Pflegeheim
Wenn Recht gespro­chen werden soll… Bild: © Oleg Dudko | Dreamstime.com

Und wieder ist ein Pflege­heim im Zentrum des Verbre­chens: Erneut hat vor dem Landge­richt Nürnberg-Fürth ein spekta­ku­lä­rer Prozess wegen Abrech­nungs­be­trugs in der Pflege begon­nen.

Vor Gericht stehen ein 51-Jähri­ger und eine 63-Jährige, die im Zeitraum von 2013 bis 2021 in 384 einzel­nen Fällen knapp fünf Millio­nen Euro unrecht­mä­ßig gegen­über zwei Kranken­kas­sen abgerech­net haben sollen.

Am 18. März war der Prozess-Auftakt, bis einschließ­lich 7. Mai sind 14 weitere Verhand­lungs­tage geplant.

Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisse ledig­lich behaup­tet

Das Duo hatte 2012 einen Pflege­dienst im oberbaye­ri­schen Hohen­brunn im Landkreis München, südöst­lich der bayeri­schen Landes­haupt­stadt gelegen, gegrün­det. Da keiner der beiden über die entspre­chende Quali­fi­ka­tion verfügte, einen Pflege­dienst zu leiten, hatten sie den Kranken­kas­sen andere entspre­chend quali­fi­zierte Pflege­kräfte als Aufga­ben­trä­ger benannt.

Nach Überzeu­gung der General­staats­an­walt­schaft Nürnberg seien die genann­ten Perso­nen jedoch gar nicht für den Pflege­dienst tätig gewesen; die Beschäf­ti­gung habe in einigen Fällen buchstäb­lich nur auf dem Papier bestan­den.

Betrof­fen von den unrecht­mä­ßi­gen Abrech­nun­gen war in erster Linie die AOK Bayern, auf die alleine fast vier Millio­nen Euro des Abrech­nungs­vo­lu­mens entfal­len, sowie außer­dem die Knapp­schaft. Zu Prozess­be­ginn räumten die beiden die entspre­chen­den Vorwürfe grund­sätz­lich ein.

Mit formel­len Dingen seien sie naiv umgegan­gen, verlau­tete es von ihnen. Dennoch habe der Pflege­dienst Wert auf quali­fi­zier­tes Perso­nal und gute Betreu­ungs­leis­tun­gen gelegt. Einen Teil des unrecht­mä­ßig abgerech­ne­ten Geldes haben die Angeklag­ten mittler­weile zurück­ge­zahlt.

Spezi­elle Ermitt­lungs­stelle der General­staats­an­walt­schaft

Der Fall wird deshalb vor dem Landge­richt Nürnberg-Fürth verhan­delt, weil die bayeri­sche Justiz bei der General­staats­an­walt­schaft Nürnberg im Jahr 2020 die „Bayeri­sche Zentral­stelle zur Bekämp­fung von Betrug und Korrup­tion im Gesund­heits­we­sen“ (ZKG) einge­rich­tet hat, die sich spezi­ell um derar­tige Fälle im gesam­ten Freistaat kümmert.

In einem ähnlich gelager­ten Fall hat das Landge­richt Ende 2023 den Betrei­ber eines ambulan­ten Pflege­diens­tes aus Kitzin­gen in der Region Würzburg wegen Betrugs zu fünf Jahren und neun Monaten Haft verur­teilt.

Der 57-Jährige hatte in seinem famili­en­ge­führ­ten Pflege­un­ter­neh­men in rund 700 Fällen betrü­ge­risch zu Lasten der Kassen abgerech­net; insge­samt war ein Schaden von 3,3 Millio­nen Euro entstan­den. Sein mitan­ge­klag­ter 27-jähri­ger Sohn bekam wegen Beihilfe zum Betrug andert­halb Jahre Haft auf Bewäh­rung, die Frau des Haupt-Angeklag­ten wurde freige­spro­chen.

Pflege­heim: Perso­nen in schlech­tem Gesund­heits­zu­stand

Auch in jenem Fall ging es um die fehlende Quali­fi­ka­tion: Weder die Famili­en­mit­glie­der selbst seien fachbe­ruf­lich quali­fi­ziert gewesen, noch ihre Beschäf­tig­ten, die sie ledig­lich angelernt hätten.

Anders als offen­bar in der aktuell verhan­del­ten Angele­gen­heit, hatte im damali­gen Fall das Geschäfts­ge­ba­ren konkrete Konse­quen­zen für die Betreu­ten: Bei einer Razzia im Herbst 2023 waren fünf dem Pflege­dienst anver­traute Perso­nen in erschre­cken­dem gesund­heit­li­chen und hygie­ni­schen Zustand angetrof­fen worden.

Verfah­ren wegen Körper­ver­let­zung

Neben dem Verfah­ren wegen des Abrech­nungs­be­trugs mussten sich die Verant­wort­li­chen auch einem Verfah­ren wegen Körper­ver­let­zung stellen.

Ebenfalls Schlag­zei­len machte Anfang des Jahres das Urteil gegen den Bürger­meis­ter der Gemeinde Seeg im Ostall­gäu, Markus Berktold: Dieser war im Januar wegen Betrugs und Untreue zu einer Freiheits­strafe von fünfein­halb Jahren verur­teilt worden.

Er soll beim Betrieb von Pflege­hei­men Millio­nen­be­träge zu Unrecht über den Corona-Rettungs­schirm abgerech­net haben. Dabei sollen anderem einige Rechnun­gen gefälscht, und nicht vom Rettungs­schirm abgedeckte Leistun­gen abgerech­net worden sein.

Ein Ex-Pflege­lei­ter des Heims in der Gemeinde wurde zu drei Jahren und elf Monaten Haft verur­teilt. Die Urteile sind aller­dings noch nicht rechts­kräf­tig, weil beide Angeklag­ten Revision einge­legt haben.