Pflegekammern sind in Deutschland generell umstritten. Der Grund: die Zwangsmitgliedschaft und der Pflichtbeitrag.
Niedersachsen beispielsweise hat das Projekt eingestampft. In Bayern wurde die Pflichtzugehörigkeit ausgesetzt. Außer in Rheinland-Pfalz, soll es nur noch in Nordrhein-Westfalen eine Pflegekammer geben.
Aufgrund von massiven Protesten wurde die Wahl dort bis Ende des Jahres zurückgestellt. Die Gewerkschaft Verdi sieht sogar das Fehlen einer demokratischen Legitimation für eine mögliche Pflegekammer.
Pflegekammer von Beginn an umstritten
In Rheinland-Pfalz ist die Errichtung der Pflegekammer im Jahr 2015 ebenso heftig umstritten. Während die Kammer sich damit rühmte, dass die Wahlbeteiligung bei 43 Prozent gelegen haben soll, wird das vom Bundesverband der freien Kammern ganz anders gesehen.
Um damals überhaupt abstimmen zu dürfen, ob man eine Pflegekammer in Rheinland-Pfalz haben wollte, musste man sich zwangsregistrieren. Lediglich 55 Prozent der Wahlberechtigten taten dieses.
Und davon gingen dann lediglich 43 Prozent wählen. Das heisst: gerade einmal etwa ein Viertel der tatsächlichen Wahlberechtigten haben abgestimmt. Eine Repräsentanz sieht anders aus.
In der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Koblenz ging es primär um das Kostendeckungsprinzip und den Mittelbedarf. Dieser müsste laut Verwaltungsgericht mit Wahrheit und Klarheit erklärt werden. Primär darf es keine unzulässige Vermögensanhäufung geben.
Gericht: Konkrete, keine pauschalen Zahlen
Doch genau das ist wohl geschehen. Bis 2020 soll es zu keiner Zeit eine Inanspruchnahme der Betriebsmittelrücklagen gegeben haben. 2018 lagen diese bei 1,6 Millionen Euro und 2019 sogar bei 2,8 Millionen Euro.
Laut einer Mitarbeiterin soll es bei der sogenannten „Vertreterversammlung“ (ähnlich einer Mitgliederversammlung) keine Vorlage der Bedarfsprognose gegeben haben. Diese hätte aber laut dem Gericht mit konkreten und nicht nur pauschalen Zahlen vorgelegt werden müssen.
Das bedeutet: Die Pflegekammer hätte keine oder nur deutlich geringere Zwangsbeiträge einziehen dürfen, wenn sie genügend eigene finanzielle Mittel zur Verfügung hatte, um die Aufgaben zu erfüllen.
Der vorsitzende Richter unterbrach die Sitzung und fragte die Vertreter der Landespflegekammer, ob sie unter diesen Umständen tatsächlich einen Urteilsspruch haben möchten.
Nach einer etwa halbstündigen Beratung zog die Landespflegekammer die Beitragsbescheide der Jahre 2016 bis 2019 für alle Klagenden zurück. Ein Gerichtsurteil wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit im Sinne der Kläger ergangen – so der Hinweis des Richters.
Widerspruch möglich gegen neuen Bescheid
Und was bedeutet das jetzt, können nun alle Pflegenden klagen? Die Widerspruchsfrist für ergangene Bescheide beträgt in der Regeln nur einen Monat.
Dennoch sind bis heute noch nicht alle Mitarbeiter in der Pflege erfasst und haben noch gar keinen Bescheid erhalten. Diese haben natürlich die Möglichkeit Widerspruch gegen einen künftigen Bescheid zu erstellen.
Auch wer jetzt einen neuen Bescheid für aktuelle oder zurückliegende Zeiten bekommt, kann widersprechen. In der Regel dürfte es dann einen ablehnenden Widerspruchsbescheid geben, mit dem man sich an das Verwaltungsgericht wenden kann.
Die Chancen dafür dürften gar nicht so schlecht aussehen im Hinblick der unzulässigen Vermögensanhäufung.
Viele der der Pflegenden wehren sich gegen eine Zwangsmitgliedschaft. Sie sehen vielfältig keinen Nutzen in der Kammer. Eine Klage auf die Abschaffung der Landespflegekammer in Rheinland-Pfalz dürfte dennoch wenig Erfolg haben.
Mehrere Oberverwaltungsgerichtsurteile haben die Legalität der Kammer bestätigt.
Quelle: VG Koblenz
1 Kommentar
Auch in Schleswig-Holstein wurde die Pflegekammer wieder abgeschafft. Mit 91,77% bei einer Wahlbeteiligung von 72%.Klares Votum, oder?