Seit dem 13. Januar 2015 liegt er vor: Der mit Spannung erwar­tete Referen­ten­ent­wurf für das sogenannte E‑Health-Gesetz, das Gesetz für sichere digitale Kommu­ni­ka­tion und Anwen­dun­gen im Gesund­heits­we­sen. In dem Entwurf sieht der Gesetz­ge­ber nicht nur konkrete Fristen für die Vernet­zung und für elektro­ni­sche Anwen­dun­gen vor, sondern auch Anreize und Sanktio­nen, wenn Zeitpläne nicht einge­hal­ten werden.

So soll die Telema­tik­in­fra­struk­tur für Arztpra­xen, Kranken­häu­ser und gesetz­li­che Kranken­kas­sen bis zum 30. Juni 2016 soweit verfüg­bar sein, dass der Versi­cher­ten­stamm­da­ten­dienst (VSDD) – die Online­prü­fung und ‑aktua­li­sie­rung der Versi­cher­ten­stamm­da­ten – bundes­weit verfüg­bar ist. Das Vorha­ben muss klappen, denn wird dieser Termin nicht einge­hal­ten, wird der Gesell­schaft für Telema­tik­an­wen­dun­gen der Gesund­heits­karte mbH (Gematik) ab 2017 der Haushalt gekürzt. Auch Ärzten, die ihrer Verpflich­tung zur Versi­cher­ten­stamm­da­ten­prü­fung nach einer Übergangs­frist ab dem 1. Juli 2018 nicht nachkom­men, wird die Vergü­tung vertrags­ärzt­li­cher Leistun­gen um ein Prozent gekürzt.

Auch die Versi­cher­ten sollen profi­tie­ren

Neben dem VSDD sind weitere Maßnah­men geplant. So sollen Ärzte und Kranken­häu­ser für den elektro­ni­schen Entlass­brief als Anschub­fi­nan­zie­rung für zwei Jahre eine gesetz­lich festge­legte Vergü­tung erhal­ten. Diese beträgt ein Euro für Kranken­häu­ser und 50 Cent für Ärzte. Für die sichere Übermitt­lung elektro­ni­scher Arztbriefe erhal­ten die an der vertrags­ärzt­li­chen Versor­gung teilneh­men­den Ärzte und Einrich­tun­gen für die Jahre 2016 und 2017 eine Pauschale von 55 Cent.

Auch den Versi­cher­ten kommt das das Geset­zes­vor­ha­ben direkt zu Gute. Wer mindes­tens fünf verord­nete Arznei­mit­tel einnimmt, hat ab dem 1. Oktober 2016 nicht nur Anspruch auf einen Medika­ti­ons­plan in Papier­form. Der Medika­ti­ons­plan soll auch elektro­nisch über die Gesund­heits­karte verfüg­bar sein. Auch ein sogenann­ter Notfall­da­ten­satz ist in Planung, der im medizi­ni­schen Notfall abgeru­fen wird und den behan­deln­den Ärzten wichtige Infor­ma­tio­nen über den Patien­ten liefern soll. Für den mit diesem Daten­satz verbun­de­nen Dokumen­ta­ti­ons­auf­wand erhält der Hausarzt ab dem 1. Januar 2018 eine Vergü­tung.

Freie Ärzte­schaft: „Gesetz übt massiv Druck aus“

Die Freie Ärzte­schaft e.V. (FÄ) kriti­siert das Vorha­ben scharf. Der Verband, der den Arztbe­ruf als freien Beruf vertritt, hat bundes­weit rund 2.000 Mitglie­der. „Statt für gute Medizin zu sorgen, kommt jetzt ein neues Gesetz, mit dem massiv Druck auf Ärzte und Patien­ten ausge­übt wird“, sagte FÄ-Vorsit­zen­der Wieland Dietrich am Donners­tag in Essen. „Minis­ter Gröhe entwi­ckelt sich zum obers­ten Zwangs­be­am­ten in unserem Land. Freiwil­lig­keit der Daten­preis­gabe – infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stim­mung als europäi­sches Grund­recht – soll es nicht mehr geben! Aber Ärzte und Versi­cherte werden ihren Wider­stand gegen zentral gespei­cherte Patien­ten­da­ten nicht aufge­ge­ben. “

Inter­na­tio­nal seien Projekte wie das Projekt der elektro­ni­schen Gesund­heits­karte reihen­weise geschei­tert, so die FÄ-Vertre­ter. Es gebe keinen einzi­gen Nachweis dafür, dass die angestreb­ten Ziele wie zentrale Patien­ten­akte, elektro­ni­sches Arznei­mit­tel­ma­nage­ment oder elektro­ni­sche Notfall­da­ten­sätze die medizi­ni­sche Betreu­ung der Bevöl­ke­rung verbes­sern würden. „Im Gegen­teil“, so Dietrich, „viele Projekte aus den USA, Großbri­tan­nien oder Frank­reich wurden aufgrund von Kosten­ex­plo­sio­nen still­ge­legt, werden nicht genutzt oder bieten keine Verbes­se­run­gen.“

KV Nieder­sach­sen und Bundes­ärz­te­kam­mer: „Richti­ges Ziel, aber…“

Bei der Kassen­ärzt­li­chen Verei­ni­gung Nieder­sach­sen (KVN) ist der E‑Health-Entwurf auf ein zwiespäl­ti­ges Echo gesto­ßen. „Das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium (BMG) befes­tigt den Weg in die elektro­ni­sche Vernet­zung im Gesund­heits­we­sen“, stellte der KVN-Vorstands­vor­sit­zende Mark Barjen­bruch dazu fest. Das sei grund­sätz­lich das richtige Ziel. „Doch es wird teilweise mit harschen Sankti­ons­me­cha­nis­men für Ärzte verfolgt und führt zu neuen Ausga­ben und Belas­tun­gen für die Praxen“, so Barjen­bruch.

Als „poten­ti­ell zielfüh­rend“ bezeich­net Dr. Franz-Joseph Bartmann, Vorsit­zen­der des Telema­tik-Ausschus­ses der Bundes­ärz­te­kam­mer, den Entwurf für das E‑Health-Gesetz. Wichtig sei die eindeu­tige Festle­gung auf die Nutzung der Telema­tik­in­fra­struk­tur über die elektro­ni­sche Gesund­heits­karte und ihre Anwen­dun­gen hinaus, sagte Bartmann in der Ärzte­zei­tung. Beden­ken äußerte er in Bezug auf die geplante Vergü­tung elektro­nisch versen­de­ter Arztbriefe. „Ob die Pauschale von 55 Cent ausreicht, hängt sicher von der Ausgangs­lage der jewei­li­gen Insti­tu­tion ab“, so Bartmann.

Die Deutsche Gesell­schaft für Teleme­di­zin (DGTele­med) begrüßt in einer Stellung­nahme grund­sätz­lich den Gesetz­ent­wurf und die darin formu­lierte Zielset­zung, die längst erwar­tete Telema­tik­in­fra­struk­tur zu etablie­ren. Um vor allem ambulante teleme­di­zi­ni­sche Leistun­gen zeitnah insbe­son­dere in ländli­chen Regio­nen zur Anwen­dung zu bringen, würden die vorge­se­he­nen Anreize und Maßnah­men jedoch nicht ausrei­chen.

Für den Bundes­ver­band Inter­net­me­di­zin (BiM) ist der Entwurf hinge­gen eine einzig Enttäu­schung. „Der jetzt dem Gesund­heits­mi­nis­ter vorge­legte Entwurf zum E‑HealthGesetz entspricht schon vor Veröf­fent­li­chung nicht mehr der Versor­gungs­rea­li­tät“, so Markus Müsche­nich, Vorstands­vor­sit­zende des Bundes­ver­ban­des. Nach Ansicht des Verban­des ignoriere der Gesetz­ent­wurf die Inter­es­sen der Patien­ten und Medizi­ner. Aspekte wie Präven­tion oder Arzt-Patien­ten-Kommu­ni­ka­tion seien nur rudimen­tär vorhan­den oder fehlen völlig. Des Weite­ren würden von der Ärzte­schaft bereits entwi­ckelte und gelebte teleme­di­zi­ni­sche Innova­tio­nen in dem Entwurf ignoriert. Für Müsche­nich offen­bare der Geset­zes­ent­wurf zudem ein aus den 1990igern stammen­des Technikverständnis: Der Entwurf seit weitest­ge­hend ein Gematik-Siche­rungs­ge­setz mit analo­gen Regeln; die Errun­gen­schaf­ten der Inter­net­me­di­zin würden ausge­blen­det. Müsche­nich: „Wenn das Parla­ment dem Vorschlag folgt, ist das, als ob es ein Auto mit Explo­si­ons­mo­tor bauen lässt, während erfolg­rei­che Unter­neh­men bereits selbst­fah­rende Elektro­au­tos auf die Straße schicken.“