Nebenwirkung
Herr T. (38) – wegen Impfne­ben­wir­kung jetzt wieder Single Bild: Privat

Herr T. war sport­lich: spielte früher Football, ging regel­mä­ßig ins Fitness­stu­dio und tanzte sehr gerne Salsa. Jetzt raubt ihm jede Bewegung zuneh­mend Energie. Für jede Aktivi­tät, die er plant, muss er für sich viel Ruhezeit einpla­nen – manch­mal mehrere Tage. „Wenn ich am Wochen­ende etwas in meiner Freizeit unter­neh­men will, muss ich mir gut überle­gen, ob ich meine Eltern besuche oder doch etwas mit meinen Freun­den mache „, erklärt der 38-Jährige. Für beides hat er heute keine Kraft mehr. Selbst Marme­la­den­glä­ser bekommt er wegen seiner Muskel­schwä­che nicht mehr auf. Er vermu­tet, sein jetzi­ger Zustand wurde durch eine Corona-Schutz­imp­fung mit Astra­Ze­neca hervor­ge­ru­fen.

„Ich bin völlig ohne Ängste zum Impfter­min gegan­gen“

Am 12. März 2021 ging er in ein Testzen­trum, um sich gegen das Corona­vi­rus impfen zu lassen. Als Kinder- und Jugend­psy­cho­the­ra­peut war er in der Gruppe II der Perso­nen, die sich schon frühzei­tig impfen lassen konnten. Astra­Ze­neca wurde damals in Deutsch­land noch unein­ge­schränkt empfoh­len, drei Tage nach seiner Impfung war das schon nicht mehr so. Von einer Impfung mit Asztra­Ze­neca überzeugt, habe ihn ein Brief der Kassen­ärzt­li­chen Verei­ni­gung, in denen die vielen Vorteile der Impfung aufge­führt waren. „Ich habe wirklich darauf vertraut, was die mir gesagt haben. Deshalb bin ich auch völlig ohne Ängste zum Impfter­min gegan­gen“, sagte Herr T.

„Auf dem Weg ins Testzen­trum habe ich auf meinem Handy die Nachricht gelesen, dass Astra­Ze­neca nun nicht mehr in Schwe­den verimpft wird. Das hat mich schon etwas stutzig gemacht, aber sonder­lich besorgt war ich nicht“, so Herr T. weiter. Vor Ort im Testzen­trum bekam er die routi­ne­mä­ßige Aufklä­rung durch eine anwesende Impfärz­tin. T. litt damals schon an anhal­ten­den idiopa­thi­schen Gesichts­schmer­zen, die nach einer Wurzel­ka­nal­be­hand­lung aufge­tre­ten sind. Bei der Impfärz­tin erkun­digt er sich, ob diese Vorer­kran­kung in irgend­ei­ner Weise unver­träg­lich mit dem Corona-Impfstoff sein könnten.

Denn trotz dieser Vorer­kran­kung, die auch mit Schmer­zen einher­geht, war er kernge­sund und top fit. „Die Ärztin sagte zu mir, dass die Impfung mit allem verträg­lich sei und es keine Probleme gebe. Ich würde sie am liebs­ten persön­lich verkla­gen. Natür­lich habe ich die Neben­wir­kun­gen, die bekannt waren, in Kauf genom­men. Aber hätte diese Ärztin in Bezug auf meine Vorer­kran­kung ein bisschen gezwei­felt, dann hätte ich es nicht gemacht“, sagte Herr T.

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Herr T. (38) war sport­lich und ging gerne ins Fitness­stu­dio Bild: Privat

Schlei­chende Neben­wir­kun­gen

Die ersten zwei Tage nach der Impfung ging es Herr T. noch gut, wie er sagte. Dann bemerkte er leich­tes Kribbeln in den Händen und Schmer­zen. Über Wochen hinweg hat sich das ausge­brei­tet, bis er auch in anderen Glied­ma­ßen ein Kribbeln und Schmer­zen verspürt hat. Die Ärztin­nen und Ärzte, die ihn in dieser Zeit unter­such­ten, sagten ihm jedoch stets, er solle noch abwar­ten. „Für die waren das normale Neben­wir­kun­gen nach der Impfung, die haben das überhaupt nicht ernst genom­men“, so T. Das ging bis zu dem Punkt, an dem er eines Tages aufwachte und im ganzen Körper ein Kribbeln und Schmer­zen verspürte. „Ich hatte in dem Moment eine Panik­at­ta­cke. Ich hab mir die verschie­dens­ten Szena­rien ausge­malt. Was, wenn sich dieses Taubheits­ge­fühl weiter ausbrei­tet und ich mich nicht mehr bewegen kann“, erinnert er sich.

Am 25. Oktober – sieben Monate nach der Impfung – kam er dann zur vollsta­tio­nä­ren Behand­lung in die Unikli­nik Freiburg. Hier blieb er fünf Wochen lang für eine multi­mo­dale Schmerz­the­ra­pie. Die Diagnose der Ärzte und Ärztin­nen dort: Multio­ku­lä­rer Ganzkör­per­schmerz (Arme, Hände, Beine, Füße, Gelenke, Musku­la­tur), aufge­tre­ten nach Covid-Impfung. Das ist damit die einzige Diagnose, die er bekam, die einen zeitli­chen Zusam­men­hang seiner körper­li­chen Leiden mit der Corona-Impfung dokumen­tierte. Andere Ärzte lehnten solch einen Zusam­men­hang ab, wie Herr T. sagt.

Ledig­lich ein Radio­loge erzählte ihm, dass er viele Patien­tin­nen und Patien­ten habe, die über ähnli­che Symptome nach einer Corona-Impfung klagen wie er. Die Liste der Symptome, die Herr T. bei sich feststellt, ist dabei sehr lang: Neben den Ganzkör­per­schmer­zen und dem Kribbeln klagt er über muskel­ka­ter­ar­tige Schmer­zen nach alltäg­li­chen Muskel­be­las­tun­gen, über generelle Muskel­schwä­che, Tinni­tus, Erschöpft­heit und über starke Konzen­tra­ti­ons­schwä­chen verbun­den mit einge­schränk­ter Merkfä­hig­keit, um nur einige Symptome zu nennen.

Ständige Recht­fer­ti­gung

Nicht nur einige Ärztin­nen und Ärzte waren skeptisch. Auch in seinem sozia­len Umfeld muss er sich immer wieder recht­fer­ti­gen. „Das war wirklich das aller schlimmste an der ganzen Situa­tion: dass einem einfach keiner glaubt. Alle sagten, das sind doch nur Neben­wir­kun­gen, die gehen schon wieder weg. Aber dass es einem richtig schlecht geht, dass man Schmer­zen hat und dass das vermut­lich von der Impfung kommt, das hat einem einfach keiner geglaubt.“ Das ging sogar so weit, dass seine damalige Freun­din mit ihm Schluss machte. „Sie hat es einfach nicht ausge­hal­ten, dass es mir körper­lich so schlecht ging.“ Neben den körper­li­chen Proble­men kamen so auch psychi­sche Belas­tun­gen hinzu. Rückhalt fand er vor allem in der Familie und im Inter­net.

In einem Forum trifft er auf Menschen, denen es ähnlich geht wie ihm. „Das hat mir schon extrem gehol­fen. Ich wusste dann: ich bin nicht verrückt, ich bin auch nicht alleine und die ganzen Neben­wir­kun­gen kommen auch nicht nur durch meine Ängste. Das hat mir dann auch die Sicher­heit gegeben zu sagen, dass das doch von der Impfung kommt, auch wenn es nicht zu 100 Prozent bestä­tigt ist“. In dem Forum berich­ten viele Perso­nen, die ähnli­che Symptome haben wie Herr T. Einige hätten auch immer wieder Medien angeschrie­ben, mit der Hoffnung, endlich Gehör zu finden.

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Herr T. (38), links im Bild, bei seinem liebs­ten Hobby: Ameri­can Football Bild: Privat

Mittler­weile häufen sich die Medien­be­richte über Menschen, die nach einer Corona-Impfung mit schwe­ren gesund­heit­li­chen Beein­träch­ti­gun­gen zu kämpfen haben. Auch der MDR berich­tete über Betrof­fene, die sich von der Politik und den Behör­den allein gelas­sen fühlen. Das Paul-Ehrlich-Insti­tut, das in Deutsch­land für die Erfas­sung sämtli­cher Neben­wir­kun­gen der Corona-Schutz­imp­fun­gen zustän­dig ist, beruft sich in seinem Sicher­heits­be­richt auf Zahlen des Robert-Koch-Insti­tuts, wonach bis zum 30.12.2021 148.760.720 Impfun­gen durch­ge­führt wurden. Insge­samt wurden 244.576 Verdachts­fälle von Neben­wir­kun­gen gemel­det, was einer Melde­rate von 1,64 Meldun­gen pro 1.000 Impfdo­sen entspricht.

Prof. Dr. Harald Matthes, Leiter einer Studie der Charité, die sich auch mit der Häufig­keit von Neben­wir­kun­gen nach einer Corona-Impfung ausein­an­der­ge­setzt hat, zweifelt nun an den Zahlen des Robert-Koch-Insti­tuts. Matthes geht beim PEI von einer Unter­fas­sung der Neben­wir­kun­gen von mindes­tens 70 Prozent aus. Das habe verschie­dene Gründe, wie Matthes in einem Inter­view mit dem Focus erklärt. Mitun­ter liege das daran, dass die Mehrar­beit für Ärztin­nen und Ärzte bei der Meldung von Neben­wir­kun­gen an das PEI relativ groß sei, weshalb auch nicht so ausführ­lich gemel­det werden würde, wie eigent­lich gewünscht.

Hinder­nis Bürokra­tie

Betrof­fene sollten also am besten auch selbst aktiv werden. Auch sie können ihre Neben­wir­kun­gen zusätz­lich beim PEI oder den Herstel­lern melden. Zudem gibt es die Möglich­keit, sich Impfschä­den bei den zustän­di­gen Versor­gungs­äm­tern anerken­nen zu lassen. Eine Arbeit, die angesichts erheb­li­cher gesund­heit­li­cher Einschrän­kun­gen für viele aber kaum zu bewäl­ti­gen ist. Deshalb suchte Herr T. sich Hilfe durch einen Anwalt. Joachim Cäsar-Preller vertritt viele Mandan­tin­nen und Mandan­ten mit Impfne­ben­wir­kun­gen.

Für ihn sind die Möglich­kei­ten, die der Staat Betrof­fe­nen gibt, um finan­zi­elle Ansprü­che geltend zu machen, mehr als unzurei­chend. Im Gespräch mit der Rechts­de­pe­sche sagte er, dass die Bundes­re­gie­rung seiner Meinung nach besser über die Impfne­ben­wir­kun­gen hätte aufklä­ren und für Betrof­fene auch auskömm­li­che Entschä­di­gun­gen ohne bürokra­ti­schen Aufwand bereit­stel­len sollen. „Diese Leute sind richtig todkrank und die sollen dann noch die ganze Bürokra­tie durch­ma­chen? Das ist absolut unfair und unmora­lisch“, so Cäsar-Preller weiter.

Auch für Herrn T. sind finan­zi­elle Entschä­di­gun­gen wichtig. „Alles, was an Geld reinkommt, hilft mir sehr. Ich habe durch meinen gesund­heit­li­chen Zustand schon immense finan­zi­elle Einbu­ßen, einfach weil ich nicht mehr so arbei­ten kann wie früher“, sagte er. Er sei nun viel schnel­ler erschöpft und auch seine Konzen­tra­ti­ons­schwä­chen machen ihm seine Arbeit als Kinder- und Jugend­li­chen­psy­cho­the­ra­peut enorm schwer. „Ich habe jetzt nur noch vier Patien­ten pro Tag und arbeite auch nur noch vier Tage in der Woche. Auch während der Arbeits­zeit muss ich mir viele Pausen nehmen.“

Laut dem Infek­ti­ons­schutz­ge­setz leidet der- oder dieje­nige unter einem Impfscha­den, der oder die eine „gesund­heit­li­che und wirtschaft­li­che Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfre­ak­tion hinaus­ge­hen­den gesund­heit­li­chen Schädi­gung durch die Schutz­imp­fung“ erlit­ten hat. Einen solchen Impfscha­den über die Versor­gungs­äm­ter anerken­nen zu lassen ist aller­dings sehr schwie­rig. Nur wenige Anträge wurden bis jetzt in Deutsch­land geneh­migt.

Nach Beratung mit seinem Anwalt war es für Herrn T. deshalb keine Option, sich mit einem lästi­gen Antrags­ver­fah­ren an die zustän­di­gen Versor­gungs­äm­ter zu wenden. „Ich habe im vergan­ge­nen Jahr jetzt so viel um die Ohren gehabt, mein Leben überhaupt irgend­wie auf die Kette zu bekom­men, dass ich das nicht auch noch geschafft hätte“, erklärt er. Zusam­men mit Anwalt Cäsar-Preller versu­chen sie nun zunächst eine außer­ge­richt­li­che Einigung zu finden. Sollte das nicht klappen, hält er sich die Option offen, gegen den Herstel­ler zu klagen. Die finan­zi­elle Entschä­di­gung, die er sich dadurch erhofft, sei aller­dings nur ein Punkt, warum er diesen Schritt gehen möchte.

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Herr T. (38) will kämpfen Bild: Privat

„Für mich zu kämpfen, ist mir wichtig“

Für ihn bedeu­tet das auch, sich nicht aufzu­ge­ben und sich wehrhaft zu zeigen. „Das fühlt sich ja wie eine Nieder­lage an. Die Impfung geht schief und niemand fühlt sich dafür verant­wort­lich. Es wird sogar noch gesagt, man selbst sei für die Neben­wir­kun­gen verant­wort­lich, weil man psychi­sche Probleme habe. Und da für mich zu kämpfen und mich aufzu­bäu­men ist für mich wichtig“, erklärte Herr T.

Sein gesam­tes Leben musste er an seine gesund­heit­li­che Situa­tion anpas­sen. Das ist ein Prozess der auch heute noch nicht abgeschlos­sen ist. Nach wie vor, versucht er verschie­denste Thera­pien. Neben einer Behand­lung in der Schmerz­the­ra­pie, leich­tem Yoga und anderen Thera­pien, versucht er auch Hypno­se­the­ra­pie – immer mit dem Ziel, das Leiden zu lindern. Doch viel tut sich an seinem körper­li­chen Zustand nicht. „Meine Psyche ist momen­tan das einzige, an dem ich noch arbei­ten kann. Medizi­nisch und ärztlich, lässt sich ja nichts finden“, sagte T.

Im Nachhin­ein wünscht er sich, dass mit seiner Impfung einiges anders gelau­fen wäre. Das finge schon bei der eigent­li­chen Aufklä­rung an. Auch eine zentrale Anlauf­stelle für Betrof­fene, wäre eine große Hilfe gewesen. Denn bei den zahlrei­chen Corona-Zentren für Infizierte, konnte man ihm nicht helfen. „Hat man vermeint­li­che Neben­wir­kun­gen nach einer Corona-Impfung wird einem dort nicht gehol­fen. Es gibt einfach überhaupt keine Anlauf­stelle. Man weiß ja, dass bei Impfun­gen auch zwang­läu­fig Neben­wir­kun­gen auftre­ten werden“, sagte T.

Mittler­weile hat die Unikli­nik Marburg die erste Anlauf­stelle in Deutsch­land für Patien­tin­nen und Patien­ten mit Neben­wir­kun­gen nach einer Corona-Impfung einge­rich­tet. Bei der Spezi­al­am­bu­lanz stehen mittler­weile viele hunderte Perso­nen auf der Warte­liste.