Um die Themen Qualitätsmanagement in der Pflege, juristische Fallstricke der Delegation ärztlicher Aufgaben an Pflegekräfte sowie neue Alternativen zur Zigaretteging ging es in dem Symposium "Risiken erkennen - Risiken minimieren" der 12. Pflegefortbildung des Westens (JHC).
Um die Themen Quali­täts­ma­nage­ment in der Pflege, juris­ti­sche Fallstri­cke der Delega­tion ärztli­cher Aufga­ben an Pflege­kräfte sowie neue Alter­na­ti­ven zur Zigaret­te­ging ging es in dem Sympo­sium „Risiken erken­nen – Risiken minimie­ren“ der 12. Pflege­fort­bil­dung des Westens (JHC). Bild: Photo 104031146 © Auremar – Dreamstime.com

Ein sehr buntes Programm erwar­tete die rund 100 Gäste beim gemein­sa­men Satel­li­ten­sym­po­sium „Risiken erken­nen – Risiken minimie­ren“ im Rahmen der 12. Pflege­fort­bil­dung des Westens (JHC) am Nachmit­tag des 23. Mai: Dort ging es um die sehr unter­schied­li­chen Themen Quali­täts­ma­nage­ment in der Pflege, juris­ti­sche Fallstri­cke der Delega­tion ärztli­cher Aufga­ben an Pflege­kräfte sowie neue Alter­na­ti­ven zur Zigarette. Drei komplett verschie­dene Dinge also; jeder Themen­be­reich aber war auf seine Weise inter­es­sant.

Mit Argus­au­gen auf die Heimauf­sichts- und MDK-Prüfbe­richte in den Einrich­tun­gen des Korian-Konzerns schaut Diplom-Pflege­wirt Sascha Saßen. Für das franzö­si­sche Unter­neh­men, das 743 Pflege- und Senio­ren­heime mit 49.000 Mitar­bei­tern und 250.000 Bewoh­nern in Frank­reich, Deutsch­land und Italien unter­hält, hat er ein engma­schi­ges Quali­täts­ma­nage­ment-System aufge­baut. In seinem Vortrag „Sind pflege­be­zo­gene Risiken beherrsch­bar?“ erzählte er aus seinem Alltag und erläu­terte das Konzept.

Die Kunst des Quali­täts­ma­nage­ments

Sein Credo: Ein Quali­täts­ma­nage­ment muss pro-aktiv sein, also Fehler und Gefah­ren­quel­len von sich aus erken­nen, statt nur auf Beanstan­dun­gen zu reagie­ren. Dabei unter­schei­det er zwischen Antizi­pa­tion, also dem Voraus­se­hen von Proble­men, und dem Contain­ment, der Eindäm­mung bereits einge­tre­te­ner Problem­fälle. „Wir hatten eine Abtei­lung, die intern MDK-Prüfun­gen simuliert hat“, erinnert er sich. „Aber wenn die was bei einem Bewoh­ner fanden, wurde das brav behoben. Niemand kam aber auf die Idee, dass das Problem auch bei anderen Patien­ten relevant sein könnte.“ In sein hausin­ter­nes Klassi­fi­zie­rungs-System fließen die Prüfbe­richte von Heimauf­sicht und MDK, aber auch des inter­nen Risiko-Audits, des Quali­täts-Audits und des „High Relia­ble Manage­ments“ (HRO) ein und ergeben eine Gesamt­note, von der guten Katego­rie A bis zur schlech­tes­ten Katego­rie D.

Beim „High Relia­ble Manage­ment“ komme es darauf an, Risiken aus Einrich­tungs- und aus Mitar­bei­ter-Perspek­tive zu betrach­ten – denn nicht jeder Mitar­bei­ter sei gleich­sam quali­fi­ziert, Stärken, Schwä­chen und Priori­tä­ten­set­zung unter­scheide sich von Mensch zu Mensch. „Glauben Sie, dass jemand Pilot gewor­den ist, um Passa­giere sicher von A nach B zu trans­por­tie­ren? Nein: sie sind Piloten gewor­den, weil sie fliegen wollen!“ brachte er ein Beispiel aus der Luftfahrt. Frei übertra­gen auf die Pflege: Auch der beste Pflege­prak­ti­ker könne etwa bei der leidi­gen Dokumen­ta­tion schlu­dern. „Und manch­mal muss man auch neue Wege gehen – wie ein Torwart, der mit nach vorne geht und ein Kopfball­tor erzielt, oder der erste Mensch, der auf die Idee kam, ein Feuer mit einem Gegen­feuer zu bekämp­fen.“

Die Delega­tion in der Pflege – ein vermin­tes Terrain

Was passie­ren kann, wenn in einem Pflege­heim ein Hausmeis­ter neben­bei auch Insulin­sprit­zen setzt, musste eine Einrich­tung aus Baden-Württem­berg vor einigen Jahren erfah­ren. Obwohl er von der Heimlei­tung geschult worden war, Patien­ten-Einwil­li­gun­gen für das Sprit­zen­set­zen an sich sämtlich vorla­gen, niemand zu Schaden kam und es auch niemals Grund zu inhalt­li­chen Beanstan­dun­gen kam, wurden das Heim und der Hausmeis­ter letzt­lich vom Landge­richt zu einer hohen Geldstrafe verur­teilt. „Eine Patien­ten­ein­wil­li­gung gilt eben nur für fachlich kompe­tente Behand­lung“, erläu­terte der Kölner Rechts­an­walt Hubert Klein. „Sie setzt impli­zit voraus, dass der Eingriff durch eine materi­ell und formell quali­fi­zierte Kraft erfolgt.“ Und die Grund­denke unter Juris­ten sei nun mal: „Ärzte dürfen alles, die Pfleger dürfen nur assis­tie­ren.“

In seinem Vortrag „Gefahr erkannt – Gefahr gebannt“ machte der Spezia­list für Betreu­ungs­recht auf die recht­li­chen Fallstri­cke bei der Delega­tion von medizi­ni­schen Täten auf Pfleger aufmerk­sam. „Ein nicht fachge­rech­ter Einsatz von Pflege­kräf­ten für ärztli­che Aufga­ben ist die pflege­ri­sche Todsünde überhaupt! Sie führt nämlich zur Beweis­last­um­kehr“, so Klein. Allge­mein gelte die Regel, dass die Pflege­kraft umso schwie­ri­gere Aufga­ben überneh­men kann, umso besser sie quali­fi­ziert ist. „Aber in der Mitte verbleibt immer eine Grauzone“, merkte Klein an. Ein Beispiel ist die Medika­men­ten­gabe – nicht nur über die Verab­rei­chungs-Technik an sich, sondern auch auf das konkrete Medika­ment mitsamt mögli­cher Neben­wir­kun­gen, Gefah­ren und Notfall­maß­nah­men gelte es zu schulen.

Neue Alter­na­ti­ven zum blauen Dunst

Deutsch­lands Pflege­heime und Klini­ken sind Raucher-Hochbur­gen: Laut einer reprä­sen­ta­ti­ven Umfrage rauchen 78 % der Alten­pflege-Auszu­bil­den­den, 49 % der Kranken­pfle­ge­schü­ler und 31 % der fertig ausge­bil­de­ten Kranken- und Alten­pfle­ge­kräfte – das liegt deutlich über dem Bundes­schnitt von 28 %, gerade auch einge­denk des größten­teils weibli­chen Perso­nals, während in der Durch­schnitts-Bevöl­ke­rung Frauen etwas weniger häufig zur Zigarette greifen als Männer. Ein komplet­ter Rauch­ver­zicht kommt für nur wenige in Frage – doch wie sieht es mit weniger schäd­li­chen Alter­na­ti­ven aus?

Das Schäd­li­che am Rauchen ist nicht das Nikotin, sondern die Tausen­den an Chemi­ka­lien, die im Rauch enthal­ten sind. Das Nikotin macht zwar abhän­gig und ist der Grund, warum der Raucher Zigaret­ten will, doch die Chemi­ka­lien sind das eigent­li­che Problem. Ein Mittel zur Risiko­mi­ni­mie­rung sind Tabak­er­hit­zer sowie E‑Zigaretten, bei denen nikotin­hal­tige Flüssig­keit erhitzt und verdampft wird, und die ohne Feuer und die damit verbun­de­nen toxischen Substan­zen auskom­men.

Wer glaubt, einen einge­fleisch­ten Raucher für einen totalen Nikotin­ver­zicht gewin­nen zu können, liegt sicher falsch. Jenen kann zum Umstieg auf elektro­ni­sche Alter­na­ti­ven geraten werden. Auch wenn der totale Rauch­stopp der Goldstan­dard bleibt. Denn es ist – frei formu­liert – der öffent­li­chen Gesund­heit mehr gehol­fen, wenn nach dem Prinzip der „Harm Reduc­tion“ eine große Zahl von bishe­ri­gen Rauchern durch die Wahl von E‑Zigaretten oder Tabak­er­hit­zern ihr Risiko stark reduziert, als wenn nur wenige es schaf­fen komplett aufhö­ren – und der Rest einfach weiter­raucht wie bisher.

Eine Reihe von inter­na­tio­na­len Studien und Behör­den­mei­nun­gen stützt diese Ansicht: So stufte die briti­sche Gesund­heits­be­hörde E‑Zigaretten als „zwar nicht risiko­frei, doch weit weniger schäd­lich als Zigaret­ten“ ein, mit einer Risiko­min­de­rung von „mindes­tens 95 Prozent“. Die US-Behörde FDA rechnet die Zahl von vermie­de­nen vorzei­ti­gen Todes­fäl­len auf eine Bandbreite von 1,6 bis 6,6 Millio­nen hoch, wenn US-weit sämtli­che Raucher ab sofort auf die Alter­na­ti­ven umstie­gen.

Die deutsche BZgA dagegen tue sich nach wie vor schwer – sie rät von den neuen Alter­na­ti­ven ab und propa­giert weiter den totalen Nikotin­ver­zicht als einzig in Frage kommen­des Mittel. Vermut­lich weil sie nicht nur auf Erwach­sene, die bereits rauchen, abzielt, sondern auf jugend­li­che Nicht­rau­cher, die bloß nicht anfan­gen sollen. Dabei sagte selbst eine Vertre­te­rin des Deutschen Krebs­for­schungs­zen­trums, dass „die katego­ri­sche Absage ans Prinzip der Harm Reduc­tion für die Zukunft keine haltbare Option“ sei.