„Gebt das Hanf frei – und zwar sofort!“ Die Forderung des Bündnis 90/Grünen-Urgesteins Christian Ströbele von 2002, damals von TV-Total Moderator Stefan Raab in einem ulkigen Reggae-Song verarbeitet, scheint knapp 20 Jahre später endgültig erhört zu werden. Denn die designierte Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen hat verabredet, Cannabis-Produkte auch zu Genusszwecken für Erwachsene zu legalisieren. Es soll möglich sein, Marihuana & Co. in speziell lizensierten Läden legal zu erwerben. „Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet“, heißt es im entsprechenden Passus des Koalitionsvertrages. Welche Art von Läden für eine Lizensierung infrage kommen, und ob auch Apotheken dazugehören, ist noch unklar.
Cannabis: auf verstärkte Aufklärung setzen
Das Gesetz wolle man nach vier Jahren – gegen Ende der Legislaturperiode – auf seine gesellschaftlichen Auswirkungen evaluieren, heißt es weiter im Vertragswerk. Analog zu Alkohol- und Nikotinprodukten will man „auf verstärkte Aufklärung mit besonderem Fokus auf Kinder, Jugendliche und schwangere Frauen“ setzen sowie strenge Regeln für Marketing und Sponsoring entwerfen. Bei den Grünen gehört die Legalisierung seit sehr langer Zeit zur politischen Agenda, ebenso bei großen Teilen der FDP.
Bereits 2017 ist es in Deutschland zu einer ersten, kleinen Teil-Legalisierung gekommen. Denn seit 2017 können Ärzte das Naturprodukt zu medizinischen Zwecken verschreiben – vor allem für Schwerkranke, um deren chronische Schmerzen zu lindern. Die THC-haltigen Blüten können die Patienten seitdem in der Apotheke erwerben. Diese bewahren das Marihuana besonders gesichert auf. Würde das Vorhaben der Ampelkoalition Wirklichkeit, bliebe die Abgabe nicht mehr auf medizinische Gründe beschränkt.
Wir liefern eine Übersicht: Was spricht für eine Legalisierung von Cannabis-Produkten, was dagegen?
Entkriminalisierung von Cannabis
„Der Verbotsansatz ist gescheitert“, lautet ein Hauptargument der Befürworter einer Legalisierung. Laut einer 2020 veröffentlichten Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) haben 10,4 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen in Deutschland schon einmal „Gras“ konsumiert. Bei den jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren sind es bereits 46,4 Prozent, also annähernd jeder und jede Zweite. Salopp gesagt: Wenn also ohnehin alle Marihuana rauchen, die es wollen, kann das Verbot offenbar nicht viel bringen.
– Aufklärung und Prävention möglich: Wird Cannabis legalisiert, sind Aufklärungs- und Präventionsangebote besser möglich, da sie aus der Tabuzone und der „Halb-Legalität“ herausgeholt werden. Bei Betroffenen, die Hilfe etwa bei übersteigertem Konsum suchen, sänke wohl die Hemmschwelle, sich an Hilfsangebote zu wenden. Ohne Befürchtung, ins Visier von Ermittlern zu geraten.
– Steuer-Mehreinnahmen: Wie eine 2018 getätigte Schätzung ergab, könnte der Staat rund 4,7 Milliarden Euro an Steuern zusätzlich einnahmen: Durch Steuern auf den Verkauf, aber auch durch neue Arbeitsplätze in Anbau und Handel von Cannabisprodukten. Noch hinzu kämen vermiedene Aufwendungen durch die bisherige Verfolgung von Delikten, die zukünftig wegfielen.
– Kontrolliertes Produkt, keine Verunreinigungen: Werden Cannabisprodukte legal erhältlich, ist es möglich, die Produktqualität zu kontrollieren und zu gewährleisten. Im unkontrollierten Markt können in den Produkten Streckstoffe wie Sand, Zucker, Glas oder Gewürze enthalten sein, schlimmstenfalls sogar Heroin, um eine Abhängigkeit von der harten Droge heraufzubeschwören. Zudem ist der Anteil von THC – der Wirkstoff des Cannabis – nicht nachvollziehbar. In den vergangenen Jahren ist der THC-Anteil bei Schwarzmarktprodukten tendenziell gestiegen, der „Stoff“ wird damit härter.
Entlastung für Polizei und Gerichte
Eine Legalisierung von Cannabis würde Ressourcen bei den Ermittlungsbehörden schonen, die in anderen Bereichen eingesetzt werden können. Zudem würden die Gerichte entlastet.
– Eindämmung des Schwarzmarkts: Wird das Marihuana legal erhältlich, entzieht man damit Drogendealern die geschäftliche Grundlage, so die Hoffnung der Befürworter.
Die häufigsten Argumente der Gegner einer Freigabe:
- Vermehrter Konsum zu erwarten: Eine legale Möglichkeit, Cannabis zu erwerben, führt zu Mehrkonsum, und man hätte neben Alkohol und Tabak eine dritte legale Droge geschaffen. Ähnlich wie Alkohol vermindert Cannabis den Aufmerksamkeitslevel, was nicht nur im Straßenverkehr problematisch ist.
- Gefahr von Psychosen, verzögerte Entwicklung des Gehirns bei Jugendlichen: Mediziner warnen vor gesundheitlichen Folgen vor allem für Jugendliche. Demnach zeigten sich laut einer Studie bei Jugendlichen, die häufig Cannabisprodukte konsumieren, eine gestörte und verzögerte Entwicklung des Gehirns. Auch steht Cannabis im Verdacht, das Risiko für Psychosen, Depressionen oder Angststörungen zu erhöhen.
- Dealer könnten auf härtere Substanzen ausweichen: Wird Cannabis legalisiert, könnten die bisherigen illegalen Anbieter versucht sein, ihre Alleinstellung zu wahren, indem sie Cannabisprodukte mit noch höherem THC-Gehalt oder Zusatzsubstanzen zu verkaufen, die es in den legal erhältlichen Präparaten nicht gibt. Alternativ könnten sie versuchen, den Preis zu unterbieten. In diesem Sinne sprach sich der NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) gegen eine Freigabe aus.
- Einstiegsdrogen-Theorie: Ein alter, aber bislang nicht zweifelsfrei bewiesener Verdacht ist, dass Cannabis einen Einstieg in eine Drogenkarriere mit härteren Substanzen bilden kann. Zudem bestehe generell die Gefahr einer Verharmlosung des Cannabis-Consums – nach dem Motto: Was legal ist, kann nicht gefährlich sein.