Auch in diesem Jahr ging der JuraHealth Congress am 24. Mai 2018 in den Kölner Sartory-Sälen wieder erfolgreich zu Ende. „Patientensicherheit durch Qualitäts- und Bewusstseinsschaffung. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ lautete der Titel des bereits zum elften Mal veranstalteten Kongresses, bei dem den Teilnehmern spannende Vorträge und Workshops unter anderem zu den Themen Personaluntergrenzen, Pflegekammern, Datenschutzgrundverordnung und Patientenanspruch auf Mobilität geboten wurde. Hier ein Rückblick auf die Workshops und Satellitensymposien:
„Lang ersehnt – Personaluntergrenzen in der Pflege“
Ein Feuerwerk an Schlagzeilen servierte Vera Lux, Pflegedirektorin und Mitglied im Vorstand der Uniklinik Köln, den Gästen des Workshops „Aussichtslos war gestern“ im Begleitprogramm des JHC 2018 zum Start ihres Referats „Lang ersehnt – Personaluntergrenzen in der Pflege“: Zeitungs- und Online-Artikel, die von Skandalen in Pflegeheimen und unbesetzten Stellen erzählen, Berichte über Stress von Beschäftigten sowie Artikel über Einrichtungen, die sich um ihren Fortbestand sorgen, erschienen in wilder Kakofonie auf der Leinwand. „Wir sind gerne die, die 24 Stunden für alles und alle da sind“, stellte Lux fest. Dem stimmte eine Besucherin aus eigener Erfahrung zu. „Manchmal müsste man Angehörigen sagen: Machen Sie’s über die Bildzeitung. Wir dürfen nicht, können nicht, tut uns Leid. Sobald es dann aber in der Presse gelandet ist, passiert etwas.“
Ein kleiner Baustein zu einer besseren Pflege sollen die von der Bundesregierung geplanten Personaluntergrenzen in der Pflege sein. Sie würden, zumindest für bestimmte sensible Bereiche, eine Mindest-Personalstärke pro Schicht definieren, sodass die gerade tätigen Pflegenden entlastet werden und ihnen weniger Fehler unterlaufen. Auf lange Sicht soll so auch die Attraktivität der Pflege steigen.
Neben den Vorteilen einer solchen Personaluntergrenze gebe es aber auch noch viele offene Fragen und auch gravierende Nachteile, stellte Lux fest. So seien Einrichtungen gezwungen, auf Änderungen in der Patienten-Belegung zeitnah zu reagieren, was nicht immer einfach zu bewerkstelligen sei. Eventuell würden teure „Springer-Pools“ notwendig; im Extremfall müssten Patienten abgelehnt oder verlegt werden, weil nicht genügend Arbeitskräfte verfügbar seien. Bis die Untergrenzen zu einer Verbesserung führen werden, warteten zunächst Schulungen, zusätzliche Bürokratie und Stress auf die Einrichtungen, prophezeite die Pflegedirektorin.
Die Datenschutzgrundverordnung: „Geht mich nichts an?“
Stefan Glau, der Geschäftsführer der Jalomed GmbH, einem Anbieter von EDV-basierten Wunddokumentationen, war ebenfalls einer der Referenten des Workshops „Aussichtslos war gestern“ der Uniklinik Köln. Bei seinem Vortrag „Die europäische Datenschutzgrundverordnung kommt: Geht mich nichts an? Das meinen Sie!“ sensibilisierte er die Besucher für das rechtlich heikle Thema der vor kurzem rechtsverbindlich gewordenen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Im Grunde genommen soll die 2016 verabschiedete, mit Ablauf einer Zweijahresfrist „scharf geschaltete“ Verordnung sicherstellen, dass jeder EU-Bürger die Kontrolle über seine Daten behält. Geregelt sind unter anderem Informationsrechte über gespeicherte Daten, den Speicherungs- und Verwendungszweck sowie das Recht auf Löschung. Doch der Teufel liegt im Detail: Den Anforderungen ist nur schwer nachzukommen.
Die Gesundheits- und Pflegebranche sei von der Neuregelung besonders betroffen. Da sie aufgrund ihrer Arbeit sensible persönliche Daten speichern müsse, brauchten die Einrichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Datenschutzbeauftragten. Jener kümmert sich unter anderem um Datentransparenz, ‑minimierung, die Löschung nicht mehr erforderlicher Datensätze und erstellt auch Schriftsätze für Verträge und datenschutzrechtliche Einwilligungen. In der Kürze der Zeit war das komplexe Thema naturgemäß nicht erschöpfend zu behandeln. Umso wichtiger sei es, dass die Einrichtungen ihren Handlungsbedarf erkennen und tätig werden.
Brauchen wir die Pflegekammern?
„Mein Kernanliegen ist, dass jeder Pflegende genau weiß, worüber er abstimmt und dass die Entscheidung über eine Pflegekammer eine fundierte ist, keine uninformierte“ so David Petri, Pflegedienstleiter an der Uniklinik Köln und insgesamt seit 2003 in der Pflege tätig. Er ist überzeugt: Eine berufsständische Vertretung brauchen die Pflegenden ganz dringend. Mit weiteren Mitstreitern ist er momentan auf Tour, um für deren Errichtung zu werben. Im Rahmen des von der Uniklinik ausgerichteten Workshops referierte Petri in seinem Vortrag „Bewegen und nicht bewegt werden“ über die Pflegekammern, die es in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein bereits gibt oder kurz vor ihrer Konstituierung stehen und in sieben weiteren Bundesländern, darunter auch NRW, im Vorbereitungs- oder Beratungsstadium sind.
Die Aufgaben einer zukünftigen Pflegekammer seien gewaltig, erklärte Petri. Sie reichen von der Führung eines Berufsregisters („im Moment weiß niemand genau, wie viele Pflegende es in NRW eigentlich gibt; man schätzt etwa 200.000“, so Petri), über den Kontakt zu Pflegenden, die Objektivierung von Versorgungslücken, die Abnahme von Prüfungen, die Regelung der Fort- und Weiterbildung, einer Definition der Qualitätssicherung in der Pflege, die Klärung von juristischen und berufsständischen Fragen bis hin zur berufsständischen Vertretung, inklusive Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit sowie der Mitwirkung bei Gesetzen und noch vieles mehr. „All diese Aufgaben waren bisher auf ganz viele Stellen verstreut.“ Es ginge darum, betonte er, dass die Pflege ihre Geschicke endlich selbst in die Hand nehme. Oberstes Ziel sei letztlich, eine fachgerechte und professionelle Pflege der Bevölkerung sicherzustellen.
Ein wunder Punkt bei dem Thema: Die Beitragspflicht der Mitglieder. „Wie soll eine examinierte Pflegefachkraft zehn Euro im Monat abdrücken, wenn sie davon eine Familie zu ernähren hat?“ kritisierte ein Besucher. „Ich finde das viel.“ Das sei nicht von der Hand zu weisen, räumte Petri ein. „Es ist ist zunächst mal eine Belastung, das finde ich auch. Aber die Kammer setzt sich schließich auch für eine Verbesserung der Bedingungen und bessere Vergütungen in der Pflege ein.“ Im Übrigen finde er, dass eine obligatorische Mitgliedschaft nebst Beitrag sein müsse. „Der Gewerkschafts-Organisationsgrad beispielsweise beträgt in der Pflege fünf Prozent. So entwickelt man aber keine Schlagkraft.“ Außerdem sichere die allein durch Pflegende getragene Pflegekammer im Vergleich zum bayerischen Modell des Pflegerings mit freiwilliger Mitgliedschaft, bei der auch Arbeitgeber Mitglied werden können, die Unabhängigkeit der Pflege.
Jeder hat einen Anspruch auf Mobilität
Neben Datenschutzgrundverordnung, Pflegekammern und Personaluntergrenzen ging es bei dem diesjährigen JHC auch um das so wichtige Thema der Patientenmobilität. „Habe ich einen Anspruch auf Mobilität?“ – unter diesem Titel legte Prof. Dr. Volker Großkopf den Zuhörern die rechtliche Perspektive auf dieses Thema aufschlussreich und anschaulich nahe. Darüber hinaus wurde in dem sehr gut besuchten Satellitensymposium mit dem programmatischen Titel „I like to move (it)!“ darüber diskutiert, wie der bisherige Status Quo bei der Umsetzung des Mobilitätsanspruchs von Patienten und Bewohnern aussieht und was konkret getan werden kann, um den Patientenanspruch auf Mobilität durchzusetzen. Moderiert wurde das Symposium von Dr. Sascha Schmidt von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und begleitet von der bekannten Pflegewissenschaftlerin Prof. Dr. Angelika Zegelin sowie von Christine Sowinski vom Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA).
Anhand von Alltagsbeispielen brachten sie den Teilnehmern die Bedeutung von Mobilität für Patienten und Bewohner nahe. Langeweile, so Sowinski, sei gesundheitsgefährdend – Menschen, die gepflegt werden, müssen ihren Alltag selbst mitgestalten können und Aktivitäten wie Einkaufen, Kochen oder Tagesausflüge durchführen können. Zuletzt ging es in dem Symposium auch um die wichtige Frage, inwiefern der „Expertenstandard zur Erhaltung und Förderung der Mobilität“ umgesetzt werden muss. Die Pflegewissenschaftlerin Prof. Zegelin kam letztlich zu dem Schluss, dass Mobilität selbstverständlich sein sollte – auch ganz unabhängig von einem Expertenstandard, dieser bringe hauptsächlich Ordnung in das Wissen. In einer regen Fragerunde konnten sich die Teilnehmer dann noch mit den Pflegeexperten austauschen und darüber berichten, welche mobilitätsfördernden Maßnahmen sie bisher in ihrem Pflegeberuf ergriffen haben. Am Ende des Symposiums war in jedem Fall eines deutlich zu spüren: Die Teilnehmer und Experten gingen mit dem eindeutigen Impetus aus dem Raum, etwas „bewegen“ zu wollen.
Auch im nächsten Jahr darf man sich wieder auf einen spannenden JuraHealth Congress freuen, bei dem es am 23. Mai 2019 in den Kölner Sartory-Sälen um den Umgang mit Gewalt in der Pflege gehen wird.