Die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit starkem Untergewicht wuchs 2020 um 35 Prozent. Kurios: Nach einem Rückgang im ersten Lockdown um minus 19 Prozent verdoppelten sich die Fälle direkt danach. Stationär behandelte Essstörungen wie Bulimie und Anorexie nahmen in den Lockdowns deutlich zu. Im Jahresvergleich gab es einen Anstieg um satte zehn Prozent.
Die Zahl von stationär behandelten Kindern und Jugendlichen mit Diabetes-Typ‑1-Diagnose nahm 2020 mit zwei Prozent leicht zu. Allerdings gab es im ersten Lockdown einem starken Rückgang um 28 Prozent. Dagegen lag die Zahl der Behandlungen im zweiten Lockdown bei 42 Prozent über dem Vorjahr.
Die Zahl der behandelten Infektionskrankheiten sank dagegen deutlich. Gründe dafür sehen die Wissenschaftler in den Kontaktbeschränkungen und Hygienemaßnahmen.
Die Krankenhausbehandlungen bei virusbedingten Darminfektionen gingen im Vergleich zum Vorjahr um 80 Prozent zurück. Bei Mandelentzündungen gab es ein Minus von 46 Prozent. Ferner gab es ein Drittel weniger junge Patientinnen und Patienten mit einer akuten Bronchitis.
Verschiebungen im Krankheitsspektrum
„Neben Erkrankungen, die vom Infektionsgeschehen weitgehend unberührt geblieben sind, wie zum Beispiel onkologische Erkrankungen oder die Versorgung von Frühgeborenen, sehen wir eine Gruppe von Erkrankungen mit erheblichen Veränderungen durch die Pandemie. So kam es zu einem starken Einbruch der Fallzahlen und einer deutlichen Verschiebung im Krankheitsspektrum von stationär versorgten Kindern und Jugendlichen“, so Professor Eckard Hamelmann.
Hamelmann ist Direktor der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Evangelischen Klinikum Bethel, Universitätsklinikum OWL der Universität Bielefeld.
„Es zeichnet sich ab, dass die schlechtere allgemeine Versorgungslage, wie wir sie zu Zeiten der Pandemie erlebt haben, zu einer Zunahme von schweren Krankheitsverläufen und psychischen Begleiterkrankungen geführt hat. Auch werden wir mit einem ‚Nachholeffekt‘ bei Infektionskrankheiten rechnen müssen, die jetzt durch die Maßnahmen des Infektionsschutzes ausgefallen sind.“
Insgesamt weniger Kinder in Krankenhäusern
Im Corona-Jahr 2020 ging die Zahl der Krankenhausfälle von Kindern und Jugendlichen generell leicht zurück. So verzeichneten deutsche Krankenhäuser 2020 im Vergleich zum Vorjahr rund fünf Prozent weniger junge Patientinnen und Patienten. Am deutlichsten war der Rückgang im ersten Lockdown (minus 41 Prozent), weniger stark im zweiten Lockdown (minus zehn Prozent).
Die Anzahl an Operationen blieb im Jahresvergleich fast konstant und stieg leicht um knapp ein Prozent. Auch hier hatten die Lockdowns deutliche Effekte: Wurden im Frühjahrs-Lockdown noch knapp 40 Prozent weniger Operationen durchgeführt, waren es im Herbst- und Winter-Lockdown etwas mehr Eingriffe als im Vorjahr.
Keine psychische Normalität
Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, erklärt dazu: „Die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie haben deutlich negative Effekte auf die Kinder- und Jugendgesundheit – vor allem in den Bereichen Körpergewicht und psychische Gesundheit. Diese Effekte werden uns noch nachhaltig beschäftigen. Es wird noch lange dauern, bis wir zu einer Normalität zurückkehren können.“
Für die DAK-Sonderanalyse untersuchten die Wissenschaftler die anonymisierten Krankenhausdaten von knapp 800.000 Kindern und Jugendlichen im Alter bis 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit versichert sind. Analysiert wurden die Krankenhausaufenthalte 2020 im Vergleich zu 2019 mit einem besonderen Fokus auf die Corona-Lockdowns und ihre Auswirkungen.
Quelle: DAK Gesundheit, Berufsverband Kinder-und Jugendärzte (bvkj)