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Zahlen des “Institute for Health Metrics and Evaluation” und des “Pitt Health Policy Institute“ belegen, dass der Anteil der über 65-Jährigen in Europa erheblich gestiegen ist. Diese Entwicklung führt nicht nur zu einer geringeren Mobilität aufgrund altersbedingter chronischer Erkrankungen, sondern belastet auch das Gesundheitssystem zunehmend. Prognosen zufolge wird sich die Zahl der über 60-Jährigen bis 2030 verdoppeln.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, müssen Gesundheitssysteme effizienter gestaltet werden. Integrierte Versorgungskonzepte, die medizinische und pflegerische Leistungen besser koordinieren, bieten vielversprechende Ansätze. Daher wird verstärkt in geriatrische, altersfreundliche Pflege investiert.
Was genau versteht man unter altersfreundlicher Pflege?
Die WHO-Initiative hat das Konzept der „Age-friendly Cities and Communities“ entwickelt, das nicht nur Gesundheitssysteme, sondern das gesamte Umfeld berücksichtigt. Ziel ist es, Barrieren abzubauen, die das Älterwerden erschweren, und Angebote zu schaffen, die aktives Altern unterstützen.
Gesundheitsdienstleistungen spielen hierbei eine zentrale Rolle, da sie leicht zugänglich, personalisiert und kosteneffektiv sind. Ein entscheidender Bestandteil dieses Konzepts ist das 4M-Modell für altersfreundliche Gesundheitsversorgung:
- Medication (Medikamente): Vermeidung unnötiger oder schädlicher Medikamente.
- Mind (Geistige Gesundheit): Förderung der mentalen Gesundheit, insbesondere im Hinblick auf Demenz und Delirium.
- Mobility (Mobilität): Förderung der Beweglichkeit, um Stürze und Immobilität zu vermeiden.
- Matters Most (Was am meisten zählt): Fokussierung auf die individuellen Bedürfnisse derPatienten und Bereitstellung maßgeschneiderter Behandlungen.
Das Health Policy Institute hebt zwei wesentliche Faktoren hervor, die für die Umsetzung dieses Modells entscheidend sind. Zum einen ist die technologiegestützte Gesundheitsversorgung von Bedeutung. Die Einführung von Telemedizin und Telepflege ermöglicht eine adäquate Betreuung der Patienten in ihrem Zuhause.
Zum anderen spielen Technologien im häuslichen Umfeld und Robotik im Allgemeinen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Therapie- und Pflegeaufgaben. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen Fachbereiche wird hierbei besonders betont, um eine umfassende und individuelle Behandlung sicherzustellen.
Notwendige Veränderungen im Gesundheitssystem
Aufgrund dieser Erkenntnisse zeigt sich, dass sich im Gesundheitssystem etwas ändern muss, um eine solche Versorgung gewährleisten zu können. Dies ist auch der deutschen Politik bewusst, die als Antwort auf den demografischen Wandel die neue Krankenhausreform initiiert hat.
Der steigende Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung, zusammen mit einer höhere Anzahl chronischer Krankheiten, erfordert auch in Deutschland strukturelle Anpassungen in der Gesundheitsversorgung. Die Reform des Gesundheitswesen 2024 konzentriert sich hierbei auf vier wesentliche Eckpunkte:
- Spezialisierte Versorgungen: Krankenhäuser sollen sich stärker auf spezialisierte Behandlungen konzentrieren, anstatt ein breites Spektrum an Leistungen anzubieten.
- Strukturelle Anpassungen: Mehr ambulante Dienstleistungen sollen angeboten werden, um eine kostengünstigere und effektivere Versorgung älterer Patienten zu Hause zu ermöglichen.
- Finanzierungssysteme: Zukünftig sollen Krankenhäuser gezielt für die Qualität und Ergebnisse der Behandlung finanziert werden, anstatt nur für die Anzahl der durchgeführten Behandlungen.
- Digitalisierung und Innovation: Die bestehende Technologie soll genutzt und weiterentwickelt werden, um eine effiziente und schnellere Patientenbehandlung zu gewährleisten.
Fazit
Die Krankenhausreform reagiert direkt auf den demografischen Wandel und orientiert sich an bewährten Modellen von Fachexperten. Das übergeordnete Ziel ist es, die Effizienz zu steigern und gleichzeitig die Qualität der Versorgung zu verbessern. Dennoch ist klar, dass diese Veränderungen nicht ohne Herausforderungen stattfinden können. Die Reform hat bereits zu Kontroversen geführt, da die Hauptforderungen der Länder nicht berücksichtigt wurden, und der Wunsch nach einem Vermittlungsausschuss wurde geäußert.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach betonte in einer kürzlich verlautbarten Pressemitteilung, dass ein solcher Ausschuss vermieden werden sollte, um die Reformprozesse nicht zu gefährden. Er versprach zudem, den Ländern und Kommunen entgegenzukommen, um deren Interessen zu berücksichtigen (Dt. Ärzteblatt, Artikel vom 9. September 2024). Auch die Gewerkschaften betonten im Mai dieses Jahres noch einmal, dass es mit der Umsetzung der Krankenhausreform nicht getan sein wird, und hoben die Wichtigkeit der PPR 2.0‑Regelung (Pflegepersonalregelung) hervor, die im Zusammenhang mit der Reform umgesetzt werden soll.
Diese Initiative zielt darauf ab, eine bessere Personalausstattung in den Kliniken zu gewährleisten, um letztendlich das Ziel der Reform erreichen zu können (Consus health; Fachbeitrag 05/24).
Und obwohl hier noch bei einigen Themen Diskussionsbedarf besteht, bleibt die Notwendigkeit der Reform unumstritten. Insgesamt zeigt sich, dass es an der Zeit ist, die Pflege in eine bewegliche, innovative und zukunftsorientierte Richtung zu lenken, um den Herausforderungen des demografischen Wandels gerecht zu werden.