Um den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten, sind bessere Arbeitsbedingungen notwendig. Viele der derzeit beschäftigten Pflegekräfte geben an, unter den aktuellen Arbeitsumständen körperliche Beschwerden, aber vor allem auch Beeinträchtigungen der Psyche davonzutragen. Besonders problematisch gestaltet sich die Situation in der Alten- und Krankenpflege.
Bei einer Umfrage der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) über die Arbeitsbedingungen in der Alten- und Krankenpflege wurden insgesamt 1.000 Pflegekräfte hinsichtlich dieser Beschwerden befragt.
Pflegekräfte häufig psychisch krank
Mehr als 50 Prozent der befragten Pflegekräfte berichten, an drei oder mehr Muskel-Skelett-Beschwerden zu leiden. Zum Vergleich: In anderen Berufen liegt die Zahl der Erkrankten bei „nur“ 33 Prozent.
Noch kritischer ist bei vielen die psychische Situation. Über 60 Prozent der Alten- und Krankenpfleger geben an, von drei oder mehr psychosomatischen Beschwerden betroffen zu sein. In anderen Pflegeberufen leiden lediglich knapp 40 Prozent unter psychischen Beschwerden.
Zahl der Krankmeldungen wegen Psyche steigt
Diese Zahlen schlagen sich auch in der Statistik der Krankmeldungen nieder. Laut des TK-Gesundheitsreports von 2019 lassen sich Pflegekräfte durchschnittlich 4,63 Tage pro Jahr aufgrund von psychischen Beschwerden krankschreiben (463 Tage/100 Versicherungsjahre). Das sind knapp 87 Prozent mehr als in allen anderen Berufen (2,47 Tage/Jahr).
Die Anzahl der Krankheitstage, die durch Muskel-Skelett-Erkrankungen hervorgerufen wurden, beläuft sich derweil auf 4,78 Tage pro Jahr. Auch das sind deutlich mehr als bei anderen Tätigkeiten (2,61 Tage).
Die Zahl dieser Krankmeldungen ist über die letzten Jahre stetig gewachsen, zuletzt verflachte der Anstieg jedoch ein wenig. Während Männer statistisch gesehen häufiger an psychischen Symptomen erkranken, leiden Frauen eher unter der körperlich harten Arbeit. Insgesamt sind Pflegekräfte acht Tage im Jahr mehr krank als der durchschnittliche Arbeitnehmer, wobei am häufigsten die Altenpfleger/-innen betroffen sind.
Beeinträchtigung der Psyche durch Stress und Überforderung
Alten- und Krankenpflegekräfte sind laut BAuA doppelt so häufig mit ihrer Tätigkeit überfordert wie andere Erwerbstätige. Nach Aussagen der Befragten ist der Stress im Pflegeberuf in den letzten Jahren vor der Umfrage (2018) noch einmal angestiegen.
Angesichts der Arbeitsmenge ist dies nicht verwunderlich. Drei Viertel der Krankenpfleger geben an, häufig zu viele Dinge gleichzeitig erledigen zu müssen. Knapp zwei Drittel klagen über einen zu hohen Leistungsdruck und einen zu vollen Terminkalender.
Zudem könnten die Pflegekräfte laut Aussage ihre Arbeit nur selten ungestört oder ununterbrochen verrichten. Knapp 40 Prozent gibt an, sich bereits an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit zu befinden. Die Hälfte der Befragten müsse zudem häufig unter einem enormen Zeitdruck arbeiten.
In der Altenpflege gibt es ein fast identisches Bild. Vergleicht man die Zahlen aus der Kranken- und Altenpflege mit denen anderer Berufstätiger, so plagen die Pflegekräfte vier Mal so häufig emotionale Probleme.
Körperliche Belastung trägt mit dazu bei
Auch die körperliche Anstrengung hat sicherlich ihren Anteil an der psychisch-schwierigen Situation vieler Pflegender. Besonders Altenpflegekräfte arbeiten häufig in ungünstigen Haltungen, gebückt, hockend oder kniend. Die zusätzliche Arbeit im Stehen und das Tragen und Heben von schweren Lasten und Personen sorgt für die Anfälligkeit bei Muskel-Skelett-Erkrankungen. Insgesamt sind drei Mal so viele Pflegekräfte davon betroffen, wie anderweitig Beschäftigte.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin empfiehlt Pflegeeinrichtungen, die jeweilige Arbeitsorganisation zu überdenken. Dabei können beispielsweise Konzepte aus der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) helfen.
Konsum vom Antidepressiva deutlich gestiegen
Um die geistige und seelische Bürde besser tragen zu können, lassen sich viele Pflegekräfte Medikamente verschreiben, beispielsweise ACE-Hemmer, die einem zu hohen Blutdruck entgegenwirken.
Vielen Pflegenden reicht dies jedoch nicht aus. Aus dem Gesundheitsreport lässt sich entnehmen, dass Pflegekräfte im Durchschnitt 22 Tagesdosen (DDD) an Antidepressiva pro Jahr erhalten. Der normale Durchschnittsdeutsche hingegen erhält nur 14 Dosen pro Jahr.
Gerade in der Altenpflege ist die psychische Belastung besonders hoch. Hier erhalten die Pflegekräfte 25 Dosen Antidepressiva im Jahr, das sind fast 80 Prozent mehr als beim restlichen Teil der Bevölkerung. Insgesamt beläuft sich die Zahl aller Medikamente einer Pflegekraft auf 314 Tagesdosen. Andere Berufstätige erhalten im Schnitt 244.
Quelle: BAuA, TK, SpringerPflege, Ärztezeitung, pflegen-online