Homosexualität als Stolperstein? Wir schildern den Fall: Der Kläger arbeitete als Außendienstangestellter für Verbandsstoffe und Watte bei dem beklagten Unternehmen. Noch in der Probezeit – für die eine Kündigungsfrist von einem Monat galt – wurde er fristgerecht gekündigt und von der Arbeit freigestellt. Warum er plötzlich entlassen wurde, erfuhr der Kläger nur aufgrund beiläufiger Bemerkungen. Er kam zu der Gewissheit: Grund für die Kündigung war seine Homosexualität.
Der Kläger machte deshalb Schadensersatzansprüche wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend. Die Kündigung nehme er zwar hin, weil er nicht beabsichtige, weiter in dem Unternehmen zu arbeiten. Dennoch sehe er die Kündigung als sittenwidrig an, da allein seine sexuelle Orientierung ausschlaggebend für die Entlassung war.
Ist Homosexualität doch ein Kündigungsgrund?
In einem ersten Schritt machte der Kläger somit als Schadensersatz unter anderem die danach entstandenen Umzugskosten geltend. Desweiteren schlug er vor, mit dem beklagten Unternehmen einen Aufhebungsvertrag zu schließen, nach dem eine Abfindung von umgerechnet rund 2000 Euro an ihn auszuzahlen sei. Kläger und Beklagte konnten sich allerdings auf keine der geltend gemachten Ansprüche einigen.
In einem zweiten Schritt hat der Kläger deshalb auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung geklagt. Dort behauptete er nur aufgrund seiner Homosexualität entlassen worden zu sein. Das Arbeitsgericht München hat die Klage abgewiesen, und auch die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht München blieb erfolglos.
Die anschließende Revision des Falls war allerdings wirksam. Das Urteil des LAG München wurde aufgehoben. Die Begründung: Es wurde nicht geprüft, ob die Kündigung gegen den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glaube nach § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verstößt. Denn sollte tatsächlich ein Verstoß gegen den genannten Grundsatz vorliegen, ist eine Prüfung auf Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) obsolet.
Die Vorschrift nach § 242 BGB ist neben § 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) in diesem Fall allerdings nur in beschränktem Umfang anwendbar, da sie nur zum tragen kommt, sollte es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes gehen. Der Kläger möchte allerdings wie bereits erwähnt nicht weiter in dem Unternehmen arbeiten.
Nach § 1 des KSchG ist zwar eine Kündigung auch dann nicht zulässig, wenn sie als sozial ungerechtfertigt erscheint. Die in dem Gesetz genannten Umstände, nach denen eine Kündigung als sozial ungerechtfertigt erscheint, kommen allerdings nicht als Verstöße gegen Treu und Glauben in Betracht. Eine Kündigung ist in diesem Fall nämlich nur dann nicht zulässig, wenn sie eben gegen jenen Grundsatz von Treu und Glaube nach § 242 BGB verstößt. Das gilt auch für Probezeitkündigung.
Selbst gewählte Lebensführung wird eingeschränkt
Das Landgericht hat den Sachvortrag des Klägers somit als schlüssig und zutreffend bewertet, da die Probezeitkündigung nach Ansicht des Gerichts tatsächlich treuwidrig ist. Das trifft dann zu, wenn die Kündigung trotz bestätigter guter Leistungen nur wegen der Homosexualität des Arbeitnehmers ausgesprochen wird. Für das Urteil ist allerdings noch ein weiterer Punkt entscheidend.
Der Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung und unterliegt der richterlichen Rechtskontrolle. Das bedeutet: Um eine Entscheidung in solchen Fällen zu treffen, verlangt das Gericht in der Regel eine Konkretisierung der Vorwürfe am Maßstab von Wertvorstellungen, die von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden.
Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes umfasst auch die Freiheit, die Privatsphäre im Bereich des Geschlechtslebens nach eigener Entscheidung zu gestalten. Zwar berührt die Kündigung hier nicht unmittelbar das Recht des Klägers, einen gleichgeschlechtlichen Partner zu wählen. Die Kündigung entzieht ihm jedoch sein Einkommen und beeinträchtigt damit auch die Möglichkeit der selbst gewählten Lebensführung, weil er homosexuell ist. Das sind ungleiche Bedingungen, da das beklagte Unternehmen einem heterosexuell orientierten Arbeitnehmer nicht gekündigt hätte.
Übrigens: Typische Tatbestände der treuwidrigen Kündigung sind außerdem widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers, Ausspruch der Kündigung in verletzender Form oder zur Unzeit.