Eine Ärztin führte im Rahmen ihrer Facharztausbildung unter Anleitung eines Oberarztes eine Appendektomie (Blinddarmentfernung) durch. Bei diesem Eingriff entfernte sie statt des Appendix ein Ovar (Eierstock). Ärztin und Oberarzt hatten zu dieser Zeit einen beamtenrechtlichen Status.
Die Patientin verklagte die Bundesrepublik Deutschland als Träger des Krankenhauses. In diesem Verfahren stellte der gerichtliche Sachverständige einen groben Behandlungsfehler fest, woraufhin die Bundesrepublik rechtskräftig zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in fünfstelliger Höhe und zum Ausgleich künftiger materieller und immaterieller Ansprüche verurteilt wurde.
Auf der Grundlage des gerichtlichen Gutachtens warf das zuständige Bundesamt dem ausbildenden Oberarzt als auch der in Ausbildung befindlichen Ärztin eine grob fahrlässige Verletzung der Dienstpflichten vor.
Ein grober Behandlungsfehler impliziert nicht regelmäßig eine grobe Fahrlässigkeit
Ein Regressanspruch der Bundesrepublik käme gemäß § 24 Absatz 1 Soldatengesetz nur dann in Betracht, wenn eine Dienstpflicht – hier die lege artis durchzuführende Behandlung – vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt worden wäre.
Das zuständige Bundesamt setzte in seinem Bescheid rechtsfehlerhaft den Begriff des groben Behandlungsfehlers mit dem der groben Fahrlässigkeit gleich. Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er schlechterdings nicht unterlaufen darf (vgl. BGH in VersR 2012, S. 362).
Grobe Fahrlässigkeit liegt demgegenüber erst dann vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird und schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (vgl. BGH in NJW 2007, S. 2988). Dabei muss – anders als beim groben Behandlungsfehler – den Handelnden auch in subjektiver Hinsicht ein schweres Verschulden treffen (vgl. BGH a.a.O.).
Die Ärztin operierte im Rahmen ihrer Ausbildung unter Aufsicht und Anleitung eines Oberarztes, weshalb insbesondere ein aus subjektiver Sicht schweres Verschulden in diesem Fall nicht unterstellt werden kann.
Gegen die Regressforderung des Bundesamts musste sich die Ärztin gleichwohl zur Wehr setzen. Aufgrund des Beamtenrechtsverhältnisses erging die Anforderung des Regressbetrags im Verwaltungsverfahren durch Leistungsbescheid. Gegen solche Leistungsbescheide muss innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Fristen Beschwerde eingelegt werden. Andernfalls würde der Bescheid rechtskräftig und damit unangreifbar.
Die Beachtung dieser besonderen Verfahrensvorschriften stellt neben der haftungsrechtlichen Einordnung des Sachverhalts für den juristischen Laien eine kaum lösbare Aufgabe dar. Eine kompetente juristische Vertretung ist in solchen Fällen deshalb dringend anzuraten.
Der Fall zeigt deutlich, dass die eigene Berufshaftpflichtversicherung auch für angestellte Ärzte in der Aus- beziehungsweise Weiterbildung unverzichtbar ist. Denn über die Berufshaftpflichtversicherung ist neben der Entschädigung berechtigter auch die Abwehr unberechtigter Ansprüche versichert. Dieser Versicherungsschutz bedeutet, dass solche Verfahren von spezialisierten Schadenjuristen begleitet, externe Rechtsanwälte beauftragt und hierfür anfallende Kosten übernommen werden.
Quelle: Rechtsanwältin Tanja Mannschatz, HDI Versicherung AG, Köln