Post-Covid
Der allge­meine Kranken­stand verzeich­nete in 2022 einen histo­ri­schen Höchst­wert Bild: © motor­tion | Dreamstime.com

Bis einschließ­lich Dezem­ber 2022 waren knapp 1 Prozent der Beschäf­tig­ten von einer Post-Covid-Erkran­kung betrof­fen. Beim allge­mei­nen Kranken­stand verzeich­nete das WIdO im vergan­ge­nen Jahr einen histo­ri­schen Höchst­wert.

Etwa 2,3 Millio­nen der insge­samt 7,7 Millio­nen durch­ge­hend erwerbs­tä­ti­gen AOK-Versi­cher­ten wurden zwischen März 2020 und Dezem­ber 2022 im Zusam­men­hang mit einer Covid-19-Erkran­kung mindes­tens einmal arbeits­un­fä­hig geschrie­ben.

71.651 Beschäf­tigte waren von einer Post-Covid-19-Erkran­kung betrof­fen. Nach mehre­ren Auf- und Abwärts­be­we­gun­gen erreich­ten sowohl akute als auch Post-Covid-Erkran­kun­gen im Frühjahr 2022 ihren vorläu­fi­gen Höhepunkt.

Zur Analyse der Auswir­kun­gen der verschie­de­nen Virus-Varian­ten wurden die AU-Daten von Beschäf­tig­ten mit einer AU-Meldung aufgrund einer akuten Covid-19-Erkran­kung sieben Monate lang nachbe­ob­ach­tet. Dabei zeigte sich, dass zwischen Septem­ber und Dezem­ber 2021, als die sogenannte Delta-Variante dominierte, bei 2,5 Prozent (n = 5.477) der akut Erkrank­ten eine Post-Covid-Erkran­kung folgte.

Damit ist deren Anteil doppelt so hoch wie in der Zeit, in der die Omikron-Variante vorherrschte. Hier folgte bei nur 1,1 Prozent (n = 9.171) aller von Akut-Covid-Betrof­fe­nen eine Post-Covid-Erkran­kung. Auch die durch­schnitt­li­che Länge der Arbeits­un­fä­hig­keit aufgrund einer Post-Covid-Erkran­kung ist in der Zeit, in der die Delta-Variante vorherrschte, mit durch­schnitt­lich 43,2 Tagen deutlich höher als in dem Zeitraum, in dem die Omikron-Variante vorherr­schend war (30,9 Tage).

„Im bishe­ri­gen Verlauf der Pande­mie sind nur vergleichs­weise wenige Beschäf­tigte wegen Post-Covid krank­ge­schrie­ben worden. Diese relativ wenigen Betrof­fe­nen haben aber lange AU-Zeiten von durch­schnitt­lich 30 Tagen. Es muss gelin­gen, diesen Beschäf­tig­ten wieder den Weg in den betrieb­li­chen Alltag zu ebnen“, kommen­tiert Helmut Schrö­der, stell­ver­tre­ten­der Geschäfts­füh­rer des WIdO, diese Ergeb­nisse.

„Eine gute Nachricht ist, dass sowohl die Zahl der Betrof­fe­nen als auch die Schwere der Erkran­kung, die aus den Ausfall­ta­gen abgelei­tet werden kann, im Verlauf der Pande­mie nachge­las­sen haben“, so Schrö­der.

Zahlrei­che Begleit­erkran­kun­gen bei Post-Covid

Bei über 8 Prozent aller Post-Covid-Erkran­kun­gen wurde auf der AU-Beschei­ni­gung zusätz­lich ein akuter Infekt der oberen Atemwege dokumen­tiert.

Weitere, ebenfalls häufig dokumen­tierte Komor­bi­di­tä­ten sind vor allem:

  • Unwohl­sein und Ermüdung (4,7 Prozent)
  • Dyspnoe bzw. Kurzat­mig­keit (3,4 Prozent)
  • Husten (knapp 2 Prozent)
  • Neurasthe­nie (1,5 Prozent)
  • Kopfschmer­zen (1,4 Prozent).

Ältere Beschäf­tigte länger von Arbeits­aus­fall durch Covid betrof­fen

Die Ergeb­nisse des WIdO zeigen zudem, dass die Arbeits­un­fä­hig­keits­dauer von Beschäf­tig­ten, die von Covid-Erkran­kun­gen betrof­fen sind, mit zuneh­men­dem Alter deutlich ansteigt.

Das gilt sowohl für Akut- als auch für Post-Covid-Erkran­kun­gen. Während unter 30-jährige Beschäf­tigte im Mittel 7,2 Tage aufgrund einer akuten und 16,7 Tage aufgrund einer Post-Covid-Erkran­kung arbeits­un­fä­hig geschrie­ben wurden, fielen Berufs­tä­tige ab 60 durch­schnitt­lich 11,8 Tage bzw. 45,1 Tage aus.

Über alle Beschäf­tig­ten hinweg waren bei akuten Covid-Erkran­kun­gen durch­schnitt­lich neun Ausfall­tage zu verzeich­nen, bei Post-Covid-Erkran­kun­gen durch­schnitt­lich 30 Tage.

Kinder­be­treu­ung und ‑erzie­hung mit am stärks­ten betrof­fen

Wie bereits frühere Auswer­tun­gen des WIdO zeigt auch die aktuelle Analyse, dass es bei Berufen in der Kinder­be­treu­ung und ‑erzie­hung im bishe­ri­gen Verlauf der Pande­mie die meisten akuten Covid-Erkran­kun­gen gab (32.240 Erkrankte je 100.000 Beschäf­tigte).

Bei Post-Covid-Erkran­kun­gen liegen sie mit 1.377 Erkrank­ten je 100.000 Beschäf­tigte auf dem zweiten Platz hinter den Beschäf­tig­ten in der Ergothe­ra­pie mit 1.578 Erkrank­ten je 100.000 Beschäf­tigte.

Beson­ders viele Arbeits­aus­fälle wegen akuter Covid-Diagno­sen gab es zudem in Berufen der

  • Sozial­ver­wal­tung und ‑versi­che­rung (31.152 Erkrankte je 100.000 Beschäf­tigte)
  • der pharma­zeu­tisch-techni­schen Assis­tenz (30.886 Erkrankte je 100.000 Beschäf­tigte)
  • unter Medizi­ni­schen Fachan­ge­stell­ten (30.454 Erkrankte je 100.000 Beschäf­tigte).

„Es fällt auf, dass die Berufs­grup­pen, die am stärks­ten von akuten Covid-Erkran­kun­gen betrof­fen waren, in der Folge nicht unbedingt die meisten Post-Covid-Ausfälle zu verzeich­nen hatten“, so Schrö­der. „Diese Auffäl­lig­keit ist vermut­lich durch Unter­schiede zwischen den Berufs­grup­pen hinsicht­lich Alters­ver­tei­lung, Geschlechts­ver­tei­lung und Vorer­kran­kun­gen zu erklä­ren.“

Höchs­ter allge­mei­ner Kranken­stand im Jahr 2022 seit 1991

Mit 6,7 Prozent hat der allge­meine Kranken­stand im Jahr 2022 den höchs­ten Stand seit Beginn der gesamt­deut­schen Analyse von Daten AOK-versi­cher­ter Beschäf­tig­ter erreicht. Treiber dieser Entwick­lung waren vor allem Atemwegs­er­kran­kun­gen: Während im Jahr 2021 20,6 Prozent (n = 3.004.264) aller versi­cher­ten Beschäf­tig­ten aufgrund von Atemwegs­er­kran­kun­gen arbeits­un­fä­hig waren, so hat sich diese Quote 2022 mit 41,6 Prozent (n = 6.293.757) verdop­pelt.

Hohe Dunkel­zif­fer bei akuten Covid-Erkran­kun­gen

Nur bei knapp der Hälfte aller durch­gän­gig versi­cher­ten Perso­nen mit Post-Covid-Diagnose wurde vorab eine akute Covid-Diagnose dokumen­tiert (n = 38.723).

Daraus kann jedoch nicht geschlos­sen werden, dass bei der anderen Hälfte keine akute Covid-Erkran­kung vorlag. Vielmehr ist zu vermu­ten, dass falsch-negative Testergeb­nisse, symptom­freie bzw. nicht detek­tierte akute Covid-Erkran­kun­gen, Akut-Covid-Erkran­kungs­zei­ten von bis zu drei Tagen Arbeits­un­fä­hig­keit und unter­schied­li­che Dokumen­ta­ti­ons­ge­wohn­hei­ten bei den Leistungs­er­brin­gern zu den vorlie­gen­den Zahlen geführt haben.

Ebenfalls auffäl­lig ist, dass die Arbeits­un­fä­hig­keits­zei­ten der Perso­nen, bei denen vor der Post-Covid-Erkran­kung eine akute Covid-Erkran­kung dokumen­tiert worden war, mit durch­schnitt­lich sechs Wochen (37,2 Tage) erheb­lich länger waren als bei denen ohne vorab dokumen­tierte akute Covid-Erkran­kung (21,4 Tage).

Langzeit­fol­gen von Covid nach wie vor schwer zu bezif­fern

Die Abbil­dung der langfris­ti­gen Folgen von Covid-beding­ten Erkran­kun­gen für die Arbeits­fä­hig­keit wird durch die Vertei­lung des Krank­heits­ge­sche­hens auf viele unter­schied­li­che Abrech­nungs­dia­gno­sen erschwert.

So spricht man beispiels­weise von „Long Covid“, wenn Beschwer­den im Zusam­men­hang mit einer akuten Covid-Erkran­kung länger als 28 Tage andau­ern, ohne dass dies als eigen­stän­dige Abrech­nungs­dia­gnose dokumen­tiert wird.

In den vom WIdO analy­sier­ten Daten betrifft dies 2 Prozent (n = 77.017) aller von akuten Covid-Erkran­kun­gen Betrof­fe­nen. Eine andere Erschwer­nis ist die Beobach­tung, dass eine akute Covid-Infek­tion unter­schied­li­che Folge­er­kran­kun­gen auslö­sen kann. So ist zum Beispiel das „Chroni­sche Fatiguesyndrom/Myalgische Enzepha­lo­pa­thie“ mit 21.399 Betrof­fe­nen und durch­schnitt­lich 32,4 beruf­li­chen Fehlta­gen pro Erkran­kungs­fall zwischen März 2020 und Dezem­ber 2022 in der Auswer­tung berück­sich­tigt worden.

Hinzu kommen organ­spe­zi­fi­sche Erkran­kun­gen sowie unter­schied­li­che psycho­so­ma­ti­sche und psych­ia­tri­sche Beschwer­den, in denen sich Covid-Spätfol­gen äußern können. Legt man des Weite­ren die Fallde­fi­ni­tion der WHO zugrunde, die unter dem Begriff „Post-Covid Condi­tion“ die Symptome Luftnot, Fatigue und kogni­tive Störun­gen als wesent­lich für die Erkran­kung nennt, erschwert das eine realis­ti­sche Abbil­dung des Erkran­kungs­ge­sche­hens auf Basis von Routi­ne­da­ten abermals.

In den Abrech­nungs­da­ten, die dem WIdO vorlie­gen, kann es zudem zu einer Unter­er­fas­sung sowohl von akuten Infek­tio­nen als auch von Post-Covid-Erkran­kun­gen kommen, da akute Covid-Infek­tio­nen auch unspe­zi­fisch als Atemwegs­in­fekte dokumen­tiert sein können.

Auch Post-Covid-Erkran­kun­gen lassen sich über eine Vielzahl von Sympto­men codie­ren – zum Beispiel Fatigue (ICDs: G93, F43, F48), Dyspnoe (ICDs: R06, J96, F45) oder kogni­tive Störun­gen (ICDs: F06, F07).

Quelle: AOK