
Die Mitglieder der Expertengruppe des Starnberger Medical Data Institute (MDI) gaben zunächst eine Einführung in die theoretischen Grundlagen der Kompressionstherapie. Anschließend hatten die Teilnehmer, darunter sowohl erfahrene Pflegefachkräfte, als auch Krankenpflegeschüler, die Gelegenheit in einem praxisnahen Workshop den Umgang mit Kurzzugbinden einzuüben und sich mit aktuellen Versorgungsmöglichkeiten vertraut zu machen.
Vorweg: Die rechtlichen Entwicklungen in der Pflege
Professor Dr. Volker Großkopf, der den Workshop moderierte, erläuterte die aktuellen rechtlichen Entwicklungen, die das Berufsfeld der Pflege in besonderer Weise berühren. Er wies darauf hin, dass Pflegefachkräfte seit dem 1. Juli 2016 zu den durch das neue Anti-Korruptionsgesetz betroffenen Berufen gehören.
Der Kölner Jurist sieht zudem die Pflege im Spannungsfeld zwischen der Akademisierung dieses Berufsbildes, mit der neue Verantwortlichkeiten einhergehen und der gesetzlichen Entwicklung, insbesondere hinsichtlich der haftungsrechtlichen Situation. „Das Risiko steckt im Detail“, so mahnte Großkopf. Rechtssicherheit bieten evidenzbasierte Leitlinien und Standards, die auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft gründen und von denen nur mit guter Begründung abgewichen werden sollte.
In der Antike ging es los
Die heutigen etablierten Kenntnisse zur Kompressionstherapie bauen auf antiken Erkenntnissen auf, so Prof. Dr. Joachim Dissemond. Der römische Arzt Galen definierte bereits Prinzipien der Verbandwicklung. Dass ein Verband Schmerzen vermeiden, richtig sitzen und gefällig aussehen, dabei aber schnell anzulegen sein sollte, gilt im Wesentlichen auch heute noch, so der Essener Dermatologe. Mit der Entwicklung elastischer Binden machte die Kompressionstherapie fast zwei Jahrtausende nach Galen den Schritt in die Moderne. Die Namen der Pioniere, wie Heinrich Fischer, Gustav Pütter oder Karl Sigg, sind auch heute noch als Namensgeber bestimmter Bandagierungstechniken in der Kompressionstherapie vertraut.
Welche Anlagetechnik zur Erstellung eines phlebologischen Kompressionsverbands verwendet wird, ist nicht entscheidend, so Kerstin Protz, Projektmanagerin Wundforschung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Entscheidend für den Erfolg der Therapie ist, dass der Anwender die gewählte Technik sicher beherrscht und die Entstauungssituation regelmäßig überprüft. „Unsachgemäße Kompressionsbandagierungen gefährden nicht nur den Therapieerfolg, sie mindern auch die Akzeptanz des Patienten“, mahnte Protz an: „Sie gefährden also die Therapieadhärenz.“
Praxisnahe Übungen zur Kompressionstherapie
Im nun folgenden Praxisteil des Workshops, stellte Protz zunächst die Prinzipien und die Materialien der Kompressionstherapie vor. Die Teilnehmer sortierten sich dann paarweise und legten sich gegenseitig gemäß der erläuterten Grundsätze Bandagierungen mit Kurzzugbinden und Unterpolsterung an.
Evidenzbasierte Leitlinien und Standards definieren einen therapierelevanten Druck von etwa 40–60 mmHg zur Kompressionstherapie bei Ulcus cruris venosum. Der Kompressionsdruck sollte bei Anlage mit Kurzzugbinden zwischen 50 und 60 mmHg liegen, denn eine Kompressionsbandagierung gibt bei Bewegung rasch nach.
Während der praktischen Übung wurde der erzeugte Druck unterhalb der Kompressionsanlage durch ein Messgerät ermittelt. Zudem bewerteten die Teilnehmer die Erfüllung der „galenischen Prinzipien“, also Aussehen und Tragekomfort der fertigen Kompressionsbandagierungen. Ergänzend bestand Gelegenheit, sich über die neuartige Versorgungsoption der adaptiven Kompressionsbandage zu informieren. Hierbei handelt es sich um Manschetten, die mit Klettverschlüssen am Bein befestigt werden und es ermöglichen, den Kompressionsdruck mit Hilfe einer Messschablone individuell einzustellen.
Fortsetzung der Reihe geplant
„Theorie und Praxis der Kompressionstherapie“ setzte die erfolgreiche Workshopreihe des Medical Data Institute auf dem 14. Gesundheitspflege-Kongress in Hamburg fort. Die zahlreichen Teilnehmer bekamen Einblick in die medizinische, die pflegerische und die rechtliche Perspektive und setzten ihre Kenntnisse unmittelbar in einer praktischen Übung um. Die Workshopreihe des MDI, die im Jahr 2017 auf den großen nationalen Kongressen und Fachtagungen fortgesetzt wird, fokussiert somit auf praxisbezogener Vermittlung aktueller Kenntnisse und Fertigkeiten.
Quelle: Jan Hinnerk Timm/MDI