Sturz ist keine Bagatelle
Ein Sturz stellt insbe­son­dere für Senio­ren keine Bagatelle dar. Zur Vermei­dung eines solchen Ereig­nis­ses kommen aber auch Inter­ven­tio­nen zum Einsatz, die zu einer Beschrän­kung der Bewegungs­frei­heit führen Bild: Mary Kathe­rine Wynn | Dreamstime.com

In Ergän­zung zu der Darstel­lung der Entschei­dung des AG Frank­furt folgt nun eine Beschrei­bung der juris­ti­schen Einsatz­vor­aus­set­zun­gen von sogenann­ten freiheits­ent­zie­hen­den Maßnah­men im statio­nä­ren Pflege­be­reich:

Aus haftungs­recht­li­cher Sicht ist es zunächst von enormer Bedeu­tung, dass das poten­zi­elle Sturz­ri­siko bei dem jewei­lig betrof­fe­nen Heimbe­woh­ner so präzise wie möglich ermit­telt wird. Hierbei muss neben dem abstrak­ten vor allen Dingen das situa­tiv-konkrete Sturz­ri­siko heraus­ge­ar­bei­tet werden. Dieses (schrift­lich erfasste) konkrete Sturz­ri­siko ist die Grund­vor­aus­set­zung, damit eine geeig­nete sturz­pro­phy­lak­ti­sche Inter­ven­tion überhaupt zum Einsatz gebracht werden darf.

Richtig ist an dieser Stelle die Einschät­zung von Sabine Hagedorn auf Facebook, dass bei der Abwägung des Für und Wider von sturz­prä­ven­ti­ven Maßnah­men der Perso­nal­schlüs­sel keine Bedeu­tung haben darf.

Auch wenn der Einsatz von Bettgit­tern in manchen Einrich­tun­gen gängige Praxis sein mag, ändert dies nichts an den Wertun­gen von Gesetz­ge­bung und Recht­spre­chung, nach der diese Form der Siche­rungs­vor­keh­rung das Recht der Betrof­fe­nen auf Fortbe­we­gungs­frei­heit beschnei­det. Deshalb ist die Zuläs­sig­keit des Einsat­zes immer von einer Recht­fer­ti­gung durch die Abgabe einer wirksa­men Einwil­li­gung abhän­gig. Diese ist – wie von Birgit Eller­siek auf Facebook richtig bemerkt – von dem Betrof­fe­nen persön­lich oder von dessen bevoll­mäch­tig­ten (Vorsor­ge­be­auf­trag­ter) oder gesetz­li­chen (Betreuer) Vertre­ter abzuge­ben.

Jeder hat das Recht auf einen Sturz

Wird das Hochzie­hen des Bettgit­ters (Bettsei­ten­tei­len) verwei­gert, muss dieser Entschei­dung – nach einer Beleh­rung über die hieraus resul­tie­ren­den Gefah­ren – Folge geleis­tet werden. Wird hinge­gen die Einwil­li­gung von dem Betrof­fe­nen oder dessen Vertre­ter erteilt, spricht nichts gegen die Einrich­tung der Siche­rungs­maß­nahme.

Die Einschal­tung des Betreu­ungs­ge­rich­tes wird immer dann erfor­der­lich, wenn die Einwil­li­gung durch einen Betreuer oder Vorsor­ge­be­voll­mäch­tig­ter erfolgt und die Siche­rungs­maß­nahme länger als 24 Stunden oder regel­mä­ßig (mehr als dreimal) vorge­nom­men werden soll.

Zusam­men­fas­sung

  1. Freiheits­ent­zie­hende Maßnah­men immer nur bei einer konkre­ten Gefah­ren­lage.
  2. Freiheits­ent­zie­hende Maßnah­men bedür­fen der Einwil­li­gung des Betrof­fe­nen oder der Einwil­li­gung des Vertre­ters (Betreuer/Vorsorgebevollmächtigter).
  3. Freiheits­ent­zie­hende Maßnah­men, die durch einen Betreuer oder Vorsor­ge­be­voll­mäch­tigt legite­miert wurden, müssen vom Betreu­ungs­ge­richt geneh­migt werden, wenn die Siche­rung länger als 24 Stunden oder öfter als dreimal in Folge vorge­nom­men wird.

Und weil es auch angespro­chen wurde: Die vorge­nann­ten Prinzi­pien gelten natür­lich auch für den Kranken­haus­be­reich.