Es wird damit gerechnet, dass der Anteil der Senioren, die aus anderen und verschiedenen Kulturkreisen kommen, in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern zunehmen wird. Nicht immer verlaufen die pflegerischen Prozesse zwischen ihnen und den Fachkräften reibungslos, mitunter können Kommunikationsschwierigkeiten oder unterschiedliche Erwartungshaltungen zu unbeabsichtigten Missverständnissen führen. Aus diesem Grund rückt der Begriff der sogenannten „kultursensiblen Pflege“ verstärkt in den Vordergrund und gewinnt zunehmend an Bedeutung. Aber was heißt es eigentlich, kultursensibel zu pflegen?
Ein einheitliches „Zauberrezept“ gibt es wohl nicht, allerdings kann es bereits helfen, sich an einigen Handlungsparametern zu orientieren. Laut dem BIVA Pflegeschutzbund heißt „kultursensibel“ pflegen, dass auf kulturelle Besonderheiten, die beispielsweise die Essensgewohnheiten, Religionsausübung und Freizeitaktivitäten betreffen, Rücksicht genommen wird. Nicht immer wird dies erwartet, grundsätzlich sei es aber wichtig, dass überhaupt ein solches Angebot geschaffen wird. Dem Berufs-Ausbildungs-Zentrum Selbelang (BAZ) zufolge bedeutet kultursensible Pflege, auf individuelle Bedürfnisse einzugehen, andere kulturelle Verhaltensweisen zu akzeptieren und sich anderen Denk- und Handlungsweisen generell zu öffnen und sich über diese zu informieren, um richtig damit umgehen zu können.
Oftmals sind aber die Kommunikationsbarrieren das größte Problem, insbesondere wenn die zu Pflegenden demenziell erkrankt sind, denn dann kann das Sprechen in der später erworbenen Sprache zusätzlich Schwierigkeiten bereiten. Daher kann es auch hilfreich sein, zweisprachige Pflegefachkräfte in den Einrichtungen angestellt zu haben.
Wird bereits kultursensibel gepflegt?
Generell ist die Datenlage zur pflegerischen Versorgung ausländischer Senioren lückenhaft. Laut Zahlen des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) kann bis 2030 mit rund 2,8 Millionen Menschen gerechnet werden, die über 65 Jahre alt sind, einen Migrationshintergrund haben und unter Umständen einer pflegerischen Versorgung bedürfen. Historisch ist diese Zahl vor allem auf die Generation der sogenannten „Gastarbeiter“ zurückzuführen, die in den 1950er Jahren infolge des starken Wirtschaftswachstums in Deutschland als Arbeitnehmer angeworben wurden. Stattgefunden haben die Anwerbeabkommen mit verschiedenen Ländern, darunter unter anderem Italien, Griechenland, Spanien, Türkei und Portugal. Viele der Arbeitnehmer aus dem Ausland sind nach dem Anwerbestopp 1973 geblieben, haben ihre Familien nachgeholt und leben nach wie vor – mittlerweile auch in zweiter Generation – in Deutschland.
Das ZQP hat in der Vergangenheit mehrere Studien durchgeführt, die in diesen Themenbereich fallen. So wurde im Rahmen einer Befragung zusammen mit der Charité – Universitätsmedizin aus dem Jahr 2016 unter 211 teilnehmenden ambulanten Pflegediensten in Berlin ermittelt, dass viele ambulante Pflegeanbieter offenbar noch nicht ausreichend darauf vorbereitet sind, kultursensibel zu pflegen. Die befragten Leitungskräfte der Pflegedienste gaben an, dass nur ein Viertel ihrer Mitarbeiter über ausreichende Sprachkenntnisse und Wissen über die Kulturen und Hintergründe verfügt. Grund dafür könnte sein, dass nur 15 % der Pflegedienste Fortbildungen zu diesem Thema anbieten. Umgekehrt scheint auch der Informationsstand der Pflegebedürftigen mit Migrationshintergrund nicht umfassend zu sein. Schließlich gaben in der Umfrage nur ein Drittel der ambulanten Pflegeanbieter an, migrationsspezifische Werbemaßnahmen zu betreiben.
Handreichungen für weitergehende Informationen
Neben dieser Befragung hat das ZQP auch noch weitere Studien durchgeführt, bei denen türkeistämmige Migranten zu ihrem Unterstützungsbedarf, zu ihren Pflegevorstellungen und ihrer Pflegesituation befragt wurden und die Interessierte in vollständiger Länge auf den Seiten des ZQP abrufen können. Einen umfassenden Beitrag zur Geschichte der „Gastarbeiter“ bietet unter anderem planet-wissen des ARD.
Quelle: BIVA, kultursensiblepflege.de