Rund sechzig Interessierte aus Industrie, Fachhandel und Krankenkassen waren der Einladung gefolgt und diskutierten mit den geladenen Referenten über die für sie relevanten Konsequenzen. Einleitend wies Dr. Ernst Pohlen, Geschäftsführer der Eurocom, darauf hin, dass der Hilfsmittelbereich durch die Neuregelungen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes besonders betroffen werde. Industrie und Fachhandel, aber auch die Krankenkassen müssten sich mit den neuen Herausforderungen auseinander setzen.
Ministerialdirigent Dr. Ulrich Orlowski vom Bundesministerium für Gesundheit gab einen allgemeinen Überblick über die Auswirkungen der Gesundheitsreform auf die Strukturen des Gesundheitswesens. Die Einführung des Gesundheitsfonds zum 1. Januar 2009, laut Orlowski das Herzstück der Reform, und die Einrichtung eines Spitzenverbandes „Bund der Krankenkassen“ verfolgten als zentrales Ziel eine Veränderung der Struktur der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Eine effizientere Organisationsstruktur solle u.a. durch die geplanten kassenübergreifenden Fusionen geschaffen werden.
Kritisch bewertete Dr. Volker Leienbach, Verbandsdirektor und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Verbandes der privaten Krankenversicherungen, das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz. Aus Sicht der privaten Krankenversicherer werde hiermit eine Einheitsversorgung angestrebt, die Bedürfnisse der Patienten gingen aber in eine ganz andere Richtung. Es sei fraglich, ob durch die Fondsstruktur der Wettbewerb überhaupt verstärkt wird. Vielmehr werde die geplante Festlegung der Beitragssätze einen gewaltigen Druck auf die Leistungen der GKV auslösen.
Die Konsequenzen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes für den Hilfsmittelbereich stellte Professor Hans-Georg Will, Bundesministerium für Gesundheit, vor. Bereits in den von den Regierungsparteien vorgelegten Eckpunkten zur Gesundheitspolitik seien Ausschreibungen im Hilfsmittelbereich enthalten gewesen; das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz habe diese zentralen Vorgaben lediglich umgesetzt. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. April 2007 seien Ausschreibungen nun vorrangiges Mittel der Wahl in der Vertragsgestaltung zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern.
Der Wegfall der Zulassung von Leistungserbringern und die Einführung von „K.o.-Ausschreibungen“ würden zu einem massiven Betriebssterben und damit zu einer ungesunden Wettbewerbskonzentration auf einige wenige große Leistungserbringer führen, warnte Frank Jüttner, Präsident des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV), der den neuen Regelungen wenig Positives abgewinnen konnte. Dennoch habe sich der BIV auf die neue Situation eingestellt und werde seine Mitgliedsbetriebe unterstützen. So werde u.a. ein Ausschreibungsportal aufgebaut, in dem alle Ausschreibungen im Hilfsmittelbereich erfasst und einer ersten rechtlichen Bewertung unterzogen werden.
Auch die Krankenkassen stünden mit den Ausschreibungen vor großen Herausforderungen. Carla Grienberger vom IKK-Bundesverband betonte, dass diese Zeit bräuchten, um die hierfür notwendigen Strukturen zu schaffen. Gefragt danach, wie die Krankenkassen mit der Ausnahmeregelung umgehen würden, verwies Grienberger darauf, dass es schwierig sei, den Dienstleistungsanteil in der Hilfsmittelversorgung zu definieren. Dies läge auch daran, dass der Hilfsmittelmarkt nicht einheitlich bewertet werden könne, da es zu viele unterschiedliche Versorgungshintergründe gebe. Zudem würde das Vergaberecht, das ihrer Auffassung nach bei den Ausschreibungen zum Tragen kommen werde, auch die Möglichkeit vorsehen, Dienstleistungen auszuschreiben.
Dr. Pohlen betonte abschließend, dass heterogene Regelungen hinsichtlich der Frage, welche Produktgruppen ausgeschrieben werden würden und welche nicht, wenig sinnvoll seien. Er appellierte an die Kostenträger, hier einen tragfähigen Konsens zu finden; diese Frage sollte gemeinschaftlich von Industrie, Handwerk und Krankenkassen geklärt werden. Er bot Grienberger die Unterstützung der Industrie an. Die Eurocom erarbeite derzeit Argumentationspapiere, die den Dienstleistungsanteil in der Versorgung mit Einlagen, Kompressionsstrümpfen, Bandagen und Orthesen detailliert beschreiben werden.