Pflegekompetenzgesetz
Pflege­kom­pe­tenz­ge­setz: Pflege­fach­per­son sollen eigen­stän­dig heilkund­li­che Tätig­kei­ten ausüben dürfen. Bild: Yuri Arcurs | Dreamstime.com

Wer kann und wer darf – zwei paar Schuhe

Eine gute pflege­ri­sche Versor­gung lebt von hoch quali­fi­zier­tem und motivier­tem Perso­nal. Doch in der Reali­tät des Arbeits­all­tags vergeht vielen Angehö­rige des Berufs­stan­des Pflege der Spaß am Job.

Mit einer der Gründe hierfür: Die Schere zwischen dem zu was beruf­lich Pflegende heutzu­tage befähigt sind, und dem, was sie tatsäch­lich machen dürfen, geht noch immer weit ausein­an­der. An diesem Umstand hat auch die sich seit Anfang des Jahrtau­sends durch eine Reihe von Geset­zes­re­for­men vollzie­hende Konso­li­die­rung der Pflege­be­rufs­land­schaft nichts ändern können.

Die Gründe hierfür schei­nen mannig­fal­tig sein: Eine unzurei­chende Abstim­mung zwischen den Versor­gungs­sek­to­ren, die Ärzte­do­mi­nanz, die Verschlep­pung von Modell­vor­ha­ben sowie das in vielen Köpfen noch immer bestehende Bild von der „Pflege als Heilhilfs­be­ruf“ sollen hier nur stell­ver­tre­tend genannt werden.

Parado­xer­weise ist man aber schon jetzt vieler­orts darauf angewie­sen, dass Pflege­fach­per­so­nen eigen­stän­dig Aufga­ben und Tätig­kei­ten überneh­men, zu der sie – nach aktuel­ler Rechts­lage – gar nicht befugt sind. Warum? Weil es schlicht­weg niemand anderen mehr gibt. Die Not (besser gesagt: der Fachkräf­te­man­gel) macht es möglich.

Was ist das Pflege­kom­pe­tenz­ge­setz?

Zur Auflö­sung dieser für alle Betei­lig­ten unbefrie­di­gen­den sowie mit Rechts­un­si­cher­heit und Frust­po­ten­zial gespick­ten Situa­tion, an deren Ende mögli­cher­weise Überlas­tung und Pflexit droht, sei nicht weniger als ein „Neustart für die Pflege“ notwen­dig.

Als genau solchen bezeich­nete Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Prof. Karl Lauter­bach (SPD) das nun anste­hende Geset­zes­vor­ha­ben, dessen Eckpunkte gemein­sam mit der Bundes­ärz­te­kam­mer (BÄK) und dem Deutschen Pflege­rat (DPR) erarbei­tet und im vergan­ge­nen Dezem­ber der Öffent­lich­keit vorge­stellt worden sind.

Seit diesem Septem­ber liegt nun eine erste Entwurfs­fas­sung des geplan­ten „Geset­zes zur Stärkung der Pflege­kom­pe­tenz“ (kurz: Pflege­kom­pe­tenz­ge­setz – PKG) vor. Nach diesem sollen Pflege­fach­per­so­nen künftig neben Ärztin­nen und Ärzten auch selbst­stän­dig weiter­ge­hende Leistun­gen als bisher und insbe­son­dere – abgestuft nach der jeweils vorhan­de­nen Quali­fi­ka­tion – selbst­stän­dig erwei­terte heilkund­li­che Leistun­gen in der Versor­gung erbrin­gen können.

Zugleich wird damit das Ziel verfolgt, die Attrak­ti­vi­tät des Berufs­bil­des noch einmal zu steigern.

Die wesent­li­chen Inhalte des Gesetz­ent­wurfs

Der gegen­wär­tige Referen­ten­ent­wurf zum Pflege­kom­pe­tenz (Fassung vom 3. Septem­ber 2024) sieht insbe­son­dere folgende Inhalte vor:

  • Analog zu den Bestim­mun­gen des Pflege­stär­kungs­ge­set­zes (BGBl. 2023 I Nr. 359, S. 1ff) sollen nun auch beruf­lich ausge­bil­de­tete Pflege­fach­per­so­nen zukünf­tig erwei­terte heilkund­li­che Aufga­ben in den Berei­chen Diabe­tes melli­tus, chroni­sche Wunden und Demenz überneh­men dürfen.
  • In einem neuen Rahmen­ver­trag soll die Erbrin­gung von (erwei­ter­ten) heilkund­li­chen Leistun­gen, die von Pflege­fach­per­so­nen im Rahmen der ärztli­chen Versor­gung oder der häusli­chen Kranken­pflege erbracht werden können, verein­bart werden. Dabei soll auch die Leistungs­er­brin­gung durch Pflege­fach­per­so­nen, die entspre­chende Kompe­ten­zen im Rahmen von quali­fi­zier­ten Weiter­bil­dun­gen erwor­ben haben, berück­sich­tigt werden
  • Die bislang ausschließ­lich berufs­recht­lich geregel­ten Vorbe­halts­auf­ga­ben in der Pflege (vgl. § 4 PflBG) sollen nun auch im Rahmen des sozia­len Leistungs­rechts zur Geltung kommen.
  • Die in § 40 Absatz 6 SGB XI vorge­se­hene Möglich­keit, dass bei vorlie­gen­der Empfeh­lung einer Pflege­fach­per­son für ein Pflege­hilfs­mit­tel und Hilfs­mit­tel die Notwen­dig­keit der Versor­gung vermu­tet wird, soll auf andere Berei­che ausge­wei­tet werden. Der Spitzen­ver­band Bund der Pflege­kas­sen wird beauf­tragt, seine diesbe­züg­li­chen Richt­li­nien bis zum 30. Novem­ber 2025 inhalt­lich zu überarbeiten.

Daneben sind folgende Regelungs­punkte des Pflege­kom­pe­tenz­ge­set­zes beson­ders hervor­zu­he­ben:

  • Zur Gestal­tung und Weiter­ent­wick­lung des Berufs­bilds Pflege soll eine geeig­nete Vertre­tung der Pflege­be­rufe auf Bundes­ebene einge­rich­tet werden.
  • Das Amt der/des Beauf­trag­ten der Bundes­re­gie­rung für Pflege soll über das Sozial­ge­setz­buch XI eine norrma­tive Verfes­ti­gung erfah­ren.
  • In einem Modell­pro­jekt soll geprüft werden, ob und wie Pflege­fach­kräfte im Rahmen von Begut­ach­tungs­ver­fah­ren Aufga­ben überneh­men können.
  • Der Begriff „Pflege­fach­per­so­nen“ soll die bishe­rige Bezeich­nung „Pflege­fach­kräfte“ ablösen, um eine einheit­li­che Berufs­be­zeich­nung zu gewähr­leis­ten (vgl. in diesem Zusam­men­hang auch § 64a PflBG).

Der Entwurf des Pflege­kom­pe­tenz­ge­set­zes enthält zudem Regelun­gen zur Weiter­ent­wick­lung des Perso­nal­be­mes­sungs­ver­fah­rens in der Langzeit­pflege, zur Überar­bei­tung des seit 2017 gülti­gen Begut­ach­tungs­in­stru­ments für die Langzeit­pflege, zur Verbes­se­rung der Zusam­men­ar­beit zwischen Pflege­kas­sen und Kommu­nen sowie zur Optimie­rung von Vergü­tungs­ver­hand­lun­gen bei zugelas­se­nen Pflege­ein­rich­tun­gen.

Darüber hinaus werden niedrig­schwel­lige Unter­stüt­zungs­an­ge­bote für Pflege­be­dürf­tige, digitale Pflege­an­wen­dun­gen und Maßnah­men zur Quali­täts­si­che­rung in der Pflege thema­ti­siert.

Im Gegen­satz zum Eckpunk­te­pa­pier adres­siert das Pflege­komp­tenz­ge­setz nun nicht mehr das Profil der Advan­ced Practice Nurse (APN). Dies soll wohl in einem eigenen Gesetz geregelt werden.

Wann ist mit dem Pflege­kom­pe­tenz­ge­setz zu rechnen?

Unklar. Bis zum 30. Septem­ber hatten die maßgeb­li­chen Berufs­ver­bände und ‑organi­sa­tio­nen Zeit gehabt zum vorlie­gen­den Gesetz­ent­wurf Stellung zu bezie­hen. Zudem hatte das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium am 2. Oktober 2024 zu einer Fachan­hö­rung geladen.

Trotz grund­sätz­lich positi­ver Resonanz haben viele Verbände bereits vielfach Nachbes­se­rungs­be­darf am Entwurf angemahnt. So hänge beispiels­weise die Ausübung der Heilkunde weiter­hin von ärztli­chen Entschei­dun­gen ab, wie der DBfK in seiner Stellung­nahme kriti­siert. Auch der Verband katho­li­scher Alten­hilfe in Deutsch­land (VKAD) und die katho­li­schen Kranken­häu­ser sehen aber noch Verbes­se­rungs­be­darf bei der Eigen­stän­dig­keit der Pflege­fach­per­so­nen.

Es liegt nun an das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium sich dieser Kritik anzuneh­men und diese zügig in einen neuen Entwurf einflie­ßen zu lassen. Denn die demogra­fi­sche Uhr tickt unent­wegt weiter.