Welchen rechtlichen Konsequenzen drohen bei einem Verkehrsunfall
Ein schwe­rer Verkehrs­un­fall. Bild: Marco Di Bella/Adobe Firefly KI

Stellen Sie sich bitte einmal folgende Situa­tion vor: Eine Pflege­kraft befin­det sich nach dem Ende ihrer Dienst­schicht mit dem eigenen Kraft­fahr­zeug auf dem Heimweg. Dabei kommt es zu einem folgen­schwe­ren Verkehrs­un­fall, bei der sich die Pflege­kraft erheb­lich verletzt. Aufgrund der Verlet­zungs­schwere gilt die Pflege­kraft in den folgen­den 5 Monate als arbeits­un­fä­hig.

Bei den polizei­li­chen Ermitt­lun­gen zu den Unfall­ur­sa­chen stellt sich heraus, dass die Pflege­kraft unter einen enormen Alkohol­spie­gel stand.

Ein undenk­ba­res Szena­rio?

Mitnich­ten. Zwar nimmt die Zahl der Alkohol­un­fälle mit Perso­nen­scha­den seit 1975 konti­nu­ier­lich ab. Von Entwar­nung kann jedoch nicht gespro­chen werden: So verzeich­net das Statis­ti­sche Bundes­amt (Desta­tis) in seinen Analy­sen zur Verkehrs­si­tua­tion in Deutsch­land weiter­hin alami­e­rend hohe Werte und hat beispiels­weise für das Jahr 2021 festge­stellt:[1]

Alkohol­ein­fluss war 2021 bei 5,1 Prozent aller Unfälle mit Perso­nen­scha­den eine der Unfall­ur­sa­chen. Aller­dings starben 6,4 Prozent aller tödlich verletz­ten Verkehrs­teil­neh­mer in Deutsch­land infolge eines Alkohol­un­falls, das heißt, jeder 16. Getötete. Diese unter­schied­li­chen Anteile belegen eine überdurchschnittlich hohe Schwere der Alkohol­un­fälle.

Im folgen­den Beitrag, der auf eine Leser­frage an die Redak­tion beruht, soll der Frage nachge­gan­gen werden, welche recht­li­chen Konse­quen­zen an die im Szena­rio darge­stell­ten Verfeh­lung geknüpft sind.

Haftungs­recht­li­che Konse­quen­zen

Ein alkohol­be­ding­ter Verkehrs­un­fall kann vielfäl­tige und schwer­wie­gende recht­li­che Konse­quen­zen nach sich ziehen. Neben der straf­recht­li­chen Verfol­gung des alkoho­li­sier­ten Fahrers, die in Abhän­gig­keit von

  1. der Promil­le­zahl,
  2. dem Grad der Fahrun­si­cher­heit und
  3. dem einge­tre­te­nen Schaden

eine Geldstrafe, eine Freiheits­strafe oder eine Bewäh­rungs­strafe bewir­ken kann, steht nach dem Straßen­ver­kehrs­recht der Entzug der Fahrerlaub­nis zu befürchten.

Sollte das Unfall­ereig­nis mit einem Fremd­scha­den verbun­den gewesen sein, kann der alkoho­li­sierte Fahrer daneben auch auf der zivil­recht­li­chen Ebene für den entstan­de­nen Schaden haftbar gemacht werden.

Die Kfz-Haftpflicht­ver­si­che­rung übernimmt zwar zunächst die Beglei­chung der fremden Sach- und Perso­nen­schä­den. Der alkoho­li­sierte Fahrer kann jedoch aus dem Gesichts­punkt der groben Fahrläs­sig­keit von seiner Versi­che­rung nach der Regulie­rung in Regress genom­men werden.

Recht­li­che Konse­quen­zen aus dem Arbeits­recht

Weitere Nachteile können im Bereich des Arbeits­rechts zu verzeich­nen sein.

Ausge­hend von dem Grund­satz „Ohne Arbeit kein Lohn“, der die Arbeits­leis­tung und das Arbeits­ent­gelt als mitein­an­der korre­spon­die­rende Pflich­ten gegenüberstellt, kann die Zeit der Arbeits­un­fä­hig­keit zum Wegfall der Vergütung führen.

Zwar ist seit dem 1.6.1994 die Vergütungsfortzahlung für den Fall der Arbeits­un­fä­hig­keit im Entgelt­fort­zah­lungs­ge­setz festge­setzt. Ein Entgelt­fort­zah­lungs­an­spruch besteh jedoch nur, wenn die Arbeits­un­fä­hig­keit unver­schul­det einge­tre­ten ist.

Verkehrsunfall durch Alkohol
Wird die Fahrtüch­tig­keit durch den Konsum von Sucht- und Rausch­mit­teln beein­flusst, hat dies Folgen für die Verschul­dens­frage. Bild: Marco Di Bella/Adobe Firefly KI

Alkohol­kon­sum als grobe Fahrläs­sig­keit

Dabei versteht die Recht­spre­chung in diesem Kontext unter „Verschul­den“ nicht das Verschul­den des § 276 BGB, also jede Art von Fahrläs­sig­keit und Vorsatz. Entschei­dend ist hier vielmehr nur das grobe Verschul­den gegen sich selbst, also ein unver­ständ­li­ches, leicht­fer­ti­ges Verhal­ten des Arbeit­neh­mers, das vorliegt, wenn der Arbeit­neh­mer in gröbli­cher Weise gegen das von einem verstän­di­gen Menschen im eigenen Inter­esse zu erwar­tende Verhal­ten verstößt.

Bei Verkehrs­un­fäl­len ist dies anzuneh­men, wenn die Ursache des Unfalls auf ein grob fahrläs­si­ges Verhal­ten des Arbeit­neh­mers zurückzuführen ist. Auch die alkohol­be­dingte Fahruntüchtigkeit stellt ein solch grob fahrläs­si­ges Verhal­ten dar.[2]

Keine Ausnahme bei Alkohol­er­kran­kung

Nach der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung des Bundes­ar­beits­ge­richts (BAG) gilt dies im Übrigen auch für den Fall der Alkohol­er­kran­kung.

Ein seit länge­rer Zeit an Alkohol­ab­hän­gig­keit erkrank­ter Arbeit­neh­mer kann schuld­haft im Sinne der lohnfort­zah­lungs­recht­li­chen Bestim­mun­gen handeln, wenn er

  1. (in noch steue­rungs­fä­hi­gem Zustand) sein Kraft­fahr­zeug für den Weg zur Arbeits­stelle benutzt,
  2. während der Arbeits­zeit in erheb­li­chem Maße dem Alkohol zuspricht und
  3. alsbald nach Diens­tende im Zustande der Trunken­heit einen Verkehrs­un­fall verur­sacht, bei dem er verletzt wird.[3]

Schließ­lich gerät auch der Schutz der gesetz­li­chen Unfall­ver­si­che­rung für Wegeun­fälle durch die auf Alkohol­ge­nuss zurückzuführende Fahruntüchtigkeit eines Kraft­fah­rers in Gefahr, wenn sie die unter­neh­mens­be­ding­ten Umstände derart in den Hinter­grund drängt, dass sie als recht­li­che allein wesent­li­che Ursache des Unfalls anzuse­hen ist (Theorie der wesent­li­chen Bedin­gung).[4]

Quellen:

  1. Statis­ti­sches Bundes­amt: Zahl der Woche Nr. 50 vom 13. Dezem­ber 2022
  2. Küttner/Griese, Perso­nal­buch, Entgelt­fort­zah­lung, Randzei­chen 6 mit weite­ren Nachwei­sen
  3. BAG vom 30.3.1988 – 5 AZR 42/87.
  4. LSG Bayern vom 14.12.2011 – L 2 U 566/10.