Das Patientenrechtegesetz im Fokus: „Die Rolle der Patientinnen und Patienten in der Gesundheitsversorgung hat sich gewandelt. Sie sind nicht mehr nur vertrauende Kranke, sondern auch selbstbewusste Beitragszahler und kritische Verbraucher,“ schreibt das Bundesministerium für Gesundheit auf seiner Website.
„Oftmals fühlen sich Patienten alleine gelassen und verunsichert.“ Dieses Zitat gibt die paradoxe Situation vieler Patienten im Verhältnis zu Arztpraxen und Kliniken ziemlich gut wieder: Die Patienten sollen eine aktive Rolle einnehmen und gleichberechtigt entscheiden, oft fehlt aber dafür das Wissen.
Die Idee des selbstbestimmten Patienten ist noch nicht so alt. Noch in den 1980er Jahren waren die meisten Patienten mit einer passiven Rolle zufrieden. Und auch im Gesundheitsmonitor der Bertelsmann-Stiftung von 2004 wollten immer noch knapp 30 Prozent der Befragten den Arzt allein entscheiden lassen, die klare Mehrheit von knapp 60 Prozent sprachen sich allerdings für eine gemeinsame Entscheidung aus.
In der Medizin wird deshalb schon länger das Modell der partizipativen Entscheidungsfindung angewendet, nach dem Patient und Arzt gemeinsam aufgrund der vorliegenden Informationen über die Behandlung entscheiden.
Patienten als gleichberechtigte Vertragspartner
Auch das Patientenrechtegesetz von 2013 soll das Ungleichgewicht zwischen Patienten und Gesundheitssystem ausgleichen. Denn obwohl Deutschland ein im weltweiten Durchschnitt sehr gutes Gesundheitssystem hat, waren die Ansprüche der Patienten darin lange nicht rechtlich geregelt.
Als Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) definiert das Patientenrechtegesetz die Rechte und Pflichten von Patient und Behandler im Rahmen eines sogenannten Behandlungsvertrags, der automatisch beim Aufsuchen einer Arztpraxis oder eines Krankenhauses zustande kommt. So sollen Patienten zum gleichberechtigten Vertragspartner werden, der gemeinsam mit dem Gesundheitspersonal über die Behandlung entscheidet.
Die Voraussetzung dafür ist ein umfassendes Aufklärungsgespräch, in dem die Patienten über Kosten, Ablauf, Risiken und Erfolgschancen der Behandlung informiert werden. Damit Patienten ihre Fragen direkt stellen können, sollte es wirklich ein persönliches Gespräch sein und kein Infoblatt. Oft werden vor Behandlungen nach wie vor Infoblätter verteilt, auf denen zusätzlich zur Unterschrift angekreuzt werden kann: „Ich wurde über meine Behandlung informiert und verzichte auf ein Aufklärungsgespräch.“ Patienten, die sich ausreichend informiert fühlen, können diese Option problemlos wahrnehmen.
Wer sich aber nicht gut informiert fühlt, hat ein Recht darauf, ein Gespräch zu verlangen, in dem offene Fragen geklärt werden. Das Gespräch muss auf jeden Fall vom Behandler durchgeführt werden und kann nicht stellvertretend von einer Pflegekraft übernommen werden. Ganz wichtig ist, dass sich der Arzt dabei auf die Sprache des Patienten einstellen sollte: Medizinische Fachbegriffe sollten eher vermeiden oder, wo es nicht anders möglich ist, auf jeden Fall erklärt werden.
Auch genug Zeit sollte sein: Dem Patienten auf dem Weg zum OP kurz zu erklären, was alles schief gehen könnte, zählt nicht. Das Aufklärungsgespräch muss rechtzeitig vor dem Start der Behandlung erfolgen, damit die Patienten die Möglichkeit haben, sich eventuell dagegen zu entscheiden.
Ohne Einwilligung der Patienten geht es nicht
Denn speziell dieser Punkt fehlt leider oft im Arzt-Patient-Verhältnis: Nicht der Arzt entscheidet über die Behandlung, sondern allein der Patient – denn alles andere würde gegen das Recht auf Selbstbestimmung verstoßen. Das heißt: Niemand muss sich behandeln lassen, wenn er das nicht will, auch dann nicht, wenn eine Behandlung medizinisch notwendig ist. Deshalb ist die Einwilligung des Patienten die rechtliche Grundlage jeder Behandlung, wobei die Einwilligung nur gültig ist, wenn der Patient rechtzeitig, umfassend und vollständig über die Behandlung aufgeklärt wurde.
Eine besonderer Fall liegt bei Patienten vor, die selbst nur eingeschränkt oder gar nicht einwilligungsfähig sind. Hier kann ein gesetzlich bestimmter Vertreter entscheiden. Wichtig ist aber, dass trotzdem der Patient selbst – soweit es möglich ist – in die Entscheidung einbezogen wird.
Schwierig wird es auch bei Patienten, die grundsätzlich entscheidungsfähig sind, allerdings aufgrund einer akuten psychischen Erkrankung, zum Beispiel einer depressiven Episode, nicht in der Lage sind, bei einer fehlenden Auskunft nachzuhaken. Hier kann es hilfreich sein, eine Begleitung mitzunehmen, auch wenn diese keine gesetzliche Betreuerin ist.
Patientenrechtegesetz ermöglicht Einsicht in die Behandlungsunterlagen
Ein weiterer Bereich, der im Patientenrechtegesetz geregelt wird, ist die Akteneinsicht. Hiernach hat jede Patientin bzw jeder Patient grundsätzlich das Recht jederzeit alle ihn betreffenden Behandlungsunterlagen einsehen.
Zugleich umfasst dieses Recht auch die Herausgabe einer Kopie der Behandlungsunterlagen in gedruckter bzw. elektronischer Form. Dabei dürfen für die Anfertigung und Herausgabe der ersten Kopie der Patientin bzw. dem Patienten keinerlei Kosten aufgelegt werden.
Es gibt allerdings einige Fälle, in denen den Patienten die Akteneinsicht verwehrt werden darf. Datenschutz kann eine Rolle spielen: Da in der Patientenakte möglicherweise auch Informationen über Angehörige, zum Beispiel über Vorerkrankungen, enthält, müssen diese vor dem Zugriff Dritter geschützt werden.
Ein anderer Fall bezieht sich auf die psychische Verfassung des Patienten: Sollte beispielsweise die Gefahr eines Suizids bestehen, kann es im Interesse des Patienten sein, ihm nicht alle Informationen zur Verfügung zu stellen.
Doktor Google – Segen und Fluch
Bei der zunehmende Emanzipation der Patienten spielt auch das Internet eine entscheidende Rolle. Denn online gibt es für jeden Menschen viele Möglichkeiten, sich über Krankheiten zu informieren. Das ist oft hilfreich, weil Patienten, die ihre Diagnose kennen, so zum Beispiel die Leitlinien einsehen können, nach denen ihre Krankheit behandelt werden sollte.
Allerdings kursieren im Internet auch viele Fehlinformationen. Viele Ärzte sind verständlicherweise nicht unbedingt begeistert von Patienten, die auf Basis des Internets Eigendiagnosen stellen oder esoterische Behandlungsmethoden einfordern.
Schwierig wird es jedoch, wenn Ärzte sich grundsätzlich weigern, auf eigene Informationen der Patienten einzugehen oder den Patienten grundsätzlich die Fähigkeiten absprechen, Informationen richtig einzuordnen.
Hierbei spielen allerdings auch die Krankenkassen eine Rolle. Denn um Informationen zwischen Arzt und Patient gleichberechtigt zu teilen, reichen die sieben bis acht Minuten, die die GKV für ein Patientengespräch zu Grund legt, unter Umständen nicht aus. Obwohl auch die Pflichten der Krankenkassen im Patientenrechtegesetz geregelt sind, wäre an dieser Stelle eventuell eine Nachbesserung angebracht.