Gewalt in der Pflege: (K)ein großes Thema!?
In der Pflege sehen sich sowohl Pflegekräfte als auch Pflegebedürftige manchmal aggressivem oder gewalttätigem Verhalten ausgesetzt. Nach den Ursachen muss man nicht lange suchen. Die hohe Arbeitsbelastung und die ständige Konfrontation mit Problemen aufseiten des Pflegepersonals, sowie Vereinsamung oder Krankheiten wie Demenz aufseiten der Pflegebedürftigen sorgen nicht selten für einen Verlust der Selbstbeherrschung.
Die Notwendigkeit der Pflege von älteren Menschen ist unabdingbar – sie sorgt aber auch stets für Spannungen zwischen den Akteuren. Einer Studie der Stiftung ZQP aus dem Jahr 2018 zufolge haben etwa 40 Prozent der häuslich Pflegenden bereits einmal gewaltsam gegenüber der zu pflegenden Person agiert. Ein Drittel der befragten Angehörigen fühlen sich durch die Pflege häufig niedergeschlagen oder verärgert. Mehr als 50 Prozent gaben an, den Eindruck zu haben, dass ihre Pflege nicht wertgeschätzt wird.
Andersherum hat etwa die Hälfte der befragten Angehörigen bereits Gewalt durch die pflegebedürftige Person erfahren müssen. Dabei komme es deutlich häufiger zu psychischer beziehungsweise verbaler Gewalt als zu körperlichen Übergriffen. Speziell pflegende Angehörige von demenzerkrankten Personen sind hiervon häufiger betroffen.
Gewalt gegen Pflegekräfte gilt vielerorts immer noch als Tabuthema, viele Pflegekräfte sprechen nicht offen darüber. Dies sorgt bei den Betroffenen jedoch nur für zusätzliche Belastung – bis hin zu Depressionen oder Burnouts. Pflegekräfte wissen häufig auch nicht, ob und wie sie sich der Aggression durch Pflegebedürftige entgegenstellen sollten. Umso wichtiger ist eine Enttabuisierung des Themas und entsprechende Aufklärungsarbeit.
Diese Formen von Gewalt gibt es in der Pflege
- Psychische, verbale Gewalt, zum Beispiel lautes Schreien, Beleidigungen oder Drohungen
- Physische, körperliche Gewalt: Schlagen, grobes Anfassen, Schubsen/Rempeln
- Auch gegen den Willen eines Patienten angewandte, nicht genehmigte freiheitsentziehende Maßnahmen sind als gewalttätig zu bewerten
Programm für Pflegende zum Umgang mit Gewalt
Um gegen zukünftige Gewaltausbrüche besser gewappnet zu sein, nahmen einige Pflegekräfte aus dem Osnabrücker Raum kürzlich an einem extra dafür geschaffenen Trainingsprogramm teil.
Dass Pflegekräfte mit ihrer Arbeit alten oder kranken Pflegebedürftigen eigentlich helfen wollen, im Gegenzug häufig jedoch psychischer oder körperlicher Brutalität ausgesetzt sind, stelle einen großen Widerspruch dar, so Dipl.-Pflegepädagoge Ansgar Rotert, Initiator des Programms.
Ein erster Schritt, damit besser umgehen zu können sei, diesen Umstand als gegeben zu akzeptieren. Nur so sei es möglich, künftig eine bewusste und kompetetene Verhaltensweise in Gewaltsituationen an den Tag zu legen.
Polizistin trainiert Pflegekräfte
Begleitet wurde der Kurs von Poilzistin Stefanie Nicolaus, die bei der nordrhein-westfälischen Polizei als Verhaltenstrainerin tätig ist. Nebenbei arbeitet sie nicht zum ersten Mal als Gewaltdeeskalations-Trainerin mit Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zusammen.
Es gehe ihr darum, den Aufgabenbereich der Pflege durch zusätzliche Kompetenzen der Eigensicherung zu ergänzen, so Nicolaus. Hierfür gebe es unterschiedliche Strategien und Konzepte. An oberster Stelle stehe die Gesundheit der Pflegekraft.
Die teilnehmenden Pflegekräfte zeigten sich von der Durchführung dieser Kurse jedenfalls überzeugt. Man müsse jedoch immer im Hinterkopf behalten, dass der gegenseitige Respekt zwischen Pflegekraft und der zu pflegenden Person über allem stehe.