Rechtsdepesche: Sehr geehrter Herr Prof. Kröger, Sie zählen hierzulande zu den führenden Experten auf den Gebieten der Angiologie und der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden. In diesem Kontext haben Sie sich in der Vergangenheit mit den Auswirkungen des Rauchens auf das Gefäßsystem beschäftigt. Es drängt sich die Frage auf, ob sich das Rauchen negativ auf die Abheilung chronischer Wunden auswirkt?
Prof. Dr. Knut Kröger: Der Konsum von Tabakprodukten stellt zweifelsfrei ein großes und vermeidbares Gesundheitsrisiko dar. In Abhängigkeit von der Menge des Zigarettenkonsums erhöhen sich auch die Komplikationsraten der Wundheilung. Bei Rauchern mit Wunden nach chirurgischen Eingriffen oder infolge von Traumata und Krankheiten wurden klinisch langsamere Heilungsverläufe beobachtet.
Die Wirkungen der Schadstoffe des Verbrennungsprozesses und der anderen toxischen Schadstoffe des Zigarettenrauchs weisen auf Mechanismen hin, die einer schnellen Wundheilung im Wege stehen. Wenn auch das Thema Rauchen in der Behandlung von Menschen mit chronischen Wunden in den vergangenen Jahren von der Wissenschaft eher stiefmütterlich behandelt worden ist, spricht vieles dafür, dass sich das toxische Risiko des Tabakkonsums ungünstig auf die Abheilung chronischer Wunden auswirkt.
Rechtsdepesche: Wie sollten die ärztlichen und pflegerischen Wundexperten mit den rauchenden Patienten, die an chronischen Wunden leiden umgehen?
Kröger: Selbstverständlich muss hierauf reagiert werden. Ein Problem ist jedoch die Glaubwürdigkeit. Die Raucherquote unter den Angehörigen der Gesundheitsberufe ist überdurchschnittlich hoch. Nach einer online Befragung im Jahre 2018 mit dem Titel „Pflegekräfte sind Deutsche Meister im Rauchen“, rauchen immerhin 31 Prozent der Beschäftigten in den Pflegeberufen.
Eine Erhebung der europäischen Union soll sogar ergeben haben, dass jeder 4. Arzt nicht rauchfrei lebt. Damit geht die Vorbildfunktion verloren und die Überzeugungskraft zur Vermittlung der Sinnhaftigkeit des Rauchstopps schwindet.
Ein weiteres Problem ist, dass die einschlägigen Curricula in der ärztlichen und pflegerischen Wundversorgung noch nicht mit Inhalten zur Behandlung der Tabakabhängigkeit von rauchenden Patienten mit chronischen Wunden ausgestattet sind. Hier sind die Fachgesellschaften zur Nachbesserung aufgerufen, damit sowohl die pflegerischen als auch ärztlichen Wundexperten mit aktuellem Wissen zum Rauchstopp und zur Risiko-Reduktion aufsynchronisiert werden können.
Im Ergebnis ist letztlich im Sinne der AWMF-S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung” auf den Rauchstopp als angestrebtes Ziel hinzuwirken. Auf dem Weg dorthin muss den entwöhnungswilligen Rauchern eine begleitende Beratung zur Unterstützung des Rauchstopps angeboten werden.
Neben der Kurzberatung empfiehlt die S3-Leitlinie insoweit die Angebote der verhaltenstherapeutischen Gruppeninterventionen, die Nikotinersatztherapie und den Einsatz von Vareniclin, Burpopion und Cytisin zur Tabakentwöhnung, bzw. zum Rauchstopp.
Rechtsdepesche: Leider zeigen die Statistiken, dass trotz der von Ihnen aufgeführten Möglichkeiten des begleitenden Rauchstopps viele diesen erst gar nicht versuchen. Geben Sie diese Patienten unter der Maxime „jeder hat das Recht auf Selbstgefährdung“ als hoffnungslose Fälle auf oder sehen Sie noch eine weitere Möglichkeit auf den Patienten einzuwirken?
Kröger: Vorweg: Die Verweigerer des Rauchstopps sind nicht zu verurteilen. Ein guter Therapeut darf die Patienten nicht ihrem Schicksal überlassen, sondern gegebenenfalls über Möglichkeiten der Risikoreduzierung nachdenken. Zu nennen sind hier Tabakerhitzer oder E‑Zigaretten, die erwiesenermaßen signifikant weniger Schadstoffe ausstoßen.
Selbstverständlich wäre mein Wunsch den Rauchstopp als das Best-Case-Szenario an den Patienten heranzutragen. Lässt sich dies nicht realisieren, wäre es meines Erachtens nach falsch, weniger schadstoffausstoßende Alternativen zur Zigarette nicht in Erwägung zu ziehen.
Rechtsdepesche: Wirkt sich die Schadstoffreduktion von E‑Zigaretten oder Tabakerhitzer im Vergleich zur herkömmlichen Zigarette positiv auf die Wundheilung aus?
Kröger: Es gibt bislang keine wissenschaftlichen Studien, die bei den Auswirkungen des Rauchverhaltens auf die Wundheilung nach herkömmlichen Zigaretten und schadstoffärmeren Produkten wie E‑Zigaretten oder Tabakerhitzern differenzieren. Mit dem Blick nach vorne, wäre es wünschenswert diese Lücke zu schließen.
Rechtsdepesche: Ich bedanke mich sehr herzlich für das aufschlussreiche Gespräch.