Bei dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gingen zwei Verfassungsbeschwerden zweier Patienten ein, die zwangsweise in einer Psychiatrie in Bayern und Baden-Württemberg untergebracht und dort fixiert wurden. Sie sahen sich dabei in ihren Grundrechten auf Freiheit verletzt. Vergangene Woche hat das Bundesverfassungsgericht eine mündliche Verhandlung über die Beschwerden geführt.
Bei dem ersten Beschwerdeführer hat man eine 7‑Punkt-Fixierung angewandt, bei der die Fesselung am Bett an Armen, Beinen, Bauch sowie an Brust und Stirn erfolgte. Sein gesamter Aufenthalt in der Psychiatrie hat 12 Stunden angedauert, wovon er acht Stunden lang fixiert wurde. Die Fixierung dieses Patienten ist auf Anordnung eines Arztes erfolgt. Grundlage seiner vorläufigen Unterbringung war das Bayerische Unterbringungsgesetz (BayUnterbrG), wonach keine spezielle richterliche Genehmigung für die Anordnung einer Fixierung erforderlich ist.
Der zweite Patient wurde in einer psychiatrischen Einrichtung einer 5‑Punkt-Fixierung unterzogen, die jeweils über mehrere Tage angeordnet worden war. In beiden Fällen sehen sich die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht auf Freiheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 und 3 GG in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 und 2 GG) verletzt. Sie machen geltend, dass für die freiheitsentziehenden Maßnahmen ein richterlicher Beschluss erforderlich sein müsse. Sie sehen in den jeweiligen gesetzlichen Grundlagen die verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht ausreichend berücksichtigt, um einen freiheitsentziehenden Eingriff zu rechtfertigen.
Der LWL hat eigene Leitlinien für freiheitsentziehende Maßnahmen entwickelt
Ein Urteil aus Karlsruhe steht noch aus und könnte unter anderem für den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) spannend werden. Erst kürzlich informierte dieser über die Entwicklung einer eigenen Leitlinie für die Einrichtungen der Erwachsenenpsychiatrie im LWL-PsychiatrieVerbund. Diese soll ergänzend zur Novellierung des nordrhein-westfälischen „Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten“ (PsychKG) aus dem Jahr 2017 fungieren. Es gehe dabei darum, „die Balance zu finden zwischen Persönlichkeits- und Freiheitsrechten einerseits und dem notwendigen Schutzauftrag für die Gesellschaft andererseits“, heißt es in der Mitteilung.
Ziel der Leitlinie sei die Steigerung der Alltagskompetenz in Krisensituationen sowie die Definition ethischer und fachlicher Haltungen im Zusammenhang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen und Zwangsbehandlungen, erklärt LWL-Krankenhausdezernat, Prof. Dr. Meinolf Noeker.
Inhalt des LWL-Standards ist beispielsweise die Verpflichtung, dass eine getroffene Maßnahme zur Fixierung im Anschluss mit dem Patienten durchgesprochen wird. Auf diese Weise soll gegenseitiges Verständnis entwickelt werden, warum und wie in dem jeweiligen Fall gehandelt wurde. Eine Fixierung soll auch nur als letzte Möglichkeit angesehen werden, wenn mildere Maßnahmen der entsprechenden Gefährdung nicht gerecht werden, heißt es weiter in der Mitteilung. Außerdem solle dem Patienten immer ein qualifizierter Therapeut stets ansprechbar zur Seite stehen.
Ob ein Patient den Eingriff als Willkür oder als schützende Hilfsmaßnahme auffasst, hänge schließlich entscheidend von einer solchen Betreuung ab und ist mitunter ausschlaggebend dafür, ob der Patient eine Traumatisierung davon trägt oder nicht.
Die Freiheitsentziehung als die schwerste Form der Freiheitsbeschränkung
Das Bundesverfassungsgericht betonte die grundsätzliche Schwere des Eingriffs: „Bei der Freiheitsentziehung handelt es sich um die schwerste Form der Freiheitsbeschränkung. Sie setzt eine besondere Intensität voraus und kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur in Betracht, wenn die – tatsächlich und rechtlich an sich gegebene – Bewegungsfreiheit nach jeder Richtung hin aufgehoben wird“, heißt in der Pressemitteilung.
Problematisch ist, dass im Speziellen nach Landesrecht geregelt wird, ab wann beziehungsweise ob übergaupt eine richterliche Genehmigung für eine Fixierung notwendig ist. Inhalt der Verhandlungen des Bundesverfassungsgericht waren daher unter anderem die Fragen, inwiefern ein Richtervorbehalt notwendig ist, wie häufig in öffentlich-rechlichen Unterbringungen tatsächlich Fixierungen erfolgen und inwieweit diese notwendig seien. Dabei wurde auch auf andere Länder und deren Erfahungswerte geschaut, wie etwa das Vereinigte Königreich, die Schweiz und die Niederlande.
Quelle: BVerfG