„Eine Pause ist nicht möglich“
Eine Frau arbeitet als Pflegehelferin in einem Altersheim ausschließlich im Nachtdienst. Für monatlich 15 Nächte bekommt sie 1.700 Euro Bruttogehalt. In den jeweiligen Nachtschichten – von 20:45 Uhr bis 7:30 Uhr – ist im Arbeitsvertrag pauschal eine Stunde Pause vorgesehen.
In dem Altersheim, in welchem sie arbeitet, leben circa 86 Bewohnerinnen und Bewohner. Für diese sind auf vier Etagen in der Nacht zwei Mitarbeitende zuständig. Die Frau behauptet, dass es ihr deshalb überhaupt nicht möglich sei, in ihrer Arbeitszeit Unterbrechungen zu machen.
Außerdem behauptet die Klägerin, dass es die Vorgabe gegeben habe – entgegen der vertraglichen Einigung – in den Nachtschichten durchgängig tätig zu sein.
Klage vor Gericht für nachträgliche Vergütung
Für den Zeitraum von Januar 2009 bis Juni 2012 verlangt sie deshalb die nachträgliche Zahlung ihrer Arbeit für die gesamten Schichten. Nicht ein mal hätte sie die Arbeit unterbrechen können.
Vor Gericht begehrt sie, dass für ihre neun Stunden Schicht im Voraus mindestens 45 Minuten Ruhezeit eingeplant und ermöglicht werden. Außerdem möchte sie, dass ihre Arbeitszeit von 20:45 bis 7:30 Uhr – insgesamt 10,75 Stunden – als unzulässig anerkannt wird. Für die nicht genommenen Pausen verlangt sie für den genannten Zeitraum 6.690,60 Euro.
In der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht in Köln hat das Gericht der Frau nur teilweise zugestimmt. Unzulässig sei die Forderung nach Zuweisung und Ermöglichung von festehenden Ruhepausen. Ferner sei es nicht möglich, die vorgegebene Arbeitszeit von 10,75 Stunden als unzulässig anzuerkennen. Bei beiden Anträgen der Klägerin fehlt es einerseits am vollstreckungsfähigen Inhalt und andererseits besteht besteht bezüglich dieser Anträge auch kein Feststellungsinteresse.
Zahlungsantrag der Pflegehelferin ist zulässig
Zumindest der Zahlungsantrag ist allerdings überwiegend begründet. Die Frau könne zwar Vergütung für die Arbeitszeit verlangen, allerdings nicht in der Höhe von 6.690,60 Euro. Auf Grundlage des § 611 Absatz 1 BGB stehen ihr 5.490,45 Euro nachträgliche Zahlung zu.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können nach Auffassung des Gerichts immer dann Vergütung für die gesamte Schicht inklusiv Pause verlangen, wenn der Arbeitgeber zwar eine Arbeitsunterbrechung vorsieht, diese aber von den Mitarbeitenden nicht wahrgenommen werden konnte.
Grundsätzlich sind Pausen nicht vergütungspflichtig. Das geht aus dem § 4 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sowie § 2 Absatz 1 ArbZG hervor. § 2 Absatz 1 ArbZG führt diesbezüglich aus, dass die Pause keine Arbeitszeit ist. Mithin stellen Ruhepausen eine Arbeitszeitunterbrechung dar und der Arbeitnehmer unterliegt in diesem Zeitraum nicht mehr dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Die Pause soll der Erholung des Arbeitnehmers dienen. Damit eine Pause rechtlich auch als „Pause“ gewertet werden kann, muss „im Voraus“ Beginn und Dauer der Arbeitszeitunterbrechung festliegen.
Ruhepausen sind nicht vergütungspflichtig
In dieser Unterbrechung muss der Arbeitnehmer keinen Dienst leisten und kann frei bestimmen, wie er die Zeit nutzen möchte. Er kann in dieser Zeit auch den Arbeitsplatz verlassen.
In der Arbeitsunterbrechung ist der Arbeitnehmer also von allen Arbeitspflichten befreit und muss sich auch nicht zur Arbeit bereithalten. Wie weit „im Voraus“ Beginn und Dauer der Arbeitszeitunterbrechung feststehen muss, damit sie als rechtmäßig angeordnete Ruhepause gelten kann, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich aufgefasst.
Nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG 13. Oktober 2009 – 9 AZR 139/08) ist es ausreichend, wenn der Arbeitnehmer zu Beginn der Unterbrechung weiß, wie lange die Pause dauern wird.
Das BAG weist hierbei darauf hin, dass eine Arbeitsunterbrechung, bei der der Arbeitnehmer nicht weiß, wie lange sie dauern wird, keine Ruhepause ist. Der Arbeitnehmer müsste sich in dieser Situation nämlich stets zur Arbeit bereithalten und könne nicht zur Ruhe kommen.
Andere Urteile legen nahe, dass der Anfang und das Ende der Unterbrechung schon vor Beginn der tatsächlichen Arbeitszeit bestimmt sein muss (LAG Köln 16. Mai 2012 – 3 Sa 49/12). Wieder andere halten es für ausreichend, wenn vor Beginn der Arbeitszeit wenigstens ein zeitlicher Rahmen feststeht, in dem die Ruhezeit genommen werden kann. So ist es auch in der Gesetzesbegründung zu lesen.
Was sind die Pflichten des Arbeitgebers bei Pausen?
Egal wie die Frage nach dem „Voraus“ schließlich beantwortet wird, steht in diesem Fall außer Frage, dass der Arbeitgeber seinen Pflichten nicht nachgekommen ist. Er hätte zweifelsfrei eine Ruhepause gewähren müssen. Seine Pflicht ist nicht erfüllt, wenn er seinen Mitarbeitenden selbst überlässt, die Pausenzeiten zu regeln. Die Verantwortung für die Festlegung der Pausenzeiten liegt beim Arbeitgeber.
Der Arbeitgeber gab zwar an, die Nachtwachen – und damit auch die Pflegehelferin – angewiesen zu haben zwischen 2 und 5 Uhr eine Arbeitszeitunterbrechung zu machen. Weil die Mitarbeitenden das aber trotzdem nicht gemacht haben, fällt das zurück auf den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber hat die Pflicht dafür zu sorgen, dass Ruhepausen tatsächlich genommen werden.
Vor Gericht ließ sich nicht darlegen, von wann bis wann die Klägerin ihre Arbeitszeit unterbrochen haben soll. Außerdem ist der vom Arbeitgeber genannte Zeitrahmen ohnehin gesetzwidrig. Nach § 4 ArbZG ist spätestens nach 6 Stunden Arbeitszeit eine Pause zu nehmen. Mithin war das vorgegebene Pausenzeitfenster unzulässig, denn spätestens um 2.45 Uhr hätte die erste Pause genommen werden müssen. Aus den genannten Gründen muss der Arbeitgeber der Pflegehelferin die nicht genommenen Ruhepausen während des Nachtdienstes von Januar 2009 bis Juni 2012 nachträglich vergüten. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle: LAG Köln vom 27.11.2013 – 5 Sa 376/13
1 Kommentar
Spanndes Thema. Wie sieht so etwas im Rettungsdienst aus? Unsere Arbeit wird ja eh schon faktorisiert und Pausen werden angerechnet. Aber, wenn der Alarm geht, ist die Pause auch vorbei.