Stellen Sie sich bitte einmal folgende Situation vor: Eine Pflegekraft befindet sich nach dem Ende ihrer Dienstschicht mit dem eigenen Kraftfahrzeug auf dem Heimweg. Dabei kommt es zu einem folgenschweren Verkehrsunfall, bei der sich die Pflegekraft erheblich verletzt. Aufgrund der Verletzungsschwere gilt die Pflegekraft in den folgenden 5 Monate als arbeitsunfähig.
Bei den polizeilichen Ermittlungen zu den Unfallursachen stellt sich heraus, dass die Pflegekraft unter einen enormen Alkoholspiegel stand.
Ein undenkbares Szenario?
Mitnichten. Zwar nimmt die Zahl der Alkoholunfälle mit Personenschaden seit 1975 kontinuierlich ab. Von Entwarnung kann jedoch nicht gesprochen werden: So verzeichnet das Statistische Bundesamt (Destatis) in seinen Analysen zur Verkehrssituation in Deutschland weiterhin alamierend hohe Werte und hat beispielsweise für das Jahr 2021 festgestellt:[1]
Alkoholeinfluss war 2021 bei 5,1 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden eine der Unfallursachen. Allerdings starben 6,4 Prozent aller tödlich verletzten Verkehrsteilnehmer in Deutschland infolge eines Alkoholunfalls, das heißt, jeder 16. Getötete. Diese unterschiedlichen Anteile belegen eine überdurchschnittlich hohe Schwere der Alkoholunfälle.
Im folgenden Beitrag, der auf eine Leserfrage an die Redaktion beruht, soll der Frage nachgegangen werden, welche rechtlichen Konsequenzen an die im Szenario dargestellten Verfehlung geknüpft sind.
Haftungsrechtliche Konsequenzen
Ein alkoholbedingter Verkehrsunfall kann vielfältige und schwerwiegende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Neben der strafrechtlichen Verfolgung des alkoholisierten Fahrers, die in Abhängigkeit von
- der Promillezahl,
- dem Grad der Fahrunsicherheit und
- dem eingetretenen Schaden
eine Geldstrafe, eine Freiheitsstrafe oder eine Bewährungsstrafe bewirken kann, steht nach dem Straßenverkehrsrecht der Entzug der Fahrerlaubnis zu befürchten.
Sollte das Unfallereignis mit einem Fremdschaden verbunden gewesen sein, kann der alkoholisierte Fahrer daneben auch auf der zivilrechtlichen Ebene für den entstandenen Schaden haftbar gemacht werden.
Die Kfz-Haftpflichtversicherung übernimmt zwar zunächst die Begleichung der fremden Sach- und Personenschäden. Der alkoholisierte Fahrer kann jedoch aus dem Gesichtspunkt der groben Fahrlässigkeit von seiner Versicherung nach der Regulierung in Regress genommen werden.
Rechtliche Konsequenzen aus dem Arbeitsrecht
Weitere Nachteile können im Bereich des Arbeitsrechts zu verzeichnen sein.
Ausgehend von dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“, der die Arbeitsleistung und das Arbeitsentgelt als miteinander korrespondierende Pflichten gegenüberstellt, kann die Zeit der Arbeitsunfähigkeit zum Wegfall der Vergütung führen.
Zwar ist seit dem 1.6.1994 die Vergütungsfortzahlung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit im Entgeltfortzahlungsgesetz festgesetzt. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteh jedoch nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit unverschuldet eingetreten ist.
Alkoholkonsum als grobe Fahrlässigkeit
Dabei versteht die Rechtsprechung in diesem Kontext unter „Verschulden“ nicht das Verschulden des § 276 BGB, also jede Art von Fahrlässigkeit und Vorsatz. Entscheidend ist hier vielmehr nur das grobe Verschulden gegen sich selbst, also ein unverständliches, leichtfertiges Verhalten des Arbeitnehmers, das vorliegt, wenn der Arbeitnehmer in gröblicher Weise gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt.
Bei Verkehrsunfällen ist dies anzunehmen, wenn die Ursache des Unfalls auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Arbeitnehmers zurückzuführen ist. Auch die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit stellt ein solch grob fahrlässiges Verhalten dar.[2]
Keine Ausnahme bei Alkoholerkrankung
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gilt dies im Übrigen auch für den Fall der Alkoholerkrankung.
Ein seit längerer Zeit an Alkoholabhängigkeit erkrankter Arbeitnehmer kann schuldhaft im Sinne der lohnfortzahlungsrechtlichen Bestimmungen handeln, wenn er
- (in noch steuerungsfähigem Zustand) sein Kraftfahrzeug für den Weg zur Arbeitsstelle benutzt,
- während der Arbeitszeit in erheblichem Maße dem Alkohol zuspricht und
- alsbald nach Dienstende im Zustande der Trunkenheit einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem er verletzt wird.[3]
Schließlich gerät auch der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung für Wegeunfälle durch die auf Alkoholgenuss zurückzuführende Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers in Gefahr, wenn sie die unternehmensbedingten Umstände derart in den Hintergrund drängt, dass sie als rechtliche allein wesentliche Ursache des Unfalls anzusehen ist (Theorie der wesentlichen Bedingung).[4]
Quellen:
- Statistisches Bundesamt: Zahl der Woche Nr. 50 vom 13. Dezember 2022
- Küttner/Griese, Personalbuch, Entgeltfortzahlung, Randzeichen 6 mit weiteren Nachweisen
- BAG vom 30.3.1988 – 5 AZR 42/87.
- LSG Bayern vom 14.12.2011 – L 2 U 566/10.