Die korrekte Händehygiene gilt als die bei weitem wichtigste Präventionsmaßnahme gegen Klinikkeime in Einrichtungen des Gesundheitswesens: Schließlich werden bis zu 80 Prozent aller Infektionserreger über die Hände übertragen. An diesem Punkt setzt ein Vorhaben in der Universitätsmedizin Rostock an: Das Projekt mit dem Titel DiSH-O-Klin („Digitale Simulation von Hygiene- und Optimierungsmaßnahmen für den Klinikbetrieb“) soll die Händehygiene innerhalb der Einrichtung nachhaltig verbessern und gegenüber Patienten transparent machen, und möglichst auch an anderen Einrichtungen Einzug halten. Das Pilotprojekt war bereits Mitte 2023 gestartet und läuft über 36 Monate, also bis Mitte 2026.
Beim Programm registrieren die Desinfektionsmittel-Spender per Bluetooth-Sendemodul, wenn Beschäftigte sie benutzen. „Für die Einhaltung der korrekten Einwirkzeit wird über ein Vibrationssignal deren Ablauf an die betreffende Person signalisiert“, erläutert Dipl.-Ing. Arndt Kritzner vom technischen Projektpartner Logic Way GmbH der „Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen“.
Auf den elektronischen Namensschildern des Personals ist die Zahl der am Tag durchgeführten Händedesinfektionen ablesbar; außerdem fasst ein Smiley-Symbol den aktuellen Hände-Desinfektionsstatus zusammen. Während der Benutzung des Desinfektionsgeräts baut sich der ‚Sauber-Smiley‘ auf dem Display nach und nach auf. „Die Sichtbarkeit des Desinfektionsstatus ist für Personal und Patient*innen wichtig, um das Bewusstsein für die Händehygiene zu erhöhen und damit die Motivation für eine dauerhafte Verhaltensänderungen in der Händehygiene zu steigern“, so Kirstin Werner, Pressesprecherin der Universität Rostock.
Hunderttausende Fälle von Krankenhausinfektionen pro Jahr in Deutschland
Eine gutes Niveau der Händehygiene beim Klinikpersonal, die hilft, der Übertragung von Krankenhauskeimen vorzubeugen, kann erhebliches Leid bei Patienten vermeiden und konkret Leben retten: Von 400.000 bis 600.000 jährlichen nosokomialen Infektionen in Deutschland, also Fällen einer Ansteckung mit Krankheitserregern während einer Krankenhausbehandlung, ging eine Studie der Berliner Charité aus dem Jahr 2006 aus. Andere Schätzungen, wie jene von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), vermuteten sogar noch höhere Zahlen – etwa eine Million Infektionsfälle für das Jahr 2015.
Die Zahl der Todesfälle allein durch Klinik-Infektionen wird für Deutschland auf 1.000 bis 4.000 pro Jahr geschätzt. Zum Vergleich: Dies entspricht, von der ungefähren Größenordnung her, der jährlichen Zahl der Verkehrstoten in Deutschland (zum Beispiel 2023: 2.839).
Rund 3,5 Prozent aller Patienten auf Allgemeinstationen in deutschen Krankenhäusern fangen sich laut einer Schätzung einen Krankenhauskeim ein, auf Intensivstationen sind es sogar 15 Prozent – also jeder Sechste bis Siebte. Die Infektionsfälle sind zudem für das Gesundheitssystem sehr kostspielig: Die zusätzlichen Behandlungskosten pro Infektionsfall betragen im Durchschnitt 11.000 Euro.
Krankenhauskeime gelten aus zwei weiteren Gründen als besonders problematisch: In den Einrichtungen treffen sie naturgemäß auf Menschen, die durch ihre Krankheit oder medizinische Behandlung ohnehin schon geschwächt sind. Zudem gibt es, besonders im Fall von mangelnden Hygienemaßnahmen in Kliniken und falsch angewendeter Antibiotika, die erhöhte Gefahr einer Resistenz-Entwicklung bei den Erregern.
Weiterentwicklung eines seit 2018 eingesetzten Systems
Das im Rostocker Uniklinikum eingesetzte Programm basiert auf einem bewährten, bereits im Klinikalltag eingesetzten System namens Helicoph – dieses erlaubt die Erfassung von Händedesinfektionen über ein digitales Namensschild. Dieses System wurde 2018 am Helios-Hanseklinikum Stralsund entwickelt und hat dort dazu beigetragen, die im Klinikum verzeichnete Anzahl der nosokomialen Infektionsfälle um mehr als ein Drittel zu senken.
Das DiSH-O-Klin-Projekt ergänzt das bestehende System um neue Hardware- und Logikkomponenten: So werden die Beschäftigten beispielsweise an die erneute Händedesinfektion erinnert. Im Projekt soll erforscht werden, welche zusätzlichen messbaren Daten die digitalen Helfer liefern können, um die Hygienesituation innerhalb des Hauses exakt erfassen zu können – etwa auch mittels Lufthygiene-Sensoren innerhalb der Räume. Ziel sei es, ein vernetztes System zur permanenten Messung und Regelung der Hygienesituation zu entwickeln, das man anderen Häusern als demonstrierbare Referenzlösung zur Verfügung stellen könne, erklärt das Klinikum.
Vonseiten der Beschäftigten gebe es eine große Offenheit für das System, so Kritzner. „Tatsächlich kann man aus dem bisherigen Probebetrieb einschätzen, dass die deutliche Mehrzahl des Krankenhauspersonals bestrebt ist, ihre Aufgaben gut und korrekt zu erfüllen. Hygiene ist dabei zwangsläufiger Bestandteil korrekter fachlicher Arbeit in der Klinik.“
Gleichzeitig sei Händehygiene die wirksamste bekannte Maßnahme, um die Übertragung von Krankenhauskeimen zu verhindern. „In gewissem Maße ergeben diese zwangsläufigen Zusammenhänge auch tatsächlich eine Einsicht bei den Anwendern, das System als zweckdienliche Maßnahme anzuerkennen.“ Denn was bisher zu beobachten war, seien die Unterschiede zwischen der gefühlten und tatsächlich ausgeübten Händehygiene. „Diese Unterschiede sind durch die Anwendung unseres Messsystems erstmalig auch individuell für die Beteiligten erkennbar geworden“, unterstreicht Kritzner.
Mehrere Projektpartner an Bord
Projektpartner bei DiSH-O-Klin sind neben der Universitätsmedizin das Institut für Informatik der Universität Rostock, das bereits genannte Helios-Hanseklinikum Stralsund, der UCEF GmbH Rostock, der Forschungs- und Ausbildungseinrichtung FIR an der RWTH Aachen sowie dem IT-Unternehmen Logic Way GmbH aus Schwerin. Zudem wird das Programm vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Fachprogramms Medizintechnik gefördert.