Pflegeroboter
Prof. Dr. Ana Nanette Tibubos (links) im Skill­s­Lab der Univer­si­tät Trier. Hier sollen die Studie­ren­den den Umgang mit Pflege­ro­bo­ter Pepper kennen­ler­nen. Bild: Univer­si­tät Trier

Da, wo man sie braucht

Sie sollen Medika­mente vertei­len, Fahrstuhl fahren, enter­tai­nen, mental und körper­lich fit halten, vor Einsam­keit schüt­zen, patrouil­lie­ren, Getränke einschen­ken, körper­li­che Arbeit verrich­ten und zukünf­tig auch medizi­ni­sche Unter­su­chun­gen vorneh­men. Die Rede ist von Pflege­ro­bo­tern.

In die Helfer aus Kunst­stoff und Stahl wird viel Hoffnung gesetzt. Oft schon reflex­ar­tig wird auf den Pflege­not­stand verwie­sen, wenn es darum geht, den Einsatz von Robotern im Gesund­heits­we­sen zu recht­fer­ti­gen. Das ist aus zwei Gründen proble­ma­tisch, findet der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik­fol­gen­ab­schät­zung des Bundes­tags.

Zum einen, weil der Pflege­not­stand damit als techno­lo­gi­sches Problem abgestem­pelt wird, was Roboter alter­na­tiv­los erschei­nen lässt und damit andere Lösungs­an­sätze wie Migra­tion und Sozial­po­li­tik ausblen­det. Und zum anderen, weil dadurch eine Vision dieser Roboter geschaf­fen wird, bei der in vielen Bereich noch unklar ist, wie der konkrete Einsatz überhaupt ausse­hen kann.

Ähnlich sieht das auch der Deutsche Ethik­rat: Nicht die Bewäl­ti­gung des Perso­nal­man­gels sollte beim Einsatz von Pflege­ro­bo­tern im Vorder­grund stehen, „sondern die Möglich­keit eine ‚gute Pflege‘ zu fördern“. Dazu gehört die Aufrecht­erhal­tung, Wieder­her­stel­lung und Förde­rung körper­li­cher und geisti­ger Funktio­nen sowie zwischen­mensch­li­cher Bezie­hun­gen.

Akzep­tanz als Schlüs­sel zum Erfolg

Zukunfts­mu­sik, die gesell­schaft­li­che Fragen aufwirft. Wie lassen sich Roboter in den Pflege­all­tag integrie­ren und was kann und will die Gesell­schaft Pflege­be­dürf­ti­gen zumuten?

Für den Deutschen Ethik­rat überwie­gen trotz funda­men­ta­ler Wertfra­gen die positi­ven Seiten der Robotik. Sie könnte die Lebens­qua­li­tät der Pflege­be­dürf­ti­gen verbes­sern und eine Hilfe bei alltäg­li­chen Aufga­ben sein.

Ob Pflege­ro­bo­ter aber überhaupt zum Einsatz kommen dürfen, hängt maßgeb­lich davon ab, ob alle Betei­lig­ten mit ihnen einver­stan­den sind. Risiken sieht der Ethik­rat hier vor allem bei Ängsten des Pflege­per­so­nals, den techni­schen Anfor­de­run­gen nicht gewach­sen zu sein.

Ängsten, denen Entwick­ler von Pflege­ro­bo­tern begeg­nen müssen. Ana Nanette Tibubos, Profes­so­rin an der Univer­si­tät Trier, forscht gemein­sam mit Anna-Sophie Ulfert-Blank, Assis­tenz­po­fes­so­rin an der Univer­si­tät Eindho­ven, genau zu diesem Thema. „Wir wollen heraus­fin­den, welche Emotio­nen bei den Pflege­kräf­ten generiert werden, wenn sie an bestimmte Situa­tio­nen mit Robotern an ihrem Arbeits­platz denken. Langfris­tig möchten wir so unter­su­chen, wo Ängste vorlie­gen, welche Vorbe­halte es gibt und wie man Vertrauen zu solchen Syste­men aufbauen kann“, erklärt Tibubos der Rechts­de­pe­sche.

In dem Forschungs­pro­jekt befra­gen die Forsche­rin­nen Pflege­per­so­nal aus vier Ländern, die in unter­schied­li­chen Berei­chen der Pflege arbei­ten. Die Befrag­ten sollen hierbei unter anderem spezi­fi­sche Szena­rien schil­dern, in denen sie sich eine Zusam­men­ar­beit mit Pflege­ro­bo­tern vorstel­len können.

In ihrer Studie konzen­trie­ren sich Tibubos und ihre Kolle­gin spezi­ell auf die Akzep­tanz von humano­iden Robotern in der Pflege. „Wir haben festge­stellt, dass die meisten Pflege­kräfte noch gar nicht mit humano­iden Robotern gearbei­tet haben. Manche haben eine theore­ti­sche Vorstel­lung von diesen Robotern oder haben sie schon in den Medien gesehen, aber in ihren Einrich­tun­gen gibt es die noch nicht. Solche humano­iden Roboter sind aktuell ohnehin nur verein­zelt in Pilot­pro­jek­ten zu finden“, sagt Tibubos.

Humano­ide Roboter seien aber auch aus einem anderen Grund beson­ders spannend für die Forschung. In ihrem Erschei­nungs­bild ähneln sie dem Menschen und können so auch über Mimik und Gestik kommu­ni­zie­ren. Dadurch könnten starke Emotio­nen bei den Menschen ausge­löst werden – negative wie positive, erklärt Tibubos.

Ihre Ergeb­nisse wollen die Forsche­rin­nen für die Entwick­lung von humano­iden Pflege­ro­bo­tern bereit­stel­len, damit diese später bestmög­lich akzep­tiert werden. So könnte dafür gesorgt werden, dass die Roboter eben keine negati­ven, sondern eher positive Emotio­nen bei den Menschen auslö­sen.

Was Pflege­ro­bo­ter schon können

Aktuell werden viele verschie­dene Modelle von Pflege­ro­bo­tern entwi­ckelt, die unter­schied­li­che Aufga­ben­be­rei­che abdecken können. Sich einen Überblick über die Formen und Funktio­nen der einzel­nen Roboter zu verschaf­fen, ist deshalb gar nicht so leicht.

Am einfachs­ten können Pflege­ro­bo­ter anhand ihrer Einsatz­ge­biete unter­teilt werden: Hier kann zwischen Assistenz‑, Monito­ring- und Compa­n­ion-Robotern unter­schie­den werden[1].

Assis­tenz-Roboter

Assis­tenz-Roboter sind darauf ausge­rich­tet Pflegende und Gepflegte bei alltäg­li­chen Aufga­ben zu unter­stüt­zen. So können sie bei der Nahrungs­auf­nahme oder der Körper­hy­giene helfen. Auch Trans­port-Roboter zählen hierzu, die sich eigen­stän­dig bewegen und beispiels­weise Medika­mente bereit­stel­len oder Wäsche trans­por­tie­ren können. Daneben sind auch roboti­sche Hebehil­fen denkbar oder Mobili­täts­as­sis­ten­ten wie roboti­sche Gehhil­fen oder Exoske­lette.

Monito­ring-Roboter

Monito­ring-Roboter sollen das Lebens­um­feld der Gepfleg­ten überwa­chen. Dazu gehört unter anderem die medizi­ni­sche Überwa­chung von Körper­funk­tio­nen. Auch ist denkbar, dass Roboter mit Monito­ring-Fähig­kei­ten Menschen an Termine, Medika­men­ten­ein­nahme oder Flüssig­keits­auf­nahme erinnern können.

Compa­n­ion-Roboter

Compa­n­ion-Roboter beglei­ten die Gepfleg­ten in ihrem Alltag, fördern soziale Inter­ak­tio­nen und kümmern sich um emotio­nale Bedürf­nisse. So sollen die Roboter dazu Beitra­gen die Stimmung der Menschen zu verbes­sern, Stress abzubauen und Einsam­keits­ge­fühle zu reduzie­ren.

Roboter, die in ihrem Erschei­nungs­bild menschen­ähn­lich sind, werden ferner als humanoid bezeich­net. Auch von ihnen werden aktuell schon einige getes­tet. So zum Beispiel Pepper, ein humano­ider Compa­n­ion-Roboter aus Japan, der auch bei Prof. Dr. Tibubos an der Univer­si­tät Trier zu Übungs­zwe­cken für Studie­rende im Einsatz ist.

Pepper ist groß wie ein Kind, verfügt über ein primi­ti­ves Sprach­ver­ständ­nis und kann über Mimik, Gestik und Körper­hal­tung mit Menschen kommu­ni­zie­ren. So soll er auch Gefühle erken­nen und auf sie reagie­ren können.

In erster Linie kann Pepper vorle­sen, Witze machen und Tanzen. In diesem Sinne ist er also mehr Enter­tai­ner als Pflege­ro­bo­ter und soll so gegen Einsam­keit helfen. In der Anwen­dung kommt es aktuell aber noch immer wieder zu Fehlern, sagt Tibubos.

„Roboter werden in der Regel nicht als Gefahr gesehen“

Vielleicht sind es auch die mangeln­den Fähig­kei­ten der Pflege­ro­bo­ter, die dafür sorgen, dass sich die Vorbe­halte bei den Pflege­kräf­ten noch in Grenzen halten. „Aktuell sehen wir, dass die Roboter von den Pflege­kräf­ten eher als techni­sche Assis­tenz­sys­teme wahrge­nom­men werden, die bei Routine-Aufga­ben helfen können. Das heißt die Roboter werden in der Regel nicht als Gefahr gesehen“, so Tibubos.

Wie sich die Einstel­lung der Pflege­kräfte gegen­über der Roboter verän­dert, wenn diese über mehr Fähig­kei­ten verfü­gen, bleibt abzuwar­ten. Doch auch hier kann Tibubos Entwar­nung geben: „Wir können nicht erken­nen, dass Pflege­kräfte irgend­wann mal durch Roboter ersetzt werden könnten. Da gibt es ja gerade in anderen Branchen häufig Verlust­ängste – in der Pflege ist das aber nicht so. Hier geht es vor allem um zwischen­mensch­li­che Aufga­ben, die nicht so leicht von Robotern übernom­men werden können“.

So könnten die Roboter zum Beispiel Objekte von A nach B tragen oder bei der Reini­gung und Desin­fek­tion helfen. „Im statio­nä­ren Bereich werden an einem Tag bis zu 18.000 Schritte gemacht. Und selbst, wenn man nur 10–20 Prozent einspa­ren könnte, durch den Einsatz von Robotern, wäre das schon eine große Erleich­te­rung“, schätzt die Tibubos die Vorteile ein.

Auch wenn beispiels­weise von Patien­ten eine Infek­ti­ons­ge­fahr ausgeht, könnten Roboter einge­setzt werden, um Nahrung zu bringen. So würde die Sicher­heit für alle Betei­lig­ten erhöht werden.

Dass Roboter selbst­stän­dig medizi­ni­sche Unter­su­chun­gen vorneh­men, wird laut Tibubos nicht in naher Zukunft statt­fin­den. Durch­aus sei aber denkbar, dass die Vorbe­rei­tung von Unter­su­chun­gen von Robotern übernom­men wird. Diese könnten künftig beispiels­weise den Anamne­se­bo­gen für die Patien­ten bereit­hal­ten und ein kurzes Gespräch führen.

Pflegeroboter
Der Pflege­ro­bo­ter Pepper soll gegen Einsam­keit helfen. Bild: Univer­si­tät Trier

Möglichst niedlich sollten sie sein

Egal, wie am Ende die Aufga­ben der Roboter konkret ausse­hen, das Wichtigste ist, dass die Technik einwand­frei funktio­niert. So könne am besten die Akzep­tanz von Pflege­ro­bo­tern gestei­gert werden, erklärt Tibubos: „Wenn man schon augen­schein­lich erkennt, dass der Roboter immer wieder hakt, dann wird man da schon Beden­ken haben, im Hinblick auf die Zuver­läs­sig­keit der Infor­ma­tio­nen und der Tätig­keit. Das schadet natür­lich dem Vertrauen oder führt verständ­li­cher­weise zu Unbeha­gen und negati­ven Emotio­nen“.

Wichtig sei in diesem Zusam­men­hang, dass sich die Pflege­kräfte auf die Roboter verlas­sen können. Andern­falls könnte sonst Ärger entste­hen. Neben der Funkti­ons­fä­hig­keit sei auch die Benut­zer­freund­lich­keit und das Design der Roboter entschei­dend.

„Beim Roboter Pepper können wir ganz gut sehen, dass es förder­lich ist, wenn das Gesicht niedlich wirkt, es also nicht zu beängs­ti­gend ist. Häufig werden hier auch kindli­che Schemata angewen­det, um die Akzep­tanz zu steigern“, so Tibubos.

Überneh­men intel­li­gente humano­ide Roboter bald die Pflege?

Das Anwen­dungs­feld der Pflege stellt die Entwick­lung von einsatz­fä­hi­gen Robotern vor einige Heraus­for­de­run­gen. So werden an die techni­schen Helfer höchste Sicher­heits­an­for­de­run­gen gestellt, weil sie es bei Patien­tin­nen und Patien­ten mit einem verletz­li­chen Perso­nen­kreis zu tun haben.

Das wirkt sich entspre­chend auf den Entwick­lungs­zeit­raum der Roboter aus und hat zur Folge, dass aktuell nur eine handvoll von ihnen Markt­reife erlangt haben oder in Pilot­pro­jek­ten getes­tet werden.

Hier spielen auch kultu­relle Gründe eine Rolle, weiß Tibubos. Japan ist, was die Entwick­lung von humano­iden Robotern angeht, schon deutlich weiter als Deutsch­land: „Dort ist das Problem des Alterns der Bevöl­ke­rung und der Verein­sa­mung viel dominan­ter als in Deutsch­land. Deshalb haben die Japaner schon früher angefan­gen zu forschen und die ersten kommer­zi­el­len humano­iden Roboter entwi­ckelt. Von daher kann man sagen, dass die Bevöl­ke­rung in Japan mehr Akzep­tanz gegen­über Robotern hat, auch weil die dort kultu­rell besser veran­kert sind. In Deutsch­land sind wir da einfach ein bisschen hinter­her.“

Doch auch die humano­iden Roboter aus Japan haben aktuell noch mit der Komple­xi­tät des Anwen­dungs­fel­des der Pflege zu kämpfen. In diesem Zusam­men­hang führen vor allem auch ökono­mi­sche Entschei­dun­gen dazu, dass momen­tan eher an spezia­li­sier­ten Robotern geforscht wird, die nur einzelne Aufga­ben in einem bestimm­ten Anwen­dungs­be­reich überneh­men können, da ihnen eine schnel­lere Umset­zung und Markt­reife prognos­ti­ziert wird.

Quellen:

  1. Sharkey, A.; Sharkey, N. (2012b): Granny and the robots: ethical issues in robot care for the elderly. In: Ethics and Infor­ma­tione Techno­logy, 14 (1), 27–40.