Händehygiene
Hände­hy­giene ist ein wichti­ges Schwert zur Vermei­dung einer Keimüber­tra­gung. Hierzu zählt das richtige Waschen sowie die ordnungs­ge­mäße und regel­mä­ßige Desin­fion der Hände (Symbol­bild). Bild: © Vikto­riya Demen­tieva | Dreamstime.com

Die korrekte Hände­hy­giene gilt als die bei weitem wichtigste Präven­ti­ons­maß­nahme gegen Klinik­keime in Einrich­tun­gen des Gesund­heits­we­sens: Schließ­lich werden bis zu 80 Prozent aller Infek­ti­ons­er­re­ger über die Hände übertra­gen. An diesem Punkt setzt ein Vorha­ben in der Univer­si­täts­me­di­zin Rostock an: Das Projekt mit dem Titel DiSH-O-Klin („Digitale Simula­tion von Hygiene- und Optimie­rungs­maß­nah­men für den Klinik­be­trieb“) soll die Hände­hy­giene inner­halb der Einrich­tung nachhal­tig verbes­sern und gegen­über Patien­ten trans­pa­rent machen, und möglichst auch an anderen Einrich­tun­gen Einzug halten. Das Pilot­pro­jekt war bereits Mitte 2023 gestar­tet und läuft über 36 Monate, also bis Mitte 2026.

Beim Programm regis­trie­ren die Desin­fek­ti­ons­mit­tel-Spender per Bluetooth-Sende­mo­dul, wenn Beschäf­tigte sie benut­zen. „Für die Einhal­tung der korrek­ten Einwirk­zeit wird über ein Vibra­ti­ons­si­gnal deren Ablauf an die betref­fende Person signa­li­siert“, erläu­tert Dipl.-Ing. Arndt Kritz­ner vom techni­schen Projekt­part­ner Logic Way GmbH der „Rechts­de­pe­sche für das Gesund­heits­we­sen“.

Auf den elektro­ni­schen Namens­schil­dern des Perso­nals ist die Zahl der am Tag durch­ge­führ­ten Hände­des­in­fek­tio­nen ables­bar; außer­dem fasst ein Smiley-Symbol den aktuel­len Hände-Desin­fek­ti­ons­sta­tus zusam­men. Während der Benut­zung des Desin­fek­ti­ons­ge­räts baut sich der ‚Sauber-Smiley‘ auf dem Display nach und nach auf. „Die Sicht­bar­keit des Desin­fek­ti­ons­sta­tus ist für Perso­nal und Patient*innen wichtig, um das Bewusst­sein für die Hände­hy­giene zu erhöhen und damit die Motiva­tion für eine dauer­hafte Verhal­tens­än­de­run­gen in der Hände­hy­giene zu steigern“, so Kirstin Werner, Presse­spre­che­rin der Univer­si­tät Rostock.

Hundert­tau­sende Fälle von Kranken­haus­in­fek­tio­nen pro Jahr in Deutsch­land

Eine gutes Niveau der Hände­hy­giene beim Klinik­per­so­nal, die hilft, der Übertra­gung von Kranken­haus­kei­men vorzu­beu­gen, kann erheb­li­ches Leid bei Patien­ten vermei­den und konkret Leben retten: Von 400.000 bis 600.000 jährli­chen nosoko­mia­len Infek­tio­nen in Deutsch­land, also Fällen einer Anste­ckung mit Krank­heits­er­re­gern während einer Kranken­haus­be­hand­lung, ging eine Studie der Berli­ner Charité aus dem Jahr 2006 aus. Andere Schät­zun­gen, wie jene von der Deutschen Gesell­schaft für Kranken­haus­hy­giene (DGKH), vermu­te­ten sogar noch höhere Zahlen – etwa eine Million Infek­ti­ons­fälle für das Jahr 2015.

Die Zahl der Todes­fälle allein durch Klinik-Infek­tio­nen wird für Deutsch­land auf 1.000 bis 4.000 pro Jahr geschätzt. Zum Vergleich: Dies entspricht, von der ungefäh­ren Größen­ord­nung her, der jährli­chen Zahl der Verkehrs­to­ten in Deutsch­land (zum Beispiel 2023: 2.839).

Rund 3,5 Prozent aller Patien­ten auf Allge­mein­sta­tio­nen in deutschen Kranken­häu­sern fangen sich laut einer Schät­zung einen Kranken­haus­keim ein, auf Inten­siv­sta­tio­nen sind es sogar 15 Prozent – also jeder Sechste bis Siebte. Die Infek­ti­ons­fälle sind zudem für das Gesund­heits­sys­tem sehr kostspie­lig: Die zusätz­li­chen Behand­lungs­kos­ten pro Infek­ti­ons­fall betra­gen im Durch­schnitt 11.000 Euro.

Kranken­haus­keime gelten aus zwei weite­ren Gründen als beson­ders proble­ma­tisch: In den Einrich­tun­gen treffen sie natur­ge­mäß auf Menschen, die durch ihre Krank­heit oder medizi­ni­sche Behand­lung ohnehin schon geschwächt sind. Zudem gibt es, beson­ders im Fall von mangeln­den Hygie­ne­maß­nah­men in Klini­ken und falsch angewen­de­ter Antibio­tika, die erhöhte Gefahr einer Resis­tenz-Entwick­lung bei den Erregern.

Weiter­ent­wick­lung eines seit 2018 einge­setz­ten Systems

Das im Rosto­cker Unikli­ni­kum einge­setzte Programm basiert auf einem bewähr­ten, bereits im Klinik­all­tag einge­setz­ten System namens Helicoph – dieses erlaubt die Erfas­sung von Hände­des­in­fek­tio­nen über ein digita­les Namens­schild. Dieses System wurde 2018 am Helios-Hanse­kli­ni­kum Stral­sund entwi­ckelt und hat dort dazu beigetra­gen, die im Klini­kum verzeich­nete Anzahl der nosoko­mia­len Infek­ti­ons­fälle um mehr als ein Drittel zu senken.

Das DiSH-O-Klin-Projekt ergänzt das bestehende System um neue Hardware- und Logik­kom­po­nen­ten: So werden die Beschäf­tig­ten beispiels­weise an die erneute Hände­des­in­fek­tion erinnert. Im Projekt soll erforscht werden, welche zusätz­li­chen messba­ren Daten die digita­len Helfer liefern können, um die Hygie­ne­si­tua­tion inner­halb des Hauses exakt erfas­sen zu können – etwa auch mittels Lufthy­giene-Senso­ren inner­halb der Räume. Ziel sei es, ein vernetz­tes System zur perma­nen­ten Messung und Regelung der Hygie­ne­si­tua­tion zu entwi­ckeln, das man anderen Häusern als demons­trier­bare Referenz­lö­sung zur Verfü­gung stellen könne, erklärt das Klini­kum.

Vonsei­ten der Beschäf­tig­ten gebe es eine große Offen­heit für das System, so Kritz­ner. „Tatsäch­lich kann man aus dem bishe­ri­gen Probe­be­trieb einschät­zen, dass die deutli­che Mehrzahl des Kranken­haus­per­so­nals bestrebt ist, ihre Aufga­ben gut und korrekt zu erfül­len. Hygiene ist dabei zwangs­läu­fi­ger Bestand­teil korrek­ter fachli­cher Arbeit in der Klinik.“

Gleich­zei­tig sei Hände­hy­giene die wirksamste bekannte Maßnahme, um die Übertra­gung von Kranken­haus­kei­men zu verhin­dern. „In gewis­sem Maße ergeben diese zwangs­läu­fi­gen Zusam­men­hänge auch tatsäch­lich eine Einsicht bei den Anwen­dern, das System als zweck­dien­li­che Maßnahme anzuer­ken­nen.“ Denn was bisher zu beobach­ten war, seien die Unter­schiede zwischen der gefühl­ten und tatsäch­lich ausge­üb­ten Hände­hy­giene. „Diese Unter­schiede sind durch die Anwen­dung unseres Messsys­tems erstma­lig auch indivi­du­ell für die Betei­lig­ten erkenn­bar gewor­den“, unter­streicht Kritz­ner.

Mehrere Projekt­part­ner an Bord

Projekt­part­ner bei DiSH-O-Klin sind neben der Univer­si­täts­me­di­zin das Insti­tut für Infor­ma­tik der Univer­si­tät Rostock, das bereits genannte Helios-Hanse­kli­ni­kum Stral­sund, der UCEF GmbH Rostock, der Forschungs- und Ausbil­dungs­ein­rich­tung FIR an der RWTH Aachen sowie dem IT-Unter­neh­men Logic Way GmbH aus Schwe­rin. Zudem wird das Programm vom Bundes­mi­nis­te­rium für Bildung und Forschung im Rahmen des Fachpro­gramms Medizin­tech­nik geför­dert.