Gleich drei erfahrene Referenten konnten hierfür gewonnen werden: Neben Prof. Dr. Volker Großkopf von der Katholischen Hochschule NRW, Fachbereich Gesundheitswesen in Köln beleuchteten Prof. Dr. Christian Waydhas vom Universitätsklinikum Essen sowie Rechtsanwalt Stefan Knoch vom internationalen Versicherungsmakler Assekuranz AG und Leiter der Abteilung Heilwesen den Themenkomplex „Risikomanagement Thromboseprophylaxe“.
Den Anfang der am 27. Mai 2011 in Stuttgart stattgefundenen Auftaktveranstaltung machte Prof. Dr. Großkopf mit den haftungsrechtlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit Thromboseprophylaxe. Hierfür stellte er zunächst auf die verschiedenen Aspekte des haftungsrechtlichen Risikopotenzials ab. Dieses wird maßgeblich durch die Dokumentation, die Patientenaufklärung und den Personaleinsatz beeinflusst. Im Bereich der Dokumentation wies er auf die rechtlichen Folgen von nicht erfolgter bzw. widersprüchlicher Dokumentation hin. Anschließend stellte er die Versäumnisse im Bereich der Patientenaufklärung und Behandlungsfehler in einen rechtlichen Zusammenhang. Hinsichtlich des Aspekts „Personaleinsatz“ zeigte Großkopf Herausforderungen der Kliniken bezüglich des demografischen Wandels in Deutschland auf: Die Tatsache, dass immer mehr Patienten von immer weniger Ärzten versorgt werden müssen, bedingt einen Aufgabentransfer von originär ärztlichen Tätigkeiten auf das Pflegepersonal. Die gleichzeitige Verlagerung der Haftungsbereiche liege auf der Hand, so Großkopf.
Abschließend erläuterte Großkopf den Unterschied zwischen Richtlinie und Leitlinie aus juristischer Sicht: Richtlinien bezeichnen verbindliche Instrumente des Berufs- und Sozialrechts und entfalten haftungsrechtliche Relevanz. Demgegenüber stellen Leitlinien lediglich Empfehlungen dar, von denen im Einzelfall bewusst abgewichen werden kann, sofern dies begründbar ist. Unvertretbare Leitlinienabweichungen können individuelle Wirkung für eine schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung entfalten.
Prof. Dr. Waydhas griff die Leitlinien-Thematik auf und erläuterte die medizinischen Hintergründe und die Entwicklung der AWMF-Leitline „Prophylaxe der venösen Thromboembolie“ (VTE). Zunächst verdeutlichte er, welche Vertreter der einzelnen Fachgesellschaften an der Entwicklung der Leitlinie zur Thromboseprophylaxe beteiligt waren und welche Studien bzw. Leitlinien in die systematische Analyse eingeflossen sind. Waydhas erläuterte im Folgenden den Zusammenhang zwischen Empfehlungs- und Evidenzstärke der AWMF und, nach einigen Zahlen über die Risikoverteilung der VTE, aus welchen Faktoren sich Risiken für den Patienten summieren. Im Einzelfall muss immer das Risiko einer Thromboembolie dem Risiko einer Blutung gegenübergestellt werden. Im Anschluss erklärte Waydhas am Beispiel einiger Krankheitsbilder, welche prophylaktischen Maßnahmen die aktualisierte AWMF-Leitlinie hierfür empfiehlt und wie die Empfehlungsstärke zu interpretieren sei.
Zum Abschluss seines Vortrags betonte auch Prof. Dr. Waydhas die außerordentliche Wichtigkeit der Patientenaufklärung: Der Patient müsse über sämtliche erfolgten und nicht durchgeführten Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe in Kenntnis gesetzt werden. Er hat in sämtliche Maßnahmen einzuwilligen, so Waydhas.
Als letzter Redner beleuchtete Stefan Knoch den Themenkomplex aus der Sicht eines Haftpflichtversicherers. Hierfür ging er auf die momentane Ausgangslage im Bereich der Krankenhaushaftpflichtversicherungen ein. Diese ist gekennzeichnet durch Steigerungen bei der Anspruchshäufigkeit, den Schadenssummen und (konsekutiv) bei den Versicherungsprämien. Aufgrund dieser Bedingungen haben sich bereits mehrere Versicherer aus dem Gesundheitsmarkt zurückgezogen.
Versicherer werden Knochs Meinung zufolge künftig in der Lage sein, aktiv Prozesse in Krankenhäusern zu beeinflussen. Wie in anderen Bereichen bereits üblich, werden die Einrichtungen verpflichtet, ein vom Versicherer definiertes Risikomanagementsystem einzuführen, an das sich der Versicherungsschutz knüpft.
Abschließend stellte Knoch als Konzept für die Zukunft die engere Verzahnung zwischen Versicherungsgesellschaft und Risikomanagement dar. Versicherte erhalten bei Einführung eines entsprechenden Systems Rabatte auf die Prämien bzw. stellen sicher, überhaupt einen Versicherer zu finden. Krankenhäuser können ein funktionierendes Risikomanagementsystem zudem als Marketinginstrument benutzen.