Betreiberpflichten außerhalb der Praxisräume
Grundsätzlich ist derjenige zum Schutz vor Gefahren durch Gebäude und Gelände verpflichtet, dem die Immobilie gehört. Aber auch die angemieteten Praxisräumlichkeiten können – sofern in der Mietsache ein entsprechender Außenbereich enthalten ist – eigene Verkehrssicherungspflichten des Praxisbetreibers begründen. Es ist üblich, mit der Vermietung von Wohn- oder Gewerbemieträumen auch bestimmte damit einhergehende Verkehrssicherungspflichten (zum Beispiel Winterdienst) auf den Mieter zu übertragen.
Gefahren durch Laubfall
Verfügt die Praxis etwa über einen Parkplatz für Patienten/Kunden, muss dieser bei herbstlichem Laubfall regelmäßig kontrolliert und bei Bedarf gereinigt werden. Dies gilt auch für die Zuwege zum Parkplatz. Wie intensiv geprüft und geräumt werden muss, richtet sich danach, wie stark der Laubanfall ist und ob in erhöhtem Umfang mit der Nutzung durch kranke, ältere oder gebrechliche Menschen gerechnet werden muss.
Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht stellt hierzu beispielhaft für den Parkplatz eines Krankenhauses folgende Maßgabe auf: „Entsprechend kann erwartet werden, dass die Zuwegungen täglich, notfalls ein zweites Mal am Tage, aber jedenfalls so regelmäßig kontrolliert und von Laub befreit werden, dass zumindest ein so breiter Wegesstreifen annähernd laubfrei ist, dass zwei Passanten aneinander vorbeigehen können, ohne gezwungen zu sein, auf eine geschlossene und möglicherweise glitschige Laubschicht treten zu müssen.“
Da es im Winter erst spät hell und früh wieder dunkel wird, ist zudem auf ausreichende Beleuchtung des Parkplatzes und der Zuwege zu achten.
Gefahren durch Schnee
Winterlicher Schneefall kann leicht zu gefährlichen Situationen führen: Schneeglätte bedeutet ein stark erhöhtes Sturzrisiko und abgehende Schneebretter können nicht nur Menschen, sondern auch zum Beispiel Fahrzeuge erheblich schädigen. Wie verhalte ich mich richtig? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, was sich an den unterschiedlichen hierzu ergangenen Entscheidungen der befassten Gerichte ablesen lässt.
Gleichwohl gibt es Grundsätze, die jeder Verkehrssicherungspflichtige beachten sollte: Befindet sich die Praxis in einer Region mit üblicherweise starkem Schneefall (zum Beispiel Süddeutschland), so ist es ratsam, auf dem Dach Schneefanggitter anzubringen. Auch sollte vor der Gefahr von Schneebrettern oder Dachlawinen nach längerem Schneefall gewarnt werden (Hinweisschild). In anderen Regionen (zum Beispiel im Ruhrgebiet) muss nicht mit so starkem Schneefall gerechnet werden, dass derartige Maßnahmen vorsorglich erforderlich sind. So stellt das Oberlandesgericht Hamm fest, dass keine grundsätzliche Pflicht des Grundstückseigentümers besteht, Dritte vor Dachlawinen durch bestimmte Maßnahmen zu schützen. Liegt jedoch Schnee auf dem Dach in einer Menge, die gefährlich werden könnte, kann im Einzelfall eine kontrollierte zeitnahe Beseitigung erforderlich sein. Ein Parkplatz wie auch der Weg zur Praxis sollten so von Schnee geräumt und begehbar sein, dass Passanten aneinander vorbeigehen können.
Gefahren durch Eisglätte
Besonders hohe Gefahr geht von Eisglätte aus, da diese oft nur schwer erkennbar ist oder plötzlich einsetzt bei Minusgraden. Doch Eisglätte darf nicht mit allen Mitteln bekämpft werden: Streusalz etwa ist abhängig von der Regelung in der Gemeinde oftmals nicht erlaubt. Eine Ausnahme kann eine Hanglage des betroffenen Grundstücks sein oder eine extreme Wetterlage mit Blitzeis. Üblich ist der Einsatz abstumpfender Mittel wie Granulat oder Split. Ab wann muss gestreut werden? Die Rechtsprechung setzt eine sogenannte „allgemeine Glättebildung“ voraus und nicht nur das Vorhandensein einzelner Glättestellen. Dies trägt dem Grundsatz Rechnung, dass im Winter vereinzelt mit Glätte gerechnet werden muss und sich hierauf jeder einstellen muss.
Das Oberlandesgericht Dresden stellt hierzu fest: „Die Streupflicht beinhaltet nicht, dass die Wege bei Winterglätte derart zu bestreuen sind, dass ein Verkehrsteilnehmer überhaupt nicht ausgleiten kann; vielmehr müssen die Wege nur derart bestreut werden, dass sie von den Verkehrsteilnehmern, die ihrerseits die erforderliche Sorgfalt aufwenden, ohne Gefahr benutzt werden können.“
Kommt es also großflächig zu Glättebildung, muss etwas unternommen werden – besser aber schon vorher.
Keinen Sinn macht das Streuen, wenn es durch dauerhaften Regen auf gefrorenem Boden zu immer neuer Eisglätte kommt. In diesem Fall entfällt eine entsprechende Verkehrssicherungspflicht, weil ihr nicht zumutbar nachgekommen werden kann.
Fazit
Es wird deutlich: Nicht jeder Schaden aufgrund widriger Witterungsbedingungen indiziert eine Pflichtverletzung! Eine Einzelfallprüfung ist unerlässlich und führt dazu, dass wir als Haftpflichtversicherer entweder einen berechtigten Anspruch im begründeten Umfang für Sie regulieren oder einen unbegründeten Anspruch für Sie abwehren. Diese Prüfung unternehmen wir gern für Sie.
Quelle: Rechtsanwalt Sascha Hebben, HDI Versicherung AG, Köln