Umwelteinflüsse programmieren, welche Gene aktiviert werden
Die neu identifizierten und mit der Krankheit assoziierten Regionen im menschlichen Genom tragen zum Verständnis der Entstehung von MS bei. „Alle vier Gene sind wichtig für regulatorische Prozesse in Immunzellen. Interessanterweise stehen sie in Zusammenhang mit epigenetischen Mechanismen. Das sind Lesezeichen im Genom, welche durch Umwelteinflüsse gesetzt werden und Gene steuern können“, erklärt Prof. Dr. Bernhard Hemmer, Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München.
Epigenetische Signale markieren DNS-Abschnitte in menschlichen Zellen und sind entscheidend dafür, welche der ca. 20.000 Gene in einer Körperzelle aktiviert werden und welche nicht. Sie werden während des Lebens durch Umwelteinflüsse programmiert. Eines der identifizierten Gene – SHMT1 – spielt eine zentrale Rolle für die Methylierung, einen der wichtigsten epigenetischen Regulationsmechanismen.
„Auch Umweltfaktoren entscheidend“
Die Studienergebnisse erweitern das Verständnis von genetischen Einflüssen auf die Entstehung von MS: „Da das Risiko, an MS zu erkranken, nur in begrenztem Maße erblich ist, sind auch Umweltfaktoren als Krankheitsursache entscheidend. Diese können über epigenetische Mechanismen die Aktivität von MS-relevanten Genen verändern. Wir haben nun Hinweise darauf gefunden, dass die Regulation der Methylierung eine Schnittstelle sein könnte, an der genetische und umweltbedingte Risikofaktoren für MS ineinander greifen“, so Prof. Dr. Bertram Müller-Myhsok, Leiter der Forschungsgruppe für statistische Genetik am Max-Planck-Institut für Psychiatrie.
Die Wissenschaftler konnten nicht nur vier neue Risikogene in der deutschen Bevölkerung identifizieren, sondern auch ein Dutzend bereits bekannter Gene bestätigen. Im Gegensatz zu früheren Studien setzten sie auf eine neue Strategie. Anstatt eine möglichst große Anzahl an Proben aus unterschiedlichen internationalen Bevölkerungsgruppen zu untersuchen, konzentrierten sich die Wissenschaftler mit deutschen Patienten auf eine einzelne Population.
Bisher größte Studie genetische MS-Studie in einem einzelnen Land
Diese deutsche Kohorte war genetisch sehr einheitlich. Das ermöglichte es, Risikogene zu identifizieren, die in den internationalen Studien bisher nicht entdeckt wurden. Mit knapp 5.000 Patienten und über 10.000 gesunden Personen handelt es sich um die bisher größte genetische Studie zu Multiple Sklerose in einem einzelnen Land. Die Arbeit wurde in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Science Advances veröffentlicht.
Multiple Sklerose ist eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die mit rund 200.000 Betroffenen in Deutschland zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen im jungen Erwachsenenalter gehört. MS verläuft meist schubförmig und ruft vielfältige Symptome hervor, unter ihnen Sehstörungen, Lähmungserscheinungen, Taubheitsgefühl und Schwindel. Ihre Ursache ist nach wie vor unbekannt.
Quelle: idw