
Wer seine Auszubildenden oder Schüler zum eigenständigen Lernen motiviere, fahre auf Dauer am besten, ist Dr. rer. medic. German Quernheim überzeugt. „Lernen im Sinne des Konnektivismus legt den Fokus auf die Vernetzung des bestehenden Wissens. Die Lernenden erfahren, wie sie selbst an Knotenpunkte herankommen und diese nutzen können.” Man könne als Anleiter nur darauf hinwirken, dass der Lernende es selbst wissen will.
Die verflixte Schlinge im Knopfloch
Mit einer kleinen Übung waren die Teilnehmer des Seminars selbst gefordert und lernten das Prinzip der Personalanleitung aus der Sicht des Lernenden kennen: Es galt, eine in einen Metallstift eingearbeitete Schlinge aus einem Hemd-Knopfloch zu lösen, in das sie verknotet war – eine scheinbar leichte Aufgabe, die sich dann aber als äußerst verzwickt darstellen sollte. Folglich wurde Personalanleitung von Querheim und den assistierenden Mitgliedern aus der Runde benötigt. Wer den Kniff, wie die Schlinge aus dem Knopfloch löst, jedoch einmal draufhat, kann die Aufgabe in Sekundenschnelle lösen.
Mit seinem Vortrag „Personalanleitung und Onboarding – Anregungen & Tipps” hat Quernheim den vierten Seminartag der Winterakademie 2025 auf Gran Canaria im Hotel Corallium Dunamar in Playa del Inglés gestaltet. Der Krankenpfleger, Diplom-Pflegepädagoge und Pflegewissenschaftler hatte 1982 seine Ausbildung in einem Krankenhaus begonnen – und zum Glück, als einer der damals noch wenigen, einen Praxisanleiter zur Seite gestellt bekommen, der ihn durch den Ausbildungsalltag begleitete und sein Lernen wesentlich erleichterte.
„Eine gezielte Anleitung spart am Ende Zeit”
Nach einer Praxisanleiter-Weiterbildung bei der Pflegewissenschafts-Legende Christel Bienstein und 27 Jahren Tätigkeit für seinen alten Arbeitgeber hatte er sich 2008 selbstständig gemacht; heute ist er als Coach, Fachbuchautor zum Thema Praxisanleitung, Dozent und Pflegewissenschaftler tätig; seit einiger Zeit setzt er auch E‑Learning in seiner Wissensvermittlung ein.
„Als Pflegepädagoge bin ich jeden Morgen ab 6 Uhr mit meinen Schülern auf Station gegangen, der Praxisbezug war mir sehr wichtig.” Wenngleich rund 80 Prozent der Pflegeausbildung über Beobachtungslernen laufe – der Ausbilder führt die Pflegetätigkeiten vor, die Pflegeschüler schauen zu –, sei die gezielte Anleitung, bei der die Pflegeschüler selbst tätig werden, wesentlich effektiver. „Es gibt Forschungen, dass eine gezielte Anleitung am Ende Zeit spart, weil die Anzuleitenden schneller lernen”, betonte Quernheim – auch wenn sie am Anfang mehr Zeit und Mühe beanspruche. „Beim reinen Beobachtungslernen müssten sie noch fünf‑, sechsmal zur Tätigkeit mit.” Wichtig bei der gezielten Personalanleitung seien die sechs Phasen: Vorbereitung, Lernauftrag erteilen, das Vorgespräch, die Durchführung gemäß Absprachen, Nachgespräch, und die Übungsphase.
Praktisch lernt es sich am besten
Die Theorie der verschiedenen Lerntypen, etwa visuelle, auditive oder sensomotorisch am besten Lernende, sei inzwischen widerlegt, so der Pflegewissenschaftler. „Auch die Links-Rechts-Dominanz des Gehirns ist eine Illusion.” Forschungen hätten eindeutig gezeigt, dass selbst ausgeführte Tätigkeiten mit Abstand am besten behalten werden, als sie nur vom bloßen Zusehen oder gar Hören zu kennen. Eine Lernkurve verlaufe über die fünf Phasen der unbewussten Inkompetenz, der bewussten Inkompetenz, der Stufe des Lernens, dann der bewussten Kompetenz und schließlich der unbewussten Kompetenz – in der man einmal gemeisterte Tätigkeiten automatisch ausführt, ohne sich über den genauen Ablauf Gedanken zu machen, wie etwa beim Autofahren.
Zudem gab Quernheim Tipps, wie sich Vorträge interessanter und leichter fassbar gestalten lassen. „Wenn man eine Präsentation mit Folien macht, sollte diese maximal 20 Minuten am Stück gehen, danach sollte man das Format wechseln, den Teilnehmern etwa einen Film zeigen.” Die wichtigsten Inhalte gehörten an den Anfang sowie nochmal an den Schluss – und beeinträchtigender Lärm sei zu verringern. Für den Austausch innerhalb der Einrichtung seien Team-Briefings äußerst sinnvoll. „Oft in der Pflege wird das nicht gemacht, hierbei spielen auch die unterschiedlichen Arbeitszeiten eine Rolle.” Wenn die Kommunikation funktioniere, sei dies jedoch zum Vorteil aller.