Unter den Vorhaben der neuen Ampel-Koalition dürfte es eines der schillerndsten und schlagzeilenträchtigsten sein: Laut ihres Koalitionsvertrags wollen SPD, FDP und Bündnis 90/Grüne Cannabis-Produkte auch zu Genusszwecken für Erwachsene legalisieren. „Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet“, heißt es im entsprechenden Passus des Koalitionsvertrages (siehe Seite 87).
Bereits seit 2017 ist, unter strengen Kriterien, eine medizinische Abgabe von THC-haltigen Produkten in Deutschland über Apotheken erlaubt. Eine legale Abgabe würde sowohl dem Schwarzmarkt zumindest teilweise seine Geschäftsgrundlage entziehen, es gäbe weniger Arbeit für Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte, zudem würden wohl direkte und indirekte Steuereinnahmen sowie Arbeitsplätze in Anbau und Handel der Produkte entstehen – wie Beispiele aus US-Bundesstaaten nahelegen, in denen Cannabis bereits legal ist.
Doch wie würde eine Freigabe ausgestaltet sein? Würde es in Deutschland „Coffeeshops“ nach niederländischem Vorbild geben, werden private Verkaufsstellen ermöglicht, wären wie bei der bereits geltenden medizinischen Freigabe auch hier Apotheken die Ansprechpartner, oder werden staatliche Verkaufsstellen eingeführt, vergleichbar den berühmten schwedischen „Systembolaget“-Läden für alkoholische Getränke?
Eine Gesetzesinitiative zur Cannabis-Legalisierung liegt noch nicht vor
Noch stehen die Pläne zur konkreten Ausgestaltung ganz am Anfang – eine Gesetzesinitiative liegt in der neuen Legislaturperiode, mit Stand von 12. Januar 2022, bislang noch nicht vor. Wie jedoch Bundes-Justizminister Marco Buschmann (FDP) zum „Spiegel“ meinte, laufe es wohl auf ein System mit privaten Verkaufsstellen heraus. Dies könnten Apotheken sein, „aber wir werden den Kreis möglicherweise auch weiter ziehen“, zitiert das Magazin den Minister. Das von den Koalitionsparteien favorisierte Konzept einer „kontrollierten Abgabe“ würde enthalten, dass sowohl potenzielle Lizenznehmer auf ihre Eignung zur Abgabe von Cannabis-Produkten überprüft würden, als auch die maximal erwerbbare Menge begrenzt wird.
Neue Impulse in Sachen Legalisierung könnte außerdem die Nominierung des SPD-Politikers Burkhard Blienert als neuer Bundesdrogenbeauftragter liefern. Dieser hatte sich in der Vergangenheit für eine kontrollierte Freigabe von THC-Produkten ausgesprochen und darauf verwiesen, dass die Verbotsstrategie gescheitert sei. Konkrete Schritte zu einer Freigabe sind wohl erst zu erwarten, wenn die akute Phase der Coronapandemie überwunden ist und allmählich in den Status der Endemie übergeht.
Immer mehr Staaten gehen den Schritt der Cannabis-Legalisierung
Mit einer Freigabe von Cannabis für den Freizeitgebrauch würde Deutschland übrigens zu einer bisher kleinen, aber wachsenden Gruppe von Staaten weltweit gehören, die den Schritt bereits gemacht haben. Unter anderem in Kanada, Uruguay, Südafrika, Georgien sowie in 18 US-Bundesstaaten – vor allem entlang der Westküste, in den Rocky Mountains sowie dem Nordosten – plus des Hauptstadtbezirks Washington D.C. sind Besitz und Handel von Cannabis-Produkten auch zu Genusszwecken nicht mehr illegal. In Australien hat das Australian Capital Territory (ACT), in welchem die Hauptstadt Canberra liegt, ebenfall diesen Schritt gewagt
Als erstes EU-Land hatte im vergangenen Dezember Malta den Besitz und Anbau von Cannabis legalisiert. In Spanien, Portugal, den Benelux-Ländern, in Österreich und der Schweiz, Italien, Tschechien, Slowenien, Kroatien und Estland ist – in jeweils von Land zu Land unterschiedlichem Maße – der Umgang mit Cannabis (weitgehend) entkriminalisiert. Einige dieser Länder haben gewisse Freimengen für den Eigenbesitz beschlossen, andere davon Besitz oder Handel von THC-Produkten von der Straftat zur Ordnungswidrigkeit „herabgestuft“.
Entgegen eines landläufig verbreiteten Irrtums ist beispielsweise in den Niederlanden Cannabis nicht „gänzlich“ legalisiert, sondern nur geduldet, und auch das nur bei geringen Mengen. Insbesondere müssen sich selbst die bekannten Coffeeshops bislang über den Schwarzmarkt mit Marihuana oder Haschisch versorgen, da es auf Händlerseite keinen legalen, regulierten Weg des Erwerbs gibt – sowohl Anbau als auch Einfuhr von Cannabisprodukten sind bei unseren nordwestlichen Nachbarn bis heute illegal.