorliegt. Das konnte sie aber nicht.

Herstel­ler handelte nicht schuld­haft

Die von der Kläge­rin behaup­te­ten schwe­ren Neben­wir­kun­gen von Comirnaty (unter anderem Post-Vac-Syndrom, Beinpa­rese, Sinus­ve­nen­throm­bose) waren nicht bekannt, als die Kläge­rin sich impfen ließ.

Entspre­chend war über diese Neben­wir­kun­gen nicht aufzu­klä­ren. Auch im aktuel­len Aufklä­rungs­bo­gen der Impfung sind diese Neben­wir­kun­gen nicht enthal­ten. Für das Gericht ist deshalb nicht ersicht­lich, warum die Neben­wir­kun­gen auch schon 2021 im Aufklä­rungs­bo­gen hätten enthal­ten sein müssen.

Die Behaup­tung der Kläge­rin, der Herstel­ler wusste über die Gefähr­lich­keit seines Impfstof­fes Bescheid, erfolgt nach Ansicht des Gerichts ins Blaue hinein.

Dass eine sitten­wid­rige vorsätz­li­che Schädi­gung (§ 826 BGB) vorliegt, kommt nicht in Betracht. Damit der Tatbe­stand erfüllt ist, müsste dem Herstel­ler Verwerf­lich­keit nachge­wie­sen werden.

Die Entwick­lung des Impfstoffs ist jedoch mit einem positi­ven Nutzen-Risiko-Verhält­nis belegt. Von Verwerf­lich­keit kann also nicht die Rede sein. Außer­dem ist nicht zu erken­nen, dass der Herstel­ler die Kläge­rin vorsätz­lich oder fahrläs­sig schädi­gen wollte.

FAQ

Wann besteht Haftung für Impfschä­den von der COVID-19-Impfung?

Herstel­ler von COVID-19-Impfstof­fen müssen dann für Impfschä­den haften, wenn nicht bekannte Neben­wir­kun­gen auftre­ten, die die Zulas­sung des Impfstoffs beein­träch­tigt hätten.

Was ist das Nutzen-Risiko-Verhält­nis von Corona-Impfstof­fen

Beim Nutzen-Risiko-Verhält­nis geht es um die Abwägung von dem zu erwar­ten­dem Nutzen und den zu befürch­ten­den Risiken einer COVID-19-Impfung. Hierbei geht es um eine generelle Abwägung, bei der indivi­du­elle Fälle nicht ausschlag­ge­bend sind, soweit die Nutzen-Risiko-Bewer­tung als sozial-adäquat einge­ord­net werden kann.

Warum gibt es keinen Schadens­er­satz bei schwe­ren Neben­wir­kun­gen einer COVID-19-Impfung.

Es gibt keinen Schadens­er­satz bei schwe­ren Neben­wir­kun­gen nach einer COVID-19-Impfung, weil die Voraus­set­zun­gen der Gefähr­dungs­haf­tung nach § 84 AMG nicht erfüllt sind. Der Comirnaty-Impfstoff hat ein positi­ves Nutzen-Risiko-Verhält­nis und wurde regulär zugelas­sen. Es konnte zudem kein schuld­haf­tes Handeln des Herstel­lers nachge­wie­sen werden.

Quelle: LG Detmold vom 13. Februar 2024 – 2 O 85/23