Wer kann und wer darf – zwei paar Schuhe
Eine gute pflegerische Versorgung lebt von hoch qualifiziertem und motiviertem Personal. Doch in der Realität des Arbeitsalltags vergeht vielen Angehörige des Berufsstandes Pflege der Spaß am Job.
Mit einer der Gründe hierfür: Die Schere zwischen dem zu was beruflich Pflegende heutzutage befähigt sind, und dem, was sie tatsächlich machen dürfen, geht noch immer weit auseinander. An diesem Umstand hat auch die sich seit Anfang des Jahrtausends durch eine Reihe von Gesetzesreformen vollziehende Konsolidierung der Pflegeberufslandschaft nichts ändern können.
Die Gründe hierfür scheinen mannigfaltig sein: Eine unzureichende Abstimmung zwischen den Versorgungssektoren, die Ärztedominanz, die Verschleppung von Modellvorhaben sowie das in vielen Köpfen noch immer bestehende Bild von der „Pflege als Heilhilfsberuf“ sollen hier nur stellvertretend genannt werden.
Paradoxerweise ist man aber schon jetzt vielerorts darauf angewiesen, dass Pflegefachpersonen eigenständig Aufgaben und Tätigkeiten übernehmen, zu der sie – nach aktueller Rechtslage – gar nicht befugt sind. Warum? Weil es schlichtweg niemand anderen mehr gibt. Die Not (besser gesagt: der Fachkräftemangel) macht es möglich.
Was ist das Pflegekompetenzgesetz?
Zur Auflösung dieser für alle Beteiligten unbefriedigenden sowie mit Rechtsunsicherheit und Frustpotenzial gespickten Situation, an deren Ende möglicherweise Überlastung und Pflexit droht, sei nicht weniger als ein „Neustart für die Pflege“ notwendig.
Als genau solchen bezeichnete Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) das nun anstehende Gesetzesvorhaben, dessen Eckpunkte gemeinsam mit der Bundesärztekammer (BÄK) und dem Deutschen Pflegerat (DPR) erarbeitet und im vergangenen Dezember der Öffentlichkeit vorgestellt worden sind.
Seit diesem September liegt nun eine erste Entwurfsfassung des geplanten „Gesetzes zur Stärkung der Pflegekompetenz“ (kurz: Pflegekompetenzgesetz – PKG) vor. Nach diesem sollen Pflegefachpersonen künftig neben Ärztinnen und Ärzten auch selbstständig weitergehende Leistungen als bisher und insbesondere – abgestuft nach der jeweils vorhandenen Qualifikation – selbstständig erweiterte heilkundliche Leistungen in der Versorgung erbringen können.
Zugleich wird damit das Ziel verfolgt, die Attraktivität des Berufsbildes noch einmal zu steigern.
Die wesentlichen Inhalte des Gesetzentwurfs
Der gegenwärtige Referentenentwurf zum Pflegekompetenz (Fassung vom 3. September 2024) sieht insbesondere folgende Inhalte vor:
- Analog zu den Bestimmungen des Pflegestärkungsgesetzes (BGBl. 2023 I Nr. 359, S. 1ff) sollen nun auch beruflich ausgebildetete Pflegefachpersonen zukünftig erweiterte heilkundliche Aufgaben in den Bereichen Diabetes mellitus, chronische Wunden und Demenz übernehmen dürfen.
- In einem neuen Rahmenvertrag soll die Erbringung von (erweiterten) heilkundlichen Leistungen, die von Pflegefachpersonen im Rahmen der ärztlichen Versorgung oder der häuslichen Krankenpflege erbracht werden können, vereinbart werden. Dabei soll auch die Leistungserbringung durch Pflegefachpersonen, die entsprechende Kompetenzen im Rahmen von qualifizierten Weiterbildungen erworben haben, berücksichtigt werden
- Die bislang ausschließlich berufsrechtlich geregelten Vorbehaltsaufgaben in der Pflege (vgl. § 4 PflBG) sollen nun auch im Rahmen des sozialen Leistungsrechts zur Geltung kommen.
- Die in § 40 Absatz 6 SGB XI vorgesehene Möglichkeit, dass bei vorliegender Empfehlung einer Pflegefachperson für ein Pflegehilfsmittel und Hilfsmittel die Notwendigkeit der Versorgung vermutet wird, soll auf andere Bereiche ausgeweitet werden. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen wird beauftragt, seine diesbezüglichen Richtlinien bis zum 30. November 2025 inhaltlich zu überarbeiten.
Daneben sind folgende Regelungspunkte des Pflegekompetenzgesetzes besonders hervorzuheben:
- Zur Gestaltung und Weiterentwicklung des Berufsbilds Pflege soll eine geeignete Vertretung der Pflegeberufe auf Bundesebene eingerichtet werden.
- Das Amt der/des Beauftragten der Bundesregierung für Pflege soll über das Sozialgesetzbuch XI eine norrmative Verfestigung erfahren.
- In einem Modellprojekt soll geprüft werden, ob und wie Pflegefachkräfte im Rahmen von Begutachtungsverfahren Aufgaben übernehmen können.
- Der Begriff „Pflegefachpersonen“ soll die bisherige Bezeichnung „Pflegefachkräfte“ ablösen, um eine einheitliche Berufsbezeichnung zu gewährleisten (vgl. in diesem Zusammenhang auch § 64a PflBG).
Der Entwurf des Pflegekompetenzgesetzes enthält zudem Regelungen zur Weiterentwicklung des Personalbemessungsverfahrens in der Langzeitpflege, zur Überarbeitung des seit 2017 gültigen Begutachtungsinstruments für die Langzeitpflege, zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Pflegekassen und Kommunen sowie zur Optimierung von Vergütungsverhandlungen bei zugelassenen Pflegeeinrichtungen.
Darüber hinaus werden niedrigschwellige Unterstützungsangebote für Pflegebedürftige, digitale Pflegeanwendungen und Maßnahmen zur Qualitätssicherung in der Pflege thematisiert.
Im Gegensatz zum Eckpunktepapier adressiert das Pflegekomptenzgesetz nun nicht mehr das Profil der Advanced Practice Nurse (APN). Dies soll wohl in einem eigenen Gesetz geregelt werden.
Wann ist mit dem Pflegekompetenzgesetz zu rechnen?
Unklar. Bis zum 30. September hatten die maßgeblichen Berufsverbände und ‑organisationen Zeit gehabt zum vorliegenden Gesetzentwurf Stellung zu beziehen. Zudem hatte das Bundesgesundheitsministerium am 2. Oktober 2024 zu einer Fachanhörung geladen.
Trotz grundsätzlich positiver Resonanz haben viele Verbände bereits vielfach Nachbesserungsbedarf am Entwurf angemahnt. So hänge beispielsweise die Ausübung der Heilkunde weiterhin von ärztlichen Entscheidungen ab, wie der DBfK in seiner Stellungnahme kritisiert. Auch der Verband katholischer Altenhilfe in Deutschland (VKAD) und die katholischen Krankenhäuser sehen aber noch Verbesserungsbedarf bei der Eigenständigkeit der Pflegefachpersonen.
Es liegt nun an das Bundesgesundheitsministerium sich dieser Kritik anzunehmen und diese zügig in einen neuen Entwurf einfließen zu lassen. Denn die demografische Uhr tickt unentwegt weiter.