Im Kampf gegen den Mangel an Spenderorganen drehen die Niederlande nun den Spieß um: Dort sind zukünftig alle volljährigen Bürger nach ihrem Tod potenzielle Organspender – es sei denn, sie haben der Organ-Entnahme zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen. Denn das Land hat die sogenannte „Widerspruchslösung” beschlossen. Bisher war es dort umgekehrt: Wer bereit war, Organe zu spenden, musste dem aktiv zustimmen.
Für den entsprechenden Gesetzesentwurf sprach sich am 13. Februar die Erste Kammer, das niederländische Oberhaus, mit einer äußerst knappen Mehrheit von 38 zu 36 Stimmen aus. Die Zweite Kammer, die direkt gewählte Volksvertretung der Niederlande, hatte dem Gesetzesentwurf der linksliberalen Partei „Democraten 66” bereits im September 2016 zugestimmt – mit einer ebenfalls denkbar knappen Mehrheit von 75 zu 74. Die Regierung muss das Gesetz noch verkünden, damit es in Kraft tritt.
Organ-Entnahme muss künftig aktiv abgelehnt werden
Ähnlich der Situation in Deutschland, leiden die Niederlande unter einem Mangel an transplantierbaren Organen. Laut Statistik des Europarats kommen auf eine Million Niederländer derzeit nur 14,7 Spender.
Die Neuregelung, eingebracht von der Democraten 66-Abgeordneten Pia Dijkstra, sieht nun einen Paradigmenwechsel vor: Alle Bürger sollen schriftlich befragt werden, ob sie als Organspender zur Verfügung stehen sollen. Sie können zustimmen oder ablehnen, alternativ auch die Entscheidung einer bestimmten Person oder einem nahen Verwandten anvertrauen. Wer jedoch gar nicht antwortet, gilt automatisch als potenzieller Spender. Wenn man die getroffene Entscheidung nachträglich ändern will, ist das jederzeit möglich.
Modell auch für Deutschland?
Die Abstimmung in der Ersten Kammer hatten die meisten Parteien ihren Mandatsträgern komplett freigegeben. Tatsächlich stimmten mehrere Fraktionen uneinheitlich ab. Vor allem Linksliberale, Sozialisten, Grüne sowie Teile der Rechtsliberalen, Christ- und Sozialdemokraten brachten die Mehrheit zustande; die beiden ultra-christlichen Kleinparteien CU und SGP, die rechtspopulistische PVV sowie die Tierschutzpartei PVdD stimmten geschlossen dagegen. In Umfragen hatte sich eine knappe Mehrheit der Niederländer zuvor für das nun beschlossene Modell ausgesprochen.
In Deutschland ist die Versorgung mit Spenderorganen noch dramatischer als in den Niederlanden: Dort gab es 2017 nur 9,7 Spender pro eine Million Einwohner. Hier gilt bislang die sogenannte Entscheidungslösung: Alle Krankenversicherten ab 16 Jahren erhalten Informationsmaterial und einen Organspende-Ausweis. Die Organentnahme nach dem Tod ist dann zulässig, wenn die Person im Organspende-Ausweis oder einer Patientenverfügung dem zugestimmt hat. Liegt keine Entscheidung vor, werden die Angehörigen befragt. Der niederländische Schritt dürfte nun für Diskussionen auch hierzulande sorgen.