Es klingt zu schön, um wahr zu sein: Sich einmal pro Woche eine Spritze in den Bauch setzen, und die Pfunde purzeln von ganz alleine. Genau dies begründet die Aufregung um das Präparat Ozempic, das in erster Linie ein Medikament für Menschen mit Typ-2-Diabetes ist. Um bis zu 15 Prozent soll laut diverser Studien, unter anderem im renommierten „New England Journal of Medicine“, die Gewichtsabnahme bei Probanden nach einigen Wochen betragen haben.
Wegen seiner gleichzeitig gewichtsreduzierenden (Neben-)Wirkung ist ein Hype um das Diabetes-Mittel entstanden, befeuert von Prominenten wie dem US-Unternehmer Elon Musk sowie dem Model und Schauspielerin Kim Kardashian, die Ozempic selbst angewendet haben und in den Social-Media-Kanälen davon berichteten.
Zahlreiche „nur“ an Übergewicht oder Fettleibigkeit leidende Menschen ahmen es ihnen nach und lassen sich das Medikament im sogenannten „Off-Label-Use“, also abseits der eigentlichen Zweckbestimmung des Medikaments, von ihren Ärzten verschreiben – was wiederum zur Folge hat, dass das Medikament knapp wird und tatsächlich an Diabetes Erkrankte Probleme haben, an das Arzneimittel zu kommen.
Dementsprechend wendet sich die Deutsche Diabetes-Gesellschaft in einer von ihr mitgetragenen Stellungnahme gegen die Verschreibung an „nur“ Übergewichtige oder Adipöse ohne gleichzeitige Diabetes: „Um die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes bedarfsgerecht sicherstellen zu können, soll der Einsatz der Produkte außerhalb der zugelassenen Indikationen nur im Rahmen von klinischen Studien durchgeführt werden“, heißt es darin.
Alternativpräparat zu Ozempic mit gleichem Wirkstoff noch nicht erhältlich
Bereits im März dieses Jahres warnte die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) per Informationsschreiben vor einer Ozempic-Knappheit, und hielt Apotheker dazu an, bei Abgabe des Medikaments genau hinzuschauen und Patienten über Alternativen aufzuklären.
Produziert wird Ozempic vom dänischen Pharma-Unternehmen Novo Nordisk. Seit 2017 ist Ozempic zur Behandlung von Diabetes mellitus in den Vereinigten Staaten zugelassen, seit 2018 auch in der Europäischen Union. Es ist verschreibungspflichtig, also nicht rezeptfrei erhältlich. Semaglutid, der Wirkstoff in Ozempic, fördert die Freisetzung von Insulin im Körper, sorgt gleichzeitig aber für ein Sättigungsgefühl – unter anderem, weil es die Entleerung des Magens verlangsamt und als Hirn-Botenstoff dämpfend auf das Appetitempfinden einwirkt.
Ein ebenfalls auf dem Wirkstoff Semaglutid basierendes Medikament, jedoch speziell auf Abnehmwillige zugeschnitten, ist Wegovy, das seit 2021 in den USA und seit 2022 in der EU zugelassen ist. Allerdings ist es bis heute noch nicht auf dem deutschen Markt erhältlich – was die Knappheit bei Ozempic verschärft: Wegovy wird ebenfalls von Novo Nordisk produziert.
Noch dazu wird Wegovy pro Anwendung deutlich teurer sein als Ozempic. Von den Kassen übernommen würden die Kosten aller Wahrscheinlichkeit nach nicht.
Mehrheit der Deutschen würde gerne weniger wiegen
Die Zielgruppe für Abnehmpräparate ist derweil riesengroß: In Deutschland ist laut einer auf Selbstauskünften der Befragten basierenden Studie aus dem Jahren 2019/20 fast jede zweite Frau und sogar mehr als 60 Prozent der Männer übergewichtig; knapp ein Fünftel der Deutschen weisen demnach eine Adipositas (Fettleibigkeit) auf – haben also einen Body-Mass-Index von 30 oder darüber.
Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmen Appinio von Anfang des Jahres möchten 71 Prozent der Frauen, 48 Prozent der Männer – von allen Befragten, nicht nur der tatsächlich Übergewichtigen – aktuell abnehmen. Auf der anderen Seite ist bei rund 4,6 Millionen Menschen zwischen 18 und 79 Jahren, 7,2 Prozent, bereits eine Diabetes mellitus diagnostiziert worden.
Gefahr von erheblichen Nebenwirkungen
Neben den hohen Kosten sind die, bei der Anwendung von Wegovy möglicherweise auftretenden, Nebenwirkungen zu berücksichtigen. Die European Medicines Agency [PDF] nennt als „sehr häufig“ (bei mehr als einem von zehn Anwendern) auftretende Begleiterscheinungen Durchfall, Erbrechen und Übelkeit.
Auch Verstopfung, Völlegefühl, Müdigkeit, Bauchkrämpfe und Kopfschmerzen werden als mögliche Nebenwirkungen genannt, im schlimmsten Fall eine Bauchspeicheldrüsenentzündung. Neuerdings steht das Präparat auch im Verdacht Suizidgedanken auszulösen.
Zudem wirkt das Medikament nur so lange gewichtsreduzierend, wie man es einnimmt – hinzu kommt die genannte, ethisch bedenkliche Konkurrenz zu Diabetikern, die auf das Mittel tatsächlich im Rahmen ihrer Therapie angewiesen sind. Vielleicht also sind eine Ernährungsumstellung und Bewegung doch die lohnenderen Wege zur Wunschfigur…