Nein, ja, aber – das Alzhei­mer Medika­ment Lecane­mab sorgte bereits im vergan­ge­nen Jahr 2024 für Schlag­zei­len. Erstmals im Sommer, als der Ausschuss für Human­arz­nei­mit­tel (CHMP) der Europäi­schen Arznei­mit­tel­agen­tur (EMA) sich gegen eine Zulas­sung des Wirkstoffs in der EU aussprach. Das zweite Mal im Herbst, als er die Empfeh­lung revidierte und eine Zulas­sung unter bestimm­ten Voraus­set­zun­gen befür­wor­tete. Jetzt, im Frühjahr 2025 ist Lecane­mab von der EU-Kommis­sion zugelas­sen gewor­den – unter stren­gen Aufla­gen und nur für bestimmte Patien­ten.

Keine Heilung, aber Verzö­ge­rung

Mit Lecane­mab kann Alzhei­mer nicht geheilt oder gestoppt werden. Der Antikör­per-Wirkstoff kann den Krank­heits­ver­lauf aber verlang­sa­men und den kogni­ti­ven Abbau um ein paar Monate verzö­gern. Das ist aller­dings nur im frühen Krank­heits­sta­dium möglich, wenn die für Alzhei­mer typischen Eiweiß­ab­la­ge­run­gen im Gehirn, gegen die sich der Antikör­per richtet, noch keine irrever­si­blen Schäden hinter­las­sen haben.

Im Gegen­satz zu bishe­ri­gen Alzhei­mer Medika­men­ten zielt Lecane­mab nicht auf Symptome ab, sondern setzt an einer Ursache – den Eiweiß­ab­la­ge­run­gen – an. Es ist der erste Wirkstoff dieser Art, der eine Zulas­sung in der EU erhält. In anderen Ländern wie den USA, Japan oder China ist Lecane­mab bereits zugelas­sen und unter dem Handels­na­men Leqembi bekannt.

No Risk, no Neben­wir­kun­gen?

Die EMA begrün­dete ihre ursprüng­li­che Ableh­nung im letzten Sommer mit einem negati­ven Nutzen-Risiko-Verhält­nis. Der Ausschuss war der Ansicht, dass die getes­tete Wirksam­keit das Risiko schwer­wie­gen­der Neben­wir­kun­gen nicht überwie­gen würde: Patien­ten, die im Rahmen der Zulas­sungs­stu­die mit Lecane­mab behan­delt worden waren, wiesen in einer spezi­el­len Demenz­be­wer­tungs­kala nach 18 Monaten zwar einen günsti­ge­ren Wert aus als die Place­bo­gruppe. Der Effekt war aber gering, die Verzö­ge­rung des kogni­ti­ven Verfalls belief sich mit 27 Prozent auf etwa vier bis sieben Monate.

Demge­gen­über standen schwer­wie­gende Neben­wir­kun­gen wie Hirnschwel­lun­gen und Hirnblu­tun­gen, die bei 13 Prozent bezie­hungs­weise 17 Prozent der Proban­den auftra­ten. Diese verlie­fen in den meisten Fällen jedoch ohne Symptome. Es zeigte sich aber, dass Proban­den mit zwei Kopien des Alzhei­mer-Risiko-Gens ApoE4 beson­ders anfäl­lig für die poten­zi­ell gefähr­li­chen Neben­wir­kun­gen sind.

Weitere Beschwer­den, die im Zusam­men­hang mit der Einnahme von Lecane­mab in der Studie festge­stellt wurden, waren Kopfschmer­zen und Reaktio­nen nach der Verab­rei­chung. Darüber hinaus soll das Alzhei­mer Medika­ment auch Risiken für Patien­ten mit Blutdruck­pro­ble­men bergen, und für solche, die Blutver­dün­ner nehmen.

Einschrän­kun­gen und Aufla­gen

Die Empfeh­lung, die die EMA wenige Monate später dann doch noch für Lecane­map aussprach und nun in einer Zulas­sung durch die EU-Kommis­sion resul­tierte, ist auf Patien­ten mit keiner oder nur einer Kopie des Gens ApoE4 beschränkt. Diesen Patien­ten kann Lecane­mab trotz­dem nicht pauschal verord­net werden, sondern muss aufgrund der anderen Risiko­fak­to­ren immer von Fall zu Fall geprüft werden.

Von dem neuen Alzhei­mer Medika­ment wird somit voraus­sicht­lich nur ein verhält­nis­mä­ßig kleiner Patien­ten­kreis profi­tie­ren können – vorsich­ti­gen Schät­zun­gen zufolge etwa 20.000 der circa 1,2 Millio­nen Alzhei­mer-Erkrank­ten in Deutsch­land.

Weitere Aufla­gen betref­fen die Leqembi-Herstel­ler Eisai und Biogen, die zur Bereit­stel­lung ausführ­li­cher Infor­ma­tio­nen und Schulun­gen der Ärzte verpflich­tet sind und ein Beobach­tungs­re­gis­ter anlegen müssen.

Behand­lung mit Lecane­mab

In der Praxis wird das neue Alzhei­mer-Medika­ment alle zwei Wochen als Infusion verab­reicht. Um Neben­wir­kun­gen vorzu­beu­gen und sie frühzei­tig zu erken­nen, sollen MRT-Unter­su­chun­gen vor und regel­mä­ßig während der Behand­lung statt­fin­den.

Auch ein Gen-Test auf ApoE4 wird erfor­der­lich sein, um Risiko­pa­ti­en­ten im Vorfeld zu identi­fi­zie­ren und somit die Thera­pie siche­rer zu machen. Wann das Medika­ment Leqembi in der EU bezie­hungs­weise in Deutsch­land erhält­lich sein wird, ist noch nicht klar.

Basis für weitere Forschung und Entwick­lung

Auch wenn es verschie­de­nen Exper­ten zufolge fraglich bleibt, ob sich die Verzö­ge­rung im Krank­heits­ver­lauf für Betrof­fene und Angehö­rige spürbar auswirkt, ist die Entwick­lung und Zulas­sung dieses neuar­ti­gen Wirkstoffs ein großer Erfolg für die Forschung – und eine Grund­lage für weitere Entwick­lun­gen in der Zukunft.

Dass die Zeit einiges richten kann, deutet sich derweil schon an: Die Zulas­sungs­stu­die hat nämlich auch gezeigt, dass sich die verzö­gernde Wirkung von Lecane­mab verstärkt, je länger es verab­reicht wird. Inwie­weit sich der Effekt über den unter­such­ten Zeitraum von 18 Monaten hinaus einstellt, wird sich zeigen.

FAQ

Was kann das neue Alzhei­mer Medika­ment Leqembi?

Der neuar­tige Antikör­per Wirkstoff Lecane­mab kann den kogni­ti­ven Abbau im frühen Stadium der Alzhei­mer-Krank­heit um einige Monate verzö­gern. Das Medika­ment, das unter dem Handels­na­men Leqembi vertrie­ben wird, kann Alzhei­mer nicht heilen oder stoppen.

Welche Neben­wir­kun­gen können bei dem Alzhei­mer Medika­ment auftre­ten?

In der Zulas­sungs­stu­die traten Hirnschwel­lun­gen und Hirnblu­tun­gen auf, die in den meisten Fällen symptom­los blieben. Aus Sicher­heits­grün­den wurde das Medika­ment in der EU jedoch nur für Patien­ten zugelas­sen, die eine bestimmte Gen-Konstel­la­tion aufwei­sen.

Wie sieht die Behand­lung mit dem Alzhei­mer Medika­ment Leqembi aus?

Das Alzhei­mer Medika­ment wird alle zwei Wochen per Infusion verab­reicht. Um die Neben­wir­kun­gen zu vermei­den und zu erken­nen, sind regel­mä­ßige MRT-Unter­su­chun­gen und ein Gen-Test zur Identi­fi­zie­rung poten­ti­el­ler Risiko­pa­ti­en­ten erfor­der­lich.