Nachthitzeschutz
Hitze in der Nacht kann laut einer Studie ein erhöh­tes Schlag­an­fall­ri­siko bedeu­ten Bild: © Pop Nukoon­rat | Dreamstime.com

Klima, Umwelt und Gesund­heit hängen eng zusam­men. Was bislang kaum bekannt ist, sind die Auswir­kun­gen des Klima­wan­dels auf die Schlag­an­fall-Rate. Nacht­hitze spielt hier eine beson­dere Rolle.

Eine aktuelle Studie aus Deutsch­land zeigt nun, wie stark das Risiko in den Jahren 2013 bis 2020 im Vergleich zur Periode 2006 bis 2012 zugenom­men hat – die Hitze­re­kord­jahre 2022 und 2023 waren also noch nicht einmal dabei.

„Der konti­nu­ier­li­che Tempe­ra­tur­an­stieg korre­liert deutlich mit der Entwick­lung der Schlag­an­fall­zah­len. So hatten heiße Nächte von 2006 bis 2012 im Unter­su­chungs­ge­biet (Großraum Augsburg) jährlich zwei zusätz­li­che Schlag­an­fälle zur Folge, von 2013 bis 2020 waren es jährlich bereits 33 zusätz­li­che Fälle“, erklärt Prof. Dr. Markus Naumann, Direk­tor der Neuro­lo­gi­schen Klinik am Univer­si­täts­kli­ni­kum Augsburg (UKA) und Ko-Autor der Studie.

Nacht­hitze: Daten­ana­lyse über 15 Jahre

Bei der Studie handelt es sich um die Ergeb­nisse einer retro­spek­ti­ven Daten­ana­lyse über 15 Jahre, durch­ge­führt in der Region Augsburg. Die Stroke-Unit der Augsbur­ger Univer­si­tät behan­delt ca. 2.000 Schlag­an­fall-Fälle pro Jahr. Insge­samt wurden 22.284 Ereig­nisse zwischen dem 1. Januar 2006 und dem 31. August 2020 ausge­wer­tet.

Die meteo­ro­lo­gi­schen Daten, darun­ter Lufttem­pe­ra­tur, relative Luftfeuch­tig­keit und Luftdruck sowie Ozon- und Feinstaub­be­las­tung wurden stünd­lich von Wetter­sta­tio­nen in Augsburg erfasst.

Um den nächt­li­chen „Hitzestress“ besser quanti­fi­zie­ren zu können, wurde in der Studie der „hot night excess“ (HNE)-Index verwen­det. Damit wird erfasst, wie stark nächt­li­che Tempe­ra­tu­ren einen bestimm­ten Grenz­wert überschrei­ten. Mögli­che Störfak­to­ren wurden mit statis­ti­schen Metho­den und durch den Vergleich mit Kontroll­ta­gen weitge­hend ausge­schlos­sen.

Risiko für Schlag­an­fälle steigt mit Zahl der Hitze­nächte

Im Ergeb­nis zeigte sich, dass der HNE-Index zwischen 2006–2012 und 2013–2020 signi­fi­kant angestie­gen war, was vor allem an einem Anstieg von Hitze­näch­ten lag (von 79 auf 82 Tage), während sich die mittle­ren Tages­tem­pe­ra­tu­ren kaum unter­schie­den (14,5 vs. 14,8 Grad Celsius). Das Schlag­an­fall-Risiko, war in Hitze­näch­ten signi­fi­kant erhöht.

Das galt sowohl für ischä­mi­sche Schlag­an­fälle als auch für transi­to­ri­sche ischä­mi­schen Attacken, nicht aber für hämor­rha­gi­sche Schlag­an­fälle. „Mögli­cher­weise waren diese aber insge­samt zu selten, um einen statis­ti­schen Unter­schied zu sehen, oder sind Folge niedri­ge­rer Tempe­ra­tu­ren“, so Prof. Naumann.

Als Gründe für das höhere Schlag­an­fall­ri­siko bei hohen Nacht­tem­pe­ra­tu­ren führt der Experte die nächt­li­che Dehydrie­rung sowie die Unter­bre­chung der norma­len Schlaf­phy­sio­lo­gie und der zirka­dia­nen Thermo­re­gu­la­tion an.

„Die Körper­tem­pe­ra­tur hat einen tages­zeit­li­chen Rhyth­mus mit Tiefst­wer­ten gegen 4 Uhr morgens, der in tropi­schen Nächten durch­ein­an­der­ge­ra­ten kann, – und jeder kennt es, dass man in Hitze­näch­ten schlecht schläft, oft aufwacht und die erhol­sa­men Tiefschlaf­pha­sen nicht erreicht. Diese sind aber wichtig für die Regene­ra­tion des Gehirns.“

Vulnerable Gruppen besser schüt­zen

Ein weite­res inter­es­san­tes Ergeb­nis der Studie war, dass die Zeitspanne zwischen Tempe­ra­tur­er­hö­hung und Eintre­ten der Ereig­nisse relativ kurz ist, die meisten nacht­hit­ze­be­ding­ten Schlag­an­fälle ereig­ne­ten sich inner­halb von 48 Stunden. Aufschluss­reich waren Subgrup­pen­ana­ly­sen der Studie: Beson­ders gefähr­det waren Frauen und Menschen über 65 Jahren. „Wir glauben, dass es wichtig ist, vulnerable Gruppen besser und geziel­ter zu schüt­zen. So sollte die Klima­ti­sie­rung von Alten­hei­men Standard werden“, sagte der Experte.

Doch auch für jüngere Menschen und Männer gibt die Studie keine Entwar­nung. Während die nächt­li­che Hitze auf ihr Schlag­an­fall­ri­siko im Beobach­tungs­zeit­raum 2006–2012 noch keinen Einfluss zu haben schien, zeigte sich auch für diese Gruppen im Zeitraum 2013–2020 ein signi­fi­kan­tes Hitzestress-beding­tes Schlag­an­fall­ri­siko.

Nach Ansicht von DGN-General­se­kre­tär Prof. Peter Berlit ist nun die Politik am Zug. „Die vorlie­gende inter­na­tio­nale Daten­lage ist sehr eindrück­lich, nun auch ergänzt um Daten aus Deutsch­land. Und wir müssen uns nach zwei Extrem-Sommern auf weitere Hitze­jahre und tropi­sche Nächte einstel­len. Wir begrü­ßen daher die Hitze­schutz­pläne, die Minis­ter Lauter­bach am Freitag vorlegte, ausdrück­lich.“

Quellen: DGN, Oxford Acade­mic