Homöopathie
Homöo­pa­thie: Immer wieder in der Kritik Bild: © Oksix | Dreamstime.com

Ein Patient leidet an einem bösar­ti­gen Tumor, seine Prognose sieht schlecht aus. Weil er in der Vergan­gen­heit drasti­sche Erfah­run­gen gemacht hat, möchte er sich nicht mit klassi­schen Chemo­the­ra­peu­tika behan­deln lassen.

Er wolle sich in seiner verblei­ben­den Lebens­phase „nicht mehr vergif­ten lassen“. Eine Behand­lung in Gänze verwei­gert er aber nicht, er möchte alter­na­tive Heilmög­lich­kei­ten nutzen. Geht das?

Kann der Patient funktio­nie­rende Heilme­tho­den ableh­nen?

Bevor der Arzt eine Behand­lung durch­füh­ren kann, braucht er die Einwil­li­gung des Patien­ten. Das bedeu­tet, auch wenn eine Heilme­thode schul­me­di­zi­nisch indiziert wäre und mit hoher Wahrschein­lich­keit zu einer Verbes­se­rung des Gesund­heits­zu­stan­des des Patien­ten führt, darf sie nicht einfach so unter­nom­men werden.

§ 630d BGB regelt die Einwil­li­gung in medizi­ni­sche Behand­lun­gen:

(1) Vor der Durch­füh­rung einer medizi­ni­schen Maßnahme, insbe­son­dere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesund­heit, ist der Behan­delnde verpflich­tet, die Einwil­li­gung des Patien­ten einzu­ho­len […].

Sollte der Patient in dem beschrie­be­nen Fall also eine Behand­lung mit Chemo­the­ra­peu­tika tatsäch­lich ableh­nen, obwohl sie eine Verbes­se­rung seines Zustan­des verspricht, dann kann er dies ohne weitere Begrün­dung tun. Es können ihm dann alter­na­tive Behand­lungs­mög­lich­kei­ten angebo­ten werden.

Gehört die Homöo­pa­thie dazu, oder stellt sie keine verläss­li­che Behand­lungs­mög­lich­keit dar?

Homöo­pa­thie als alter­na­tive Behand­lungs­mög­lich­keit

Homöo­pa­thie ist seit über 200 Jahren eine weit verbrei­tete Alter­na­tiv­me­di­zin. Sie geht auf die Arbeit des Arztes Samuel Hahne­mann zurück.

Die Homöo­pa­thie gehört zur sogenann­ten komple­men­tä­ren Medizin. Das bedeu­tet, es werden Substan­zen einge­setzt, die beim Menschen bestimmte Symptome auslö­sen, um Erkrankte, die genau an diesen Sympto­men leiden, zu heilen.

Die Beson­der­heit an homöo­pa­thi­schen Arznei­mit­teln ist, dass sie in einem spezi­el­len Zuberei­tungs­ver­fah­ren herge­stellt werden. Recht­lich gesichert ist diese Bezeich­nung durch § 4 Arznei­mit­tel­ge­setz.

Arznei­mit­tel­ge­setz (AMG) § 4 Sonstige Begriffs­be­stim­mun­gen

[…]

(26) Homöo­pa­thi­sches Arznei­mit­tel ist ein Arznei­mit­tel, das nach einem im Europäi­schen Arznei­buch oder, in Erman­ge­lung dessen, nach einem in den offizi­el­len gebräuch­li­chen Pharma­ko­pöen der Mitglied­staa­ten der Europäi­schen Union beschrie­be­nen homöo­pa­thi­schen Zuberei­tungs­ver­fah­ren herge­stellt worden ist. Ein homöo­pa­thi­sches Arznei­mit­tel kann auch mehrere Wirkstoffe enthal­ten.

Das Zuberei­tungs­ver­fah­ren zeich­net sich dadurch aus, dass die Wirkstoffe stark verdünnt werden. Die Wirkung soll dabei umso stärker werden, je häufi­ger der Ausgangs­stoff verdünnt wurde. Wissen­schaft­lich ist das jedoch nicht bewie­sen.

Die aktuelle Studi­en­lage[1][2][3] belegt recht eindeu­tig, dass homöo­pa­thi­sche Mittel wahrschein­lich keine Wirksam­keit abseits des Placebo-Effekts haben. Im finalen Produkt, das meist in Form von Globuli (kleine Zucker­ku­geln) verab­reicht wird, ist der Wirkstoff nämlich kaum noch vorhan­den.

Recht­li­cher Rahmen zur Behand­lung mit Homöo­pa­thie

Bevor homöo­pa­thi­sche Arznei­mit­tel in Deutsch­land auf den Markt kommen, müssen sie zuerst vom Bundes­in­sti­tut für Arznei­mit­tel und Medizin­pro­dukte (BfArm) geprüft werden. Dazu kann beim BfArm ein Antrag auf Regis­trie­rung gestellt werden. Wie der Prozess abläuft, ist durch §§ 38, 39 Arznei­mit­tel­ge­setz (AMG) geregelt.

Arznei­mit­tel­ge­setz (AMG) § 38 Regis­trie­rung homöo­pa­thi­scher Arznei­mit­tel

(1) Fertig­arz­nei­mit­tel dürfen als homöo­pa­thi­sche Arznei­mit­tel im Geltungs­be­reich dieses Geset­zes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie in ein bei der zustän­di­gen Bundes­ober­be­hörde zu führen­des Regis­ter für homöo­pa­thi­sche Arznei­mit­tel einge­tra­gen sind (Regis­trie­rung). Einer Zulas­sung bedarf es nicht. […]

Es kann aller­dings auch eine Zulas­sung gemäß § 21 AMG nötig werden, sollte ein Herstel­ler homöo­pa­thi­sches Arznei­mit­tel mit der Angabe von spezi­el­len Anwen­dungs­ge­bie­ten in Verkehr bringen wollen.

In solch einem Fall muss der Antrag­stel­ler dazu Unter­la­gen zur Quali­tät, Unbedenk­lich­keit und Wirksam­keit des homöo­pa­thi­schen Arznei­mit­tels einrei­chen.

Grund­sätz­lich bestehen also zwei Möglich­kei­ten, wie ein homöo­pa­thi­sches Arznei­mit­tel auf den Markt gelan­gen kann: durch Regis­trie­rung oder durch Zulas­sung beim BfArm.

Auf dem Weg über die Regis­trie­rung – ohne Angabe spezi­el­ler Anwen­dungs­ge­biete – ist es somit möglich, dass homöo­pa­thi­sche Mittel ohne einen Wirkungs­nach­weis in Verkehr kommen.

Grund­lage dieses Verfah­rens ist das 1978 in Kraft getre­tene „Gesetz zur Neuord­nung des Arznei­mit­tel­rechts“. Im Bericht des damali­gen Ausschus­ses hieß es: „Bei der Neuord­nung des Arznei­mit­tel­rechts ist der Ausschuß von der Tatsa­che ausge­gan­gen, daß auf dem Gebiet der Arznei­mit­tel­the­ra­pie mehrere Thera­pie­rich­tun­gen neben­ein­an­der bestehen, die von unter­schied­li­chen theore­ti­schen Denkan­sät­zen und wissen­schaft­li­chen Metho­den ausge­hen“.

Dass Homöo­pa­thie angebo­ten wird, hängt also fest mit dem Wissen­schafts­plu­ra­lis­mus zusam­men. Der Gesetz­ge­ber hat darüber hinaus auch Regelun­gen beschlos­sen, nach denen Ärzte homöo­pa­thi­sche Mittel verord­nen und abrech­nen dürfen.

Nach § 31 SGB V haben Versi­cherte den „Anspruch auf Versor­gung mit apothe­ken­pflich­ti­gen Arznei­mit­teln, soweit sie nicht nach § 34 […] ausge­schlos­sen sind“. Da homöo­pa­thi­sche Arznei­mit­tel nicht verschrei­bungs­pflich­tig sind, schließt das Homöo­pa­thie auf den ersten Blick aus.

Aller­dings sieht § 34 SGB V in Absatz 3 eine Sonder­re­ge­lung für beson­dere Thera­pie­rich­tun­gen mit homöo­pa­thi­schen, phyto­the­ra­peu­ti­schen und anthro­po­so­phi­schen Arznei­mit­teln vor. Hier muss der beson­de­ren Wirkungs­weise dieser Arznei­mit­tel Rechnung getra­gen werden.

In den „Arznei­mit­tel-Richt­li­nien“ (AM-RL) des Gemein­sa­men Bundes­aus­schuss (G‑BA) ist demzu­folge die Verord­nungs­fä­hig­keit derar­ti­ger Arznei­mit­tel nicht ausge­schlos­sen (§ 5 AM-RL).

In § 12 Nummer 6 AM-RL ist expli­zit aufge­führt, dass behan­delnde Ärztin­nen und Ärzte auch bei schwer­wie­gen­den Erkran­kun­gen Arznei­mit­tel der Homöo­pa­thie verord­nen können.

Dabei ist zum einen zu berück­sich­ti­gen, dass das Arznei­mit­tel dem anerkann­ten Thera­pie­stan­dard der Homöo­pa­thie für diese Erkran­kung zu entspre­chen hat, und zum anderen der verord­nende Arzt die zugrunde liegende Diagnose in der Patien­ten­do­ku­men­ta­tion als Begrün­dung festhält.

Aus recht­li­cher Sicht steht der ärztli­chen Verord­nung von Homöo­pa­thie also auch in der Pallia­tiv­me­di­zin nichts entge­gen. Voraus­set­zung ist, dass der Patient vor seiner Einwil­li­gung korrekt aufge­klärt wurde.

Regelung für ärztli­che Aufklä­rung bei Homöo­pa­thie

Gerade bei Place­boap­pli­ka­tio­nen zeigt sich bei der ärztli­chen Aufklä­rung ein Dilemma.[4] Da bei der Place­bo­the­ra­pie pharma­ko­dy­na­misch unwirk­same Substan­zen einge­setzt werden, setzt die Wirkung der Thera­pie auf psychi­scher Ebene an.

Nach § 630e BGB ist der Arzt verpflich­tet über „Art, Umfang, Durch­füh­rung, zu erwar­tende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwen­dig­keit, Dring­lich­keit, Eignung und Erfolgs­aus­sich­ten“ der Thera­pie aufzu­klä­ren.

Das hätte zur Folge, dass die Erfolgs­chan­cen der Place­bo­the­ra­pie wahrschein­lich als sehr schlecht bewer­tet werden. Dadurch würde aber der „Effekt der Sugges­tion einer spezi­fi­schen Thera­pie“ ausge­he­belt werden. Genau diese Sugges­tion führt aller­dings dazu, dass Place­bos wirksam sind.

Es wird klar, dass die recht­lich erlaub­ten Wege nicht in Einklang mit den medizi­ni­schen Möglich­kei­ten stehen. Klärt der Arzt also den Patien­ten recht­lich korrekt und vollum­fäng­lich auf, verliert die Thera­pie wahrschein­lich ihre medizi­ni­sche Wirksam­keit.

Wird zum Zwecke einer mögli­cher­weise gelin­gen­den Place­bo­the­ra­pie nicht korrekt aufge­klärt, verstößt der Arzt gegen gelten­des Recht und auch gegen das Selbst­be­stim­mungs­recht des Patien­ten. Für den Arzt birgt das Haftungs­ri­si­ken und eventu­ell sogar straf­recht­li­che Ermitt­lun­gen.

Im Sinne der Patien­ten­au­to­no­mie ist eine recht­lich korrekte Aufklä­rung also unumgäng­lich. Bei der Abwägung zwischen Wohl und Wille des Patien­ten muss dem Willen immer die oberste Priori­tät gegeben werden.

Quellen:

  1. Infor­ma­ti­ons­netz­werk Homöo­pa­thie (abgeru­fen 08.05.2024): Syste­ma­ti­sche Reviews zur Homöo­pa­thie – Übersicht.
  2. Mathie, Robert T. et a. (2019): Syste­ma­tic Review and Meta-Analy­sis of Rando­mi­sed, Other-than-Placebo Control­led, Trials on Non-Indivi­dua­li­sed Homeopa­thic Treat­ment.
  3. Natio­nal Health and Medical Research Council (2015): NHMRC Infor­ma­tion Paper. Evidence of the effec­ti­ve­ness of homeopa­thy for treating health condi­ti­ons.
  4. Reich­mann, Philipp C. (2015): Die Place­boap­pli­ka­tion. Eine recht­li­che Betrach­tung der thera­peu­ti­schen Verwen­dung. Berlin: Duncker & Humblot. S. 167–169.