Die Nachfrage nach Pflegeleistungen verzeichnet – auch aufgrund des demografischen Wandels – einen kontinuierlichen Anstieg. Was in anderen Branchen vielleicht ein Grund zur Freude wäre, stößt im Bereich der ambulanten und stationären Pflege hingegen auf große Sorgen: Denn hier besteht schon seit geraumer Zeit ein erheblicher Fachkräftemangel. Und auch die Finanzierung der Pflegeleistungen steht keineswegs auf gesunden Beinen.
Welche Konsequenzen sich hieraus ergeben und wie sich hierdurch die Wettbewerbssituation und die wirtschaftliche Lage der Pflegeeinrichtungen und ‑dienste entwickelt, sind die zentralen Fragen des „Pflegeheim Rating Reports“, eine Analyse, die alle zwei Jahre neu aufgelegt wird.
„Pflegeheim Rating Report 2024“: Zentrale Aussagen
Wesentliche Datengrundlage des aktuellen Reports sind 465 Jahresabschlüsse aus den Jahren 2014 bis 2021. Sie umfassen insgesamt 1.844 Pflegeheime beziehungsweise rund 25 Prozent des stationären Pflegemarktes.
Gefahr der Insolvenz geringfügig gesunken
Laut dem Report hat sich die wirtschaftliche Lage deutscher Pflegeheime seit dem Jahr 2019 leicht verbessert. So waren im Jahr 2021 rund 9 Prozent der Heime von einer erhöhten Insolvenzgefahr bedroht (2019: 11 Prozent), während bei 55 Prozent der Einrichtungen von nur einer geringen Insolvenzgefahr auszugehen ist (2019: 44 Prozent). Die übrigen Einrichtungen haben sich zwischen diese beiden Extremen positioniert.
Parallel dazu sank auch die durchschnittliche Insolvenzwahrscheinlichkeit von 1,5 Prozent (2019) auf 1,2 Prozent(2021).
Die Ergebnisse des „Pflegeheim Rating Reports 2024“ legen nahe, dass die wirtschaftliche Situation einer stationären Pflegeeinrichtung auch stark von der Region beeinflusst wird, in der sie sich befindet.
Verteilt auf einer Rangfolge gestaltet sich die Situation der Heime in Sachsen-Anhalt / Thüringen, Hessen, Berlin / Brandenburg / Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen am besten. Demgegenüber rangierten die Einrichtungen in Schleswig-Holstein / Hamburg, Baden-Württemberg und Niedersachsen / Bremen am unteren Ende der Skala.
Personalknappheit trotz gestiegener wirtschaftlicher Bedeutung
Das Marktvolumen der ambulanten und stationären Pflegedienste betrug im Jahr 2021 rund 72 Milliarden Euro. Der Anteil des Pflegemarkts am gesamten Gesundheitsmarkt ist zwischen 1997 und 2021 von 9,8 Prozent auf 15,2 Prozent gestiegen.
Auch wenn die wirtschaftliche Bedeutung des Pflegebereiches somit ein deutliches Plus zu verzeichnen hat – auf die Attraktivität als Arbeitgeber scheint dies nur bedingt auszustrahlen.
So waren im Jahr 2021 in der ambulanten und stationären Pflege insgesamt 1.257.000 Vollkräfte beschäftigt, davon 341.000 Pflegefachkräfte. Zwar sind zwischen 1999 und 2021 427.000 zusätzliche Vollzeitkräfte hinzugekommen. Jedoch ist der Bedarf an zusätzlichem Personal weiterhin groß.
Anhaltender Trend zur Privatisierung
Auch der Trend zur Privatisierung hat sich weiter fortgesetzt. Wurden im Jahr 1999 noch 25,4 Prozent der Pflegebedürftigen in einer privaten Einrichtung versorgt, waren es im Jahr 2021 bereits 39,8 Prozent (+14,4 Prozent).
Auch im ambulanten Bereich stieg der Anteil der privaten Dienste von 35,6 Prozent im Jahr 1999 auf 54,4 Prozent im Jahr 2021 – was einem Plus von 18,8 Prozent entspricht.
Die Zahl der Plätze in privater Trägerschaft stieg seit 1999 um 143 Prozent. Allerdings ist die Auslastung privater Heime 2021 mit 86,2 Prozent unter das Niveau von 1999 mit 87,3 Prozent gesunken.
Ausblick und Empfehlungen
Als Hauptgrund für das Wachstum des Pflegemarkts nennen die Autoren des „Pflegeheim Rating Reports“ den fortschreitenden demografische Wandel der Gesellschaft: Bei konstanten Pflegequoten wird es voraussichtlich bis zum Jahr 2030 in Deutschland 5,7 Millionen und bis zum Jahr 2040 6,4 Millionen Pflegebedürftige geben.
Dieser Anstieg hätte bei Fortschreibung des Status quo einen zusätzlichen Bedarf von 322.000 stationären Pflegeplätzen bis zum Jahr 2040 zur Folge. Die erforderlichen Neu- und Re-Investitionen beliefen sich entsprechend auf 81 bis 125 Milliarden Euro.
Hinzukommt: Zur Versorgung der wachsenden Zahl an Pflegebedürftigen ist wesentlich mehr Personal nötig. Allein der zusätzliche Bedarf an Pflegefachpersonen wird bis zum Jahr 2040 zwischen 124.000 und 210.000 Vollzeitkräften in der stationären und ambulanten Pflege liegen.
Damit dieser Bedarf gedeckt werden kann, muss der Pflegeberuf deutlich an Attraktivität gewinnen. Zur Linderung des Fachkräftemangels ist aber auch die Zuwanderung qualifizierter Pflegefachkräfte erforderlich. Weiterhin sollte über den Einsatz von arbeitssparenden Lösungen nachgedacht werden, wie zum Beispiel die Nutzung innovativer Techniken im Bereich Ambient Assisted Living (AAL).
Hintergrund
Der Report wird gemeinsam vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit der Bank im Bistum Essen eG und der Curacon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sowie mit Unterstützung der Terranus Consulting GmbH erstellt.
Der „Pflegeheim Rating Report 2024: Pflege ohne Personal?“ ist als gedrucktes Werk sowie als reines E‑Book beim medhochzwei-Verlag erhältlich.